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„Ein Mann fliegt rot"

Der vormals eher im Charakterfach angesiedelte Liam Neeson mausert sich immer mehr zum legitimen Nachfolger von Charles Bronson. Ähnlich wie der litauisch-amerikanische Schweiger mit dem humorlosen Kratergesicht, läuft auch der kantige Ire mit Mitte 50 noch mal so richtig zur Action-Höchstform auf. Und wie bei Brosnon („Death Wish") war der Startschuss zum dritten Haudrauf-Frühling eine Selbstjustizgranate, die das traditionell zimperliche Feuilleton verschreckte und die Action-Afficiandos umso mehr begeisterte.

So erledigte Neeson in „96 Hours" eine ganze Legion europäisch-arabischer Fieslinge auf so beherzt unzimperliche Art, dass er 4 Jahre später gleich nochmals aufräumen durfte („Taken 2"). Dazwischen gab er zweimal den kernigen Einzelgänger bzw. -kämpfer im Agententhriller „Unknown Identity" und dem Survival-Drama „The Grey".

Ganz aktuell darf er jetzt mal als Air Marshal zeigen, was die alten Knochen noch so hergeben. In dem Entführungs-Thriller „Non-Stop" trifft Neeson dabei auf gute alte Bekannte aus „Unknowm Identity"-Zeiten. Regisseur Jaume Colette-Serra gilt als Thriller-Spezialist und ist ein Zögling des Produzenten-Urgesteins Joel Silver. Ein eingespieltes Team also und das zahlt sich lange Zeit auch prächtig aus.
Nur den schwafeligen Kinotrailer, der seit gefühlt einem halben Jahr vor jeden halbwegs publikumswirksamen Film geschaltet wird, sollte man besser nicht gesehen haben. Denn der verrät nicht nur beinahe die komplette Handlung, sondern gibt auch blödsinnigerweise etliche der cleveren Wendungen preis.

Deshalb sei zur Story nur so viel gesagt: Unser derzeitiger Lieblings-Actionrentner hat als Air Marshall Bill Marks nicht allzu viel Spaß an seinem Job. Denn dummerweise hasst er das Fliegen, insbesondere den Start. Zu allem Überfluss gerät er dann über dem Atlantik auch noch in ein tödliches Entführungsszenario, bei dem bis zum Ende nicht klar ist, wer hier die ebenso ausgeklügelten wie perfiden Fäden zeiht. Marks gerät so immer mehr unter Druck, da der via Handy kommuzierende Entführer sich im Flugzeug befindet und den Air Marshall wie eine Marionette hin und herschiebt, bis dieser schließlich selbst verdächtig scheint ...

Die größte Stärke des Films ist es, dass diese clevere Story-Idee bis zum Ende konsequent durchgezogen wird. Serra dreht dabei die Spannungsschraube bis zum Anschlag an und überrascht alle fünf Minuten mit neuen Wendungen. Das ist perfektes Thriller-Kino wie aus dem Lehrbuch: ein begrenztes, klaustrophobisch motiviertes Setting, eine Vielzahl mindestens undurchsichtiger Verdächtiger, ein vermeintlich integrer und abgeklärter Held, der immer mehr die Kontrolle und Übersicht verliert und eine vertrackte Geschichte, die durchgängig zum Miträtseln animiert. Tja, bis der Schluss kommt.

Leider kommt die finale Auflösung dann dermaßen bräsig, aufgesetzt und v.a. auch hanebüchen und unglaubwürdig daher, dass der bis dato hervorragende Unterhaltungswert in Sekundenschnelle beinahe wie ein Kartenhaus zusammenfällt. So reicht es letztlich nur zur Economy-Class.
Liam Neeson überzeugt allerdings wieder einmal vollends als reifer Actionheld und über eine angekündigte dritte Zusammenarbeit mit Produzent Silver und Regisseur Serra darf man sich definitiv freuen. Charles Bronson hat mit stolzen 73 zum letzten Mal rot gesehen, da hat Neeson noch gute 10 Jahre Zeit um den bösen Buben schmerzlich zu zeigen, dass man auch im Rentenalter noch herzhaft hinlangen kann.

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