Mit Ausnahme von „Goal II“ wurde bisher jeder Langfilm Jaume Collet-Serras von Joel Silver produziert, vor „Non-Stop“ zuletzt „Unknown Identity“.
In der Besetzung der Hauptrolle geht die Kontinuität weiter, die sich gleichzeitig auf das Image seines Stars ausweitet: Bill Marks (Liam Neeson) ist einer jener wortkargen, einsamen, aber tatkräftigen Männer, die Neeson seit „Taken“ immer wieder verkörpert. Am Flughafen sitzt er im Auto, nimmt einen Schluck, schimpft aufs Fliegen – und ist von Beruf Air Marshal, wie man später erfährt. Ein traumatisches Ereignis liegt in der Vergangenheit des Mannes, das macht die Exposition klar, es hat etwas mit seiner Tochter zu tun, doch es dauert bis der Film es ausbuchstabiert, er will den Zuschauer raten lassen, so wie es sich für einen Thriller klassischer Bauart gehört.
Dementsprechend klassisch gestaltet sich die Exposition weiterhin: Ohne viele Schnitte schwenkt die Kamera den Innenraum des Flugzeugs ab, in welches Marks einsteigt, während er auf dem Weg bereits diverse wichtige Nebenfiguren trifft: Die Stewardessen Nancy (Michelle Dockery) und Gwen (Lupita Nyong‘o), seine Sitznachbarin Jen (Julianne Moore), die Piloten sowie eine gewisse Anzahl markanter Einzelpersonen; Charaktere, deren Rollen zu diesem Zeitpunkt noch unklar sind, die alle Freund oder Feind sein könnten. Schauplatz und Figuren etabliert Collet-Serra effektiv und ökonomisch, ähnlich wie es bereits Genregroßmeister vom Kaliber eines Alfred Hitchcock getan haben.
Kurz nach Start des Fluges bekommt Bill Nachrichten von einem Unbekannten: Entweder die Fluggesellschaft transferiert 150 Millionen Dollar auf ein bestimmtes Konto oder ein Passagier stirbt zu einer angegebenen Zeit. Bald muss Bill feststellen, dass der Täter seine Drohung wahrzumachen weiß, doch das ist nicht die einzige unschöne Überraschung, die ihn erwartet…
Lange Zeit hat Collet-Serra seinen Film vollkommen im Griff, da er ausgesprochen gut mit dem beengten Schauplatz, dem eingeschränkten Handlungsraum des Helden und dessen Nichtwissen umzugehen weiß. Immer wieder spielt er Katz-und-Maus mit dem Täter, immer wieder setzt er die vorhandene Technik (Überwachungskameras, Handys usw.) ein, während sein Gegenspieler über enorme technische Kenntnisse zu verfügen und ihm immer einen Schritt voraus zu sein scheint. Gleichzeitig darf man als Zuschauer miträtseln, wer denn nun der Täter ist, wen es als nächstes erwischen könnte und wie der Täter (oder vielleicht die Täterin oder vielleicht auch die Täter) dieses oder jenes nun getrickst haben könnte.
Selbst an der Hauptfigur lässt Collet-Serra den Zuschauer milde zweifeln. Will der Täter ihm die Entführung nur in die Schuhe schieben oder ist er es tatsächlich selbst? Sind die Vorkommnisse an Bord etwa die Hirngespinste eines Durchgedrehten? Immerhin legen die schrittweisen Enthüllungen über Bills Trauma, seine Trinksucht und sonstige Verfehlungen (etwa das Rauchen auf der Flugzeugtoilette entgegen aller Verbote) nahe, dass sein Leben aus dem Gleichgewicht geraten ist. Dementsprechend sind auch seine gewalttätigen Handlungen roh, verstörend für die Fluggäste und nur bedingt klassische Action für den Zuschauer: Sicher, die eine oder andere derbe Nahkampfaktion gibt es zu bewundern, an anderer Stelle beweist Bill den treffsicheren Umgang mit der Schusswaffe, doch die Konfrontationen wirken verzweifelt bis brutal, nicht wie klassische choreographierte Action.
Gegen Ende entgleitet der Film Collet-Serra etwas. Man muss mit einer Auflösung aus dem Twistorama-Bereich leben, deren Konstruiertheit an Filme wie „The Game“ erinnert, die aber bei suspension of disbelief funktioniert ohne die Zuschauerintelligenz zu beleidigen, da der Film auf alle „Wie wurde das gemacht?“-Fragen eine Antwort zu liefern weiß. Beim Tätermotiv wird es dann etwas eindimensional, aber auch das funktioniert, während eine finale Krawalleinlage wie ein Zugeständnis wirkt: Ein Showdown muss her, also gibt es noch eine Not- bis Bruchlandung, hat bei dem ebenfalls von Joel Silver produzierten „Einsame Entscheidung“ ja schon was hergemacht, doch die CGI-lastige Sequenz in „Non-Stop“ ist wenig schnittig in Szene gesetzt und auch weniger überzeugend in den Restfilm integriert.
Diese Verfehlungen auf der Zielgeraden sind dann schon etwas schade, da sie den zuvor so sauber aufgebauten Thrill etwas stören. Dabei ist Collet-Serras Film als Thriller ohne großes Actionbrimborium eigentlich spannend genug, da er ausreichend falsche Fährten legt und noch dazu recht originell bebildert daherkommt: Das Smartphone-Texting wird als Einblendung in das Geschehen integriert, Vertipper und anschließende Korrekturen eingeschlossen, das eine Medium einfallsreich im anderen dargestellt. So funktioniert das Zusammenspiel aus klassischen Thrillerbausteinen und moderner Inszenierung eigentlich hervorragend.
Auch wenn das Harter-Hund-Image von Liam Neeson gerade ein wenig zur Masche zu gerinnen droht, so überzeugt er auch als gleichsam tougher wie traumatisierter Air Marshal. Julianne Moore als zweiter großer Name im Ensemble liefert famosen Support, ähnlich wie auch Michelle Dockery, Shea Whigham und Corey Stoll. Am Rest der Besetzung kann man auch nicht herummäkeln, doch es sind diese drei von weniger bekannten Darstellern, die das meiste Erinnerungspotential haben.
Wer gern klassischen Thrillerstoff in modernem Inszenierungszuschnitt, der kommt bei „Non-Stop“ auf seine Kosten. Dass Collet-Serras Film in einem etwas holprigen Finale endet und reichlich konstruiert ist, kann man angesichts des geschickt aufgebauten Spannungsbogens und der Darstellerleistungen problemlos verschmerzen – zumal der Film am Rande auch ein paar nette, wenn auch nicht tiefgründige Kommentare zur immer noch aktuellen Terrorangst bereithält.