Dass hinter dem immer stärker grassierenden Remake-Wahn Hollywoods rein monetäre Motive stecken, dürfte trotz Gebetsmühlen-artig konträrer Rechtfertigungssermone kaum jemand ernsthaft anzweifeln. Eine bekannte Marke mobilisiert Fans wie Gegner gleichermaßen, schließlich wollen die einen das erlebte Glücksgefühl wieder aufleben lassen und die anderen genüsslich das Scheitern des gehassten Objekts zelebrieren. Dass die Neuauflage, oder wie es immer so schön heißt „Neuinterpretation" künstlerisch eigentlich nur scheitern kann, da ihr zwangsläufig jede Originalität abgeht und immer der lange Schatten des Originals drohend über ihr schwebt, wird dabei billigend in Kauf genommen, denn es geht in erster Linie um Kasse und keineswegs um die stets behauptete Klasse.
Im Falle von Paul Verhoevens „RoboCop" ist der Schatten besonders furchteinflößend. Einst als reaktionäre und zynische Gewaltorgie verteufelt, gilt der erste Hollywoodfilm des streitlustigen Holländers inzwischen als Meilenstein des modernen Actionkinos. „RoboCop" ist zudem der Prototyp von Verhoevens ureigenem Genre-Zwitter, ein mit beißender Gesellschaftskritik und drastischen Gewaltdarstellungen durchsetzter Actionfilm im Science Fiction-Gewand. Ein Genre, das bei Intellektuellen und puristischen Actionfreaks gleichermaßen zündet. Und ein Genre, das Verhoeven - wenn auch ungewollt - mit nur zwei weiteren Volltreffern („Total Recall", „Starship Troopers") zu einem unverkennbaren Markenzeichen formte.
Da ist es kaum verwunderlich, dass dem geplanten Remake bereits im Vorfeld die geballte Ablehnung entgegen schlug und man ihm ein ähnliches Schicksal prophezeite, wie Len Wisemans familientauglichem und nur mäßig erfolgreichem Neuaufguss von „Total Recall" (2013).
Ein Hoffnungsschimmer war immerhin die Besetzung des Regiestuhls mit dem Brasilianer José Padilha. Sein semi-dokumentarischer Action-Krimi „Tropa de Elite" gewann 2008 den goldenen Bären und verband geschickt Sozialkritik mit Entertainment. Eigentlich ideale Vorraussetzungen für einen modernisierten Verhoeven-Hit.
Und tatsächlich greift Padilha geschickt brandaktuelle Themen wie die Kriegführung mittels Drohnen sowie die immer weiter fortschreitende Technisierung hinsichtlich Einsatz, Koordination und Ausrüstung bewaffneter Staatsdiener auf und entwirft ein gar nicht mal so abwegiges Zukunftsszenario. Das Problem ist, dass es letztlich bei dem Entwurf bleibt. Wo Verhoeven mit triefendem Sarkasmus und galligem Humor den Finger in die Wunde legte, bleibt Pardilha weitestgehend distanziert und vor allem oberflächlich. So wirft er zwar die spannende Frage nach Verantwortung und Kontrolle auf, lässt diese aber dann lediglich brav von seinen Charakteren diskutieren. Während Verhoeven seinerzeit schonungslos das auf Kontrollverlust folgende Chaos ausbrechen ließ, drückt sich Padilha fast schon ängstlich um drastische Auswirkungen herum und liefert lediglich einen vergleichsweise biederen Machtkampf zwischen Chef-Wissenschaftler und profitgierigem Konzernboss.
Spätestens hier erweist sich dann auch die für die Vorverurteilung des Films hauptverantwortliche Entscheidung zum Verzicht auf explizite Gewaltdarstellungen als der entscheidende Malus der Neuauflage. Nicht so sehr weil man damit die Gore-Hounds unter den Actionfans verschreckt - deren Einfluss auf Kinohits wird gemeinhin überschätzt -, sondern weil man ein im Kern extrem gewalttätiges Szenario in ein kindertaugliches Actionabenteuer verwandelt und damit sowohl die Glaubwürdigkeit wie auch die Komplexität der verhandelten Themen beinahe bis zur völligen Beliebigkeit verwässert. Dann lieber gleich sich transferierendes Kinderspielzeug sinnlos aufeinander einprügeln lassen, das wäre zumindest konsequent.
Schade um die lohnenden inhaltlichen Ansätze und die starke Besetzung. Sowohl Michael Keaton als machtgieriger und skrupelloser OmniCorp-Boss Sellars sowie Gary Oldman als zwischen den wenig kompatiblen Stühlen Forscherdrang und ethischer Verantwortung sitzender Dr. Norton liefern starke Vorstellungen, bleiben aber aufgrund der braven Inszenierung und schwammigen Grundhaltung letztlich nur Stereotypen. Lediglich Samuel Jackson darf sich als genüsslich reaktionärer Fernsehmoderator mal so richtig austoben und gibt das durchaus gelungene Äquivalent zu den sarkastischen TV-Spots des Originals.
Inhaltlich orientiert sich Padilha unnötig eng am Verhoeven-Vorbild und provoziert damit geradezu den kaum zu gewinnenden Vergleich. Wieder geht es um den im Einsatz schwerst verwundeten Detroiter Cop Alex Murphy (Joel Kinnaman mit einer insgesamt passend konturlosen Performance), der von dem multinationalen Waffenkonzern OmniCorp in einen beinahe unbesiegbaren Roboter verwandelt wird. Der ebenso visionäre wie machtgierieg Firmenchef Sellars (Michael Keaton) wittert das ganz große Geschäft und überredet den führenden Experten für mechanische Gliedmaßen zur Kooperation. Trotz moralischer Bedenken reizt Dr. Norton (Grary Oldman) das brach liegende wissenschaftliche Neuland und die zu erwartende Reputation. Schnell pulverisiert „RoboCop" die schwache Aufklärungsrate Detroits und wird zum Medienereignis. Doch als Murphy beginnt sein eigentlich sediertes emotionales Bewusstsein wieder zu erlangen und eigene Entscheidungen treffen will, beginnt nicht nur die öffentliche Zustimmung zu bröckeln, sondern auch das Zweckbündnis zwischen Sellars und Norton. Wie im „Ur-RoboCop" kommt es schließlich zum großen Showdown im Firmensitz von Oscorp.
Wie im Original entwirft der Grundplot eine schimmernde Zukunftsvision, die unter dem polierten Lack ordentliche Kratzer aufweist. Das funktioniert dank der durchaus vorstellbaren Prognose auch anno 2014 noch sehr gut, ist aber eben nicht neu. Folgerichtig hat Padilhas Version dann auch vor allem da ihre Stärken, wo sie sich von der Vorlage weg bewegt und eigene Wege geht. So ist der Handlungsstrang um die Beziehung des humanoiden Roboter-Cops zu seiner Familie einer der besten Einfälle des Brasilianers. Zwar bleibt er auch hier zu sehr an der Oberfläche, schafft an dieser Stelle aber immerhin die einzigen intimen und intensiven Momente des Films. Besonders als der schwerverwundete Murphy erkennt, dass man ihn in eine Maschine verwandelt hat, bei der lediglich noch Kopf, Brustkorp und rechte Hand seinem menschlichen Körper entstammen und er mit diesem Wissen erstmals wieder Frau und Kind begegnet ist so etwas wie Tiefe und Tragik zu spüren. Brisante Themen wie Sterbehilfe, Patientenverfügung oder Organhandel schwirren hier allerdings lediglich im Raum und werden nicht weiter verfolgt oder gar vertieft.
Bleibt noch die Optik, und auch hier gibt es Licht und Schatten. Zu den positiven Überraschungen gehört das neue Design des Titelhelden, der zumindest zeitweise in glänzendem Schwarz auf Verbrecherjagd geht. Aber auch die klassische silberne Montur wurde in soweit verändert, dass sie modern wirkt und trotzdem genügend Wiedererkennungswert besitzt.
Auch die erste Feuerprobe, bei der Robocop seine Überlegenheit gegenüber voll mechanischen Modellen unter Beweis stellen muss, ist ein pumpend inszenierter Actionhöhepunkt, der im Rest des Films leider nicht mehr erreicht wird. Dort regiert dann mal wieder Wackelkamera und Schnittgewitter, schließlich wollen die Kids so was sehen. Nachdem man aber - glücklicherweise - auf die typischen Computerspielartigen Zerstörungsorgien der Superheldenfilme verzichtet, hätte man sich diese Anbiederung glatt schenken können.
Am Ende dürfte keiner so richtig zufrieden sein. Dem juvenilen Publikum verweigert man das heiß geliebte CGI-Festival und malträtiert es obendrein mit einem gesellschaftskritischen Unterbau. Die mit den verhandelten Themen und dem gewählten Vorbild eigentlich angesprochene erwachsene Klientel vergrault man durch eine unpassend familientaugliche Inszenierung und eine jeglichen Biss vermissen lassende Oberflächlichkeit. Für beide Seiten dürfte es dennoch zu einem unterhaltsamen Kinoabend reichen. Angesichts Konsequenz, Stringenz und vor allem Nachhaltigkeit des Verhoeven-Originals ist das dann aber als Rechtfertigung für eine Wiederauflage doch etwas dürftig.