Review

Ich mach`s mal dem Shyamalan gleich und lüfte ein Geheimnis. Meine Pointe kommt aber schon gleich am Anfang:

Dieser Film steht "The Sixth Sense" in nichts nach!

Uuuuuuuh! Aaaaaaaaaaaaaaaaaah!

Natürlich will ich diese wagemutige These versuchen, zu begründen.
Vor wenigen Wochen fiel ich aus allen Wolken, als ich in einem Film- und DVD-Forum auf einen Beitrag über Shyamalans zweites Werk "Unbreakable" stieß. Eigentlich ging es um ein Gerücht über eine "Unbreakable"-Trilogie, aber irgendwann wurde dann auch die Qualität des Originals diskutiert.
Und siehe da, gerade mal zwei oder drei Leute waren meiner Meinung, der Film sei mindestens so gut wie das Debüt "The Sixth Sense", wenn nicht sogar noch besser. Der Rest - ich darf mal frei zitieren - "würdigte" das Werk mit Kommentaren wie "Schrott" oder "langweiligster Film der Welt".

Gut, jedem seine Meinung, aber das hat mich nun dazu bewegt, das Ganze ein wenig ins rechte Licht zu rücken (auch wenn die bisherigen Reviews ja recht großzügig mit dem Film umgehen). Es geht doch nichts über Gerechtigkeit.

Die Ungerechtigkeit in Sachen "Unbreakable" ist die Tatsache, dass die Zuschauer die Auflösung mit dem Last-Minute-Twist teilweise mit Mißgunst quittierten, weil diese Wende schon aus "The Sixth Sense" bekannt war und in Anbetracht des großen Erfolges sozusagen als Heiligtum verehrt wurde. Eine Wiederholung der Idee wirkte daher wie Majestätsbeleidigung. Da Shyamalan seine eigene Idee wiederholte, wurde ihm kein Klau, sondern Selbstzitierung vorgeworfen. Inzwischen gilt der besagte Storykniff als sein Markenzeichen; in "Signs" regte man sich weniger über die Tatsache auf, dass er wieder vorkam, sondern eher über seine Umsetzung. Und mit "The Village" ist dieses Stilmittel nun endgültig etabliert und akzeptiert.

Kommen wir aber zum Thema zurück. Im Vergleich mit seiner Geistergeschichte (nicht, dass mir jemand auf die Idee kommt, dieser Begriff sei abwertend gemeint; The Sixth Sense hat mich damals schwer beeindruckt!) ist die Geschichte um das Gleichgewicht der Welt universeller und bedeutender, dadurch allerdings auch metaphorischer, und zwar in jeder Hinsicht. Das erzählerische Mittel selbst ist schon eine Metapher. Vor Filmbeginn werden wir erst einmal mit statistischen Informationen über Comics versorgt. Wie später deutlich gemacht wird, fungieren diese Comics eben als Metapher für die Welt. Es geht um Gegensätze und Widersprüche, die sich gegenseitig bedingen und ohne die die Welt aus den Fugen geraten würde. Diese Gegensätze werden aber von der Gesellschaft "überzeichnet", um sie massentauglich zu machen. Comics als Kunst und als Massenware, die Welt als Gebirge aus Gut und Böse und als glattgebügelte Präsentationsfläche.

Überaus gut gelingt Shyamalan die Verflechtung jener Metaphern und Symbole mit den im Film vorkommenden Fakten. Natürlich besitzt Elijah Price eine Kunstgalerie mit dem Schwerpunkt Comics. So werden immer wieder Bildvergleiche zwischen Zeichnung und Realität eingestreut. David Dunn hingegen ist Security Guard in einem Footballstadion, was natürlich im späteren Verlauf noch logisch erklärt wird.

Die Geschichte selbst erfährt über die volle Laufzeit keinerlei Entwicklung, bis eben zu dem besagten Plottwist. Doch vorher erzählt Shyamalan mehr oder weniger in einer hermeneutischen Spirale immer das Gleiche, aber mit immer neuen Erkenntnissen und dadurch immer in einem anderen Licht. Denn das Motiv ist schon zu Beginn des Filmes klar: der an einer "Glaskrankheit" leidende Elijah erfährt vom Glück des einzigen Überlebenden eines Zugunglücks, David Dunn und nimmt Kontakt mit ihm auf. Im Folgenden geht es nur noch darum, das Geheimnis aufzuklären.

Die visuelle Gestaltung, unterstützt von einer wundervoll dezenten Musik, ist grandios. Shyamalan ist ein Meister der kompositorischen Bildgestaltung, jedes Bild ist ein Gemälde, das einem einen kalten Schauer über den Rücken laufen und vor Ehrfurcht erstarren lässt. Der gesamte Film ist mit einem kalten Blaustich versehen. Oftmals verharrt die Kamera minutenlang an der gleichen Stelle, lässt dafür den Hintergrund agieren. So etwa bei der Szene am Ende im Haus, als die flatternden Vorhänge sozusagen die Arbeit der starrgewordenen Kamera übernehmen und durch zufällige Bewegungen das Auge des Zuschauers immer in die richtige Richtung lenken.
Wenn David dann langsam seine Kräfte erahnt, verändert sich die Optik. Die Umwelt wird blasser, während nur die Person, auf die sich David konzentriert, mit einer Signalfarbe auf sich aufmerksam macht.

Dann wird das Ganze noch geschickt mit den Kostümen kombiniert. Davids Regencape von der Arbeit wird in seiner Mission zum düsteren, aalglatten Superheldenkostüm; sein Opponent, ebenfalls in Arbeitskleidung, signalisiert mit dem grellen Rot des Overalls Gefahr. Der Kampf in seiner Ausführung einfach perfekt. Das Anhängen und Würgen unterstützt die Entschlossenheit des Helden auf seinem unbeirrten Weg. Seine einzige Schwachstelle, das Wasser, ein klaustrophobisches Moment, in dem man den Atem stillhält.

Die Schauspieler sind in einer Reihe absolut passend. Bruce Willis gelingt die Darstellung des Helden, der zum Leben erwacht, zum ersten Mal wirklich seine Augen benutzt (nach mehr als 30 Reviews endlich mein erstes Matrix-Zitat) mit Bravour, wenn man sich durch sein Spiel auch oft an seine Leistung in "The Sixth Sense" erinnert fühlt. Samuel Jackson stellt seine Wandlungsfähigkeit einmal mehr unter Beweis. Man vergleiche mal seine Rollen in "Caveman`s Valentine", "Shaft", "Die Jury", "Pulp Fiction", "187" und nun "Unbreakable"... der Mann weiß, wie man sich in eine Rolle einfühlt.
Selbst Willis` Filmsohn macht einen guten Job. Man hat ja oft das Problem, bei Jungdarstellern naturgemäß auf eher schwache Leistungen zu stoßen. Hier haben wir wieder ein vielversprechendes Nachwuchstalent. Aber Mr. Osment, seien Sie beruhigt: Ihr Thron sitzt trotzdem wackelfest.
Ach ja, by the way... der junge David Dunn, der Willis in einer Rückblende vertritt - genial gecastet. Dieser Mund ist echt original.

Bezüglich der Enttäuschung einiger Zuschauer kann ich letztendlich nur Mutmaßungen anstellen. Ich nehme an, die Geschichte war für die Masse nicht greifbar genug. Nicht jeder hat was für Comics übrig, und nicht jeder hat ihre metaphorische Bedeutung verstanden. Ausserdem schien die Grundidee - für jedes Ying muß es ein Yang geben - etwas motivations- und inhaltslos zu sein, so als hätte man den Film auf Luft aufgebaut. Mit dem nicht ganz so spektakulären, meiner Einschätzung nach aber trotzdem perfekten Ende war die Enttäuschung perfekt.

Aufgrund meiner persönlichen Nähe zu Comics ist "Unbreakable" für mich Shyamalans Bester. Objektiv betrachtet ist er aber doch zumindest auf einem Level mit dem grandiosen Debüt. Hält man mal die Erinnerungen an "The Sixth Sense" mit der Hand zu, lehnt sich zurück und lässt die Bildgewalt dieses sanften Riesen auf sich wirken, sollte man mit ein wenig Filmgeschmack eigentlich die Qualität von "Unbreakable" anerkennen können.
9/10

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