Review

Gut entwickelt, schwach abgeschlossen

Die Miniserie "The Stand - Das letzte Gefecht" hat viele Stärken, aber auch unverständliche Schwächen.

Zunächst zu einem mehrfach genannten Kritikpunkt, der Länge des Films. Diese finde ich keinesfalls unangemessen, sondern im Gegenteil fast unerlässlich. Die Entwicklung des Szenarios, der Atmosphäre und der einzelnen Charaktere braucht Zeit und Sorgfalt, beides ist fast mustergültig gelungen. Insbesondere der zweite Teil ist atmospärisch außergewöhnlich: bedrückend, aber hoffnungsvoll, zwiespältig, aber nicht irreführend - stark! Die Angst eines der ersten Grippeopfer vor dem "schwarzen Mann", dem niemand entkommt, die ersten Szenen des abstoßenden, aber in seiner rätselhaften Getriebenheit ("Mein Leben für dich!") ungeheuer faszinierenden Feuerteufels "Trash", der apokalyptische "Monster-Schreier" in den Häuserschluchten New Yorks, all das schafft eine dichte Atmosphäre mit einer hohen Erwartungshaltung.

Zu diesem Zeitpunkt sind auch alle Charaktere noch überzeugend, weil differenziert. Insbesondere der Musiker Larry Underwood nimmt im Verlauf des Films eine beeindruckende Entwicklung: wie sich aus dem scheinbar oberflächen Macho das wahre Ich "herausschält", hat mich begeistert! Leider gilt das nicht im gleichen Maße für alle Figuren. Bei Stu Redman (Gary Sinise) verläuft die Entwicklung genau umgekehrt: Zunächst glänzt er in der Rolle des nervenstarken Einzelgängers, der sich dem Sadismus der Wissenschaftler entgegenstellt. Später mutiert er jedoch zu einem unerträglichen Gutmenschen, einem ständig verlegen lächelnden, milchgesichtigen Patriarchen, dem man seine Autorität einfach nicht abkaufen will. Deutlich mehr von dieser Autorität - für mich ein Schlüsselbegriff bei der Bewertung von Filmfiguren - hat der Taubstumme Nick Andros, der im Verbund mit dem dummen Tom Cullen ein starkes Duo bildet - leider nicht lang genug. Die Figur Tom Cullens ist letztlich eine der größten Enttäuschungen des Plots: Seine Mission ist das Spannendste, was der Film zu bieten hat, das Ergebnis dieser Mission ist dagegen ernüchternd! Es bleibt völlig unklar, ob und wie seine Spionagearbeit den Bewohnern von Boulder genützt hat. Flagg ist zunächst außer sich, als er von seinem Entkommen erfährt, dann verläuft die Spur im Sande. Auch das Opfer der übrigen, von Mutter Abigail als letzte Hoffnung ausgesandten Spione, bleibt rätselhaft. Ihre Aufgabe sei es zu "widerstehen" - nun gut. Immerhin bringen sie ein paar Beleidigungen an den (schwarzen) Mann, das war es aber auch schon. Das Ende wird jedenfalls von Tash herbeigeführt; wer ihn dabei leitet, ist ebenso rätselhaft wie viele von Randall Flaggs Motiven. Was genau baut er in Las Vegas - auch so ein Stereotyp - eigentlich auf? Eine Armee? Dafür spräche die für eine dämonische Hauptstadt völlig unpassende Disziplin, der Verzicht auf jegliche Ausschweifungen. Auch die Funktion von Nadine Cross in Flaggs Plänen bleibt nebulös. Dessen Ende ist so billig, dass man sich seinetwegen den Film fast hätte sparen können. Dass der Teufel schwach ist, mag manche Zuschauer beruhigen, aber es kann wohl kaum die passende Pointe für einen Horror-Film sein.

Was mich ebenfalls gestört hat war, dass Stephen King es sich nicht verkneifen konnte, seine Fratze - ich bitte um Verzeihung - im Film unterzubringen, und dann auch noch auf der Seite der Guten! Neben dem "Rattenmann" - leider nur ein Nebendarsteller - hätte er vielleicht eine gute Figur abgegeben, aber als christlicher Charakter wirkt er einfach peinlich und fehl am Platz.

Kurz: Die Serie kann sehr lange sehr faszinieren, am Ende bleibt man jedoch recht enttäuscht zurück. Dennoch lohnt es sich, "The Stand" zu sehen.

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