Dieser Text ist 2007 in meinem Blog entstanden.
Endlich ist auch Hairspray (1988) bei mir angekommen und ich musste den Film natürlich sofort gucken. Und es war ein Fest! Super witzig, inhaltlich diesmal nicht "nur" sozialkritisch, sondern stark politisch/antirassistisch, tolle Besetzung, klasse Inszenierung und viel gute Musik.
Natürlich spielt der Film in Baltimore (wo sonst), aber mehr denn je steht Baltimore in diesem Film symbolisch für die gesamte USA. Und er spielt im Jahr 1962, was wohl ebenfalls symbolisch ist, für das Jahr, in dem sich der erste Afroamerikaner in die Oxford-University einschreiben wollte und damit einen entscheidenden Schritt für das Ende der "Rassentrennung" getan hat. So ist Hairspray geprägt und gefüllt von Zitaten und Verweisen auf die Geschichte des afroamerika-nischen Emanzipationskampfes: "I have a dream" (1963), "Rassendiskriminierung" trotz entgegengesetztem Beschluss des Obersten Bundesgerichts (1963), Bombenanschlag auf eine schwarze Gemeinde (1963), usw.; genaueres hier. Besonders George Wallace, einst Gouverneur von Alabama, wird hier von John Waters verarbeitet. In seiner Antrittsrede als Gouverneur (1963) redete er einen, auch im Film zitierten, Schwachsinn wie: "Rassentrennung heute, Rassentrennung morgen und Rassentrennung für immer!". Außerdem widersetzte er sich dem Urteil des Obersten Bundesgerichts und verweigerte schwarzen Studenten den Zugang zu Universitäten in Alabama, bis John F. Kennedy die Nationalgarde schickte, um das Bundesgesetz und damit den Zugang zu Universitäten für AfroamerikanerInnen durchzusetzen. Ich vermute, dass Wallace durch den rassistischen Senderchef (gespielt von Divine, s.unten) dargestellt wird.
Nach so viel harter Realität nun aber zurück zum Film, der trotz des inhaltlichen Subtextes überhaupt nicht hart oder schwierig ist, sondern lustig, schön und leicht.
Die "Corny-Collins-Show", eine Tanz- und Musik-Show, ist sehr berühmt, aber auch umstritten, weil dort "N****musik" gespielt wird. Amber (Colleen Fitzpatrick), eine prestigesüchtige Teenagerin und Tochter der antreibenden und rassistischen Velma Von Tussle, gespielt von Debbie Harry (Blondie), ist bereits in die Jury der Show aufgestiegen und arbeitet hart an ihrem Erfolg in Form von Nahaufnahmen. Doch als Tracy Turnblad, ein dickes Mädchen und Tochter von Edna (Divine) und Wilbur (Jerry Stiller), ebenfalls zur Corny-Collins-Show kommt, direkt den Tanzwettbewerb gewinnt, damit ebenfalls zur Jury aufsteigt und sogar Ambers Freund, einen sexy Elvis-Verschnitt, gespielt von Michael St. Gerard (der 1990 tatsächlich in der biographischen Mini-TV-Serie "Elvis" die Hauptrolle spielte), ausspannt, entbrennt der Konkurrenzkampf der beiden jungen Frauen.
Doch die Sympathien des Publikums liegen eindeutig auf der Seite von Tracy, die sich gegen die Rassentrennung stark macht und die Fernseh-Show, an der bisher nur an einem Tag im Monat, dem "Negertag", AfroamerikanerInnen teilnehmen durften, "für ganz Baltimore" zugänglich machen will. Auch der Moderator Corny Collins setzt sich für eine "gemischte" Veranstaltung ein, wird aber von dem Sendeleiter Arvin Hodgepile (ebenfalls gespielt von Divine! Parallele zu George Wallace? s.oben ) davon abgehalten. Und so kommt es zu einer spontanen Protestaktion, als mal wieder Schwarzen der Eintritt verwehrt wird. Tracy wird festgenommen, während ihre beste Freundin Penny Pingleton von ihrer völlig "afrophoben" (mir fällt kein besseres Wort ein) und rassistischen Mutter zu Hause eingesperrt wird und von einem "Psychiater" (John Waters), der immer mit einem hypnotisch-drehenden Kreisel auf sie einwirkt und Elektroschocks verteilt, "behandelt" wird. Das ist wirklich eine witzige und persiflierende Rolle, die John Waters da zum Besten gibt! Auf der Straße, bei der Show und beim Senator von Baltimore formiert sich eine Protestbewegung für die Freilassung von Tracy Turnblad. Und sie findet Beachtung und Erfolg, weil ja so viele Weiße mitmachen. Letzten Endes kommt Tracy natürlich frei und es gibt ein riesiges John Waters-HappyEnd, was beinahe noch von einem Bombenanschlag von Ambers Mutter (Debbie Harry) verhindert wird.
Besonders toll ist, dass, wie schon in Female Trouble, es einfach völlig normal ist, dass die Hauptrolle dick ist und sich auch niemand (außer der Konkurrentin Amber) daran stört; weder das Publikum noch ihr süßer Elvis. Nur damit es nicht zu Missverständnissen kommt: Michael St. Gerard spielt hier nicht den King of Rock´n´Roll, sondern sieht nur so aus. Obwohl der Film natürlich auch Parallelen zum Elvis Presley-Phänomen ("weißer Mann mit schwarzer Stimme", [was ich persönlich nie nachvollziehen konnte], der mit "schwarzer" Musik auf "weißen" Radiosendern gespielt wurde) aufweist. Insgesamt ist der Film eine lustige, seichte Teeny-Komödie (am ehesten vergleichbar mit Pecker), die einen sehr starken Subtext hat, von ihm aber nicht unbedingt dominiert wird, auch wenn ich das hier nicht wirklich deutlich machen konnte.