Manchmal sollte ich wirklich das Hirn anschalten. Bei der Filmflut, die uns wöchentlich überschwämmt, versuche ich seit geraumer Zeit meine Trefferliste so zu optimieren, damit ich nicht so oft kotzen gehen muss. Ich glaube, ich versuche es schon seit Jahren und sehe auch irgendwo irgendwie einen Fortschritt - aber immer wieder kommt ein Film dazwischen, der sich vom Inhalt her gut anhört und ich auf die Durchschnittsnote einen dicken Haufen drauf lege (Pah ! Ihr habt doch alle keine Ahnung...), oder es gibt sonst einen Grund, warum ich im Schritt leicht feucht werde und mir den unter "4,0-Punkte-Schrott" besorge, absorbiere und rezensiere.
Ganz ehrlich, ich hasse mich dafür. Ich hab im reallife echt viel zu tun (Familie, zweite Freundin, den Rasen vom Chef zu mähen etc.) und Machwerke überlasse ich gerne immer den anderen, die echt nichts anderes im Leben zum Lachen haben, als Filme zu schauen, den ganzen Tag masturbieren und nur drei Personen ohne Tastatur in der Ritze ansprechen: Ihren Drogendealer, ihren Bewährungshelfer und ihren zuständigen Sozialberater.
Natürlich (um mich hier mal wieder nach dem Schubladendenken aus der Schusslinie zu bringen) sind das alles Analphabeten und können nicht schreiben. Zum Glück müssen wir alle diese Meinungen nicht im Internet ertragen. Um es auf den Punkt zu bringen, frage ich jetzt Sie, liebe Leser und Leserinnen: "War dieser Kommentar hilfreich/nicht hilfreich?"
So, hab ich es wieder einmal fertig gebracht, mein Intro länger zu schreiben, als die eigentliche Filmkritik, haben wir es mit "RAW 2" mit der Fortsetzung eines deutschen Found-Footage-Horrors zu tun, dessen erster Teil eigentlich schon scheiße war, aber immerhin ein paar Bonuspunkte durch den "German Flair" sammeln konnte. Es wirkte authentischer als "Filmmaterial", das auf amerikanischem Boden gefunden wurde. Eben durch die deutschen Darsteller, ihre Stimmen, und den Locations, die auch aus meinem Garten stammen können. Filmisch war der Erstling nichts innovatives oder spannendes als unterdurchschnittliches Flickwerk, aber genau deswegen musste ich (da war wieder die feuchte Stelle) den zweiten Teil schauen. Das dreckige, ehrliche Deutsche an dem ganzen Film war für mich das einzig Wertvolle. Komm schon Dude, es ist WM und ab drei Promille sind wir alle Freunde und selbst bei Unentschieden in Gruppenspielen (für die Arthouse-Fans unter uns: Das ist ein Ergebnis, wenn sich zwei gegnerische Mannschaften in einem Unentschieden trennen und jeder der beiden Kontrahenten einen wertlosen aber manchmal auch wertvollen Punkt einheimst - Gruppenspiele kennt ihr ja) zeigen wir mittlerweile Nationalstolz und fahrend hupend durch die Gegend, als wäre Schland (den Patentierer dieses Wortes nehme ich mit ins Grab, wenn irgendwann einmal bei mir unheilbarer Krebs festgestellt wird) gerade Weltmeister geworden. Naja, immerhin scheint der Trend nachgelassen zu haben, sich die 99 Cent-KiK-Fahnen ans Auto zu hängen.
Über was wollte ich noch sprechen? Ach ja! Über die Fortsetzung von "RAW". Der Film hat ein Problem - und zwar seinen Regisseur. Aus jedem Land dieser Welt gibt es begabte Regisseure, die mit wenig Budget auf Anhieb den großen Fang machen. Oder Amateure, die sich auch permanent mit wenig Budget rumschlagen müssen und einen Horror- /Splatterfilm nach dem anderen abdrehen, bis sie ihren Horizont erweitern und der Zuschauer bzw. Studios auf den Typen aufmerksam werden und ihm die Millionen blind hinterherwerfen.
Was haben wir?
Ittenbach, Schnaas, Taubert und Konsorten - und Walz.
Während Ittenbach mit dem "From Dusk Till Dawn"-Klon "Legion of the Dead" seinen Höhepunkt erreicht hat, wollte Schnaas scheinbar nicht mehr, als Zombies, Ninjas, Kannibalen und Schildkröten aufeinander loslassen. Immerhin hat er mit "Violent Shit 2 & 3" zwei große Klassiker des deutschen Amateur-Kinos abgefilmt. Okay, da war ich auch voll wie die Sau, aber die Filme rocken heute noch. Taubert kapiert es immer noch nicht, dass seine Clips, die er für seine Freunde bei Youtube im Privatchanel dreht, irgendein böser Warez-Dieb klaut und sie wirklich auf VHS und DVD veröffentlicht. Neben den ganzen anderen Freibiergesichtern, die nichts gebacken bekommen haben wir noch Walz, der eben Walz ist. Walz ist Walz. Und da ändert sich ( Parallelen zum "Itte-Universum") auch nichts mehr in zweihundertfuffzisch Jahren.
Klar, Teil Eins war unterdurchschnittlicher Found Foutage - aber immerhin besser als der ganze Crap, den er zuvor gedreht hatte. Wenn ich nur fünf Sekunden an "Schlaraffenland" oder "Plastic" denke, muss ich gerade wieder eine Packung Aspirin und/oder exakt dosierte Antidepressiva nehmen, um mir nicht das Leben zu nehmen.
Okay. "Raw - Der Fluch der Grete Müller" war relativ kostengünstig und spielte im Preis-/Leistungsverhältnis wohl dennoch wieder ordentlich Geld ein, so dass man es sich als Regisseur zu Herzen nehmen sollte, die Cashcow zu melken. Das ist legitim, jeder von euch würde das machen. Aber bitte Marcel - kannst Du Dir nicht eine Woche nehmen, um ein vernünftiges Drehbuch um diesen Film zu kreieren?
Dieser zweite Teil hat überhaupt keinen Sinn mehr. Denn nach fünf Jahren hat außer einem Kamerateam (jenes wir begleiten) kein Mensch auf der Welt davon Wind bekommen - ja nicht einmal die BILD-Zeitung hat davon Wind bekommen - dass es da mächtig gerappelt hat. Es gab viele Tote und die einzige Überlebende hat nach fünf Jahren auch nichts besseres zu tun, als diese Dokumentarfilmer zu begleiten? An den Ort, an dem jeder von ihren Freunden verreckt ist? Schon mal daran gedacht, die Ghostbusters oder Fred Feuerstein anzurufen, anstelle da mitzutrapsen wie ein treudoofer Pudel? Oder sich vielleicht mal auf die Couch zu legen, um die traumatischen Ereignisse zu verarbeiten?
Ja, man merkt, dass die Story nach einem One-Night-Stand auf den Quadratmillimetern der Schamlippen einer unbekannten Pussie geschrieben worden ist und auch wenn wir diese verdammt doofe Story ausblenden kommt dabei nichts Verwertbares heraus.
Vom Aufbau her gesehen gleicht er immer noch den anderen 90 Prozent an Dünnpfiff-Found-Footage-Filmen: Es wird dummes, wirres, unnötiges Zeug von nervigen, unsympathischen, talentfreien Schauspielern gelabert, bis fünf Minuten vor Schluss die Hölle ausbricht und alle Beteiligten nach Drehschluss sich gegenseitig auf die Schulter klopfen, wie geil der Film denn jetzt war.
Also: Story, Darsteller und Charaktere sind für den Anus. Was noch übrig bleibt, sind die Schockeffekte (sorry, keine Vorhanden) und die meist übelst nervende Wackelkamera, mit der Walz scheinbar versucht, neue Grenzen auszuloten. Anstatt wenigstens hier Stärken zu zeigen, entpuppen sich an der größten Schwachstelle dieses Genres, die meisten Frustpunkte. Hier rappelt es nicht fünf Minuten vor Schluss, sondern es knistert schon ein wenig früher. Dafür muss man jedoch in Kauf nehmen, dass man meint, man schaut einer Buntwäsche im Schleudervorgang vor. Diesen Waschmaschineneffekt habe ich schon öfter erlebt, aber meistens gab es doch noch einen positiven Aspekt für diese "Technik" zu ertragen. Ich denke, jeder, der sich mit diesem Genre ernsthaft auseinandersetzt, wird nervend manche Wischiwaschi-Szenen in Kauf nehmen, weil es einfach dazu gehört. Aber wenn ein Regisseur limitierte Grenzen und limitiertes Können hat und er meint, nur mit diesem Stilmittel glänzen zu können, fällt mir nichts mehr ein. Es ist klar, dass alle sterben, vielleicht überlebt auch eine Person. Was aber in diesem Fall nach dreißig Minuten schon egal ist.
Fassen wir noch einmal alles zusammen:
Story, Schauspieler und deren Charaktere miserabel bis suizidgefährdend. Da passt wirklich gar nichts.
Bleibt noch der Spannungsbogen, die Schockeffekte, die Kameraführung, der Score und das Ende: Auch auf diesen Bereichen wurde alles verfehlt. Das ist so, als wenn ich Honig naschen will und mit meinen Schlauchbootlippen direkt in ein Hornissennest reinbeiße.
Walz hat gemerkt, dass "Teil 1" seine Kosten eingespielt hat, er konnte seinen 3er BMW abbezahlen und hatte zu diesem Jackpot noch genug Budget übrig, für diesen Schnellschuss hier runterzukurbeln - in der Hoffnung, dass die nächste Karre mal über 100 PS hat. Als Zuschauer spürt man auch, dass er scheinbar nicht mehr wollte. Die Fortsetzung hätte Potential gehabt. Doch hier wurde alles verschenkt und der Worst Case tritt in Kraft. Ich glaube, viel schlimmer hätte es nicht mehr werden können.
1/10