Review

M. Gustave liebt romantische Gedichte und alte Damen. Zero Mustafa malt sich einen Schnäuzer auf die Oberlippe und ist in der Ausbildung zum Lobby Boy. Madame D. liebt M. Gustave, weswegen er bei ihrem Tod durch viele Gefahren reist, um ihr am Sarg zu erklären, dass er es gut findet, dass sie die Farbe ihres Nagellacks vor dem Tod noch geändert hat. Agatha backt ganz kleine Gebäckstücke, die noch kleinere Ausbruchswerkzeuge enthalten und ins Gefängnis geschmuggelt werden. Dimitri ist ein böser Mensch, Mitglied der schwarzgekleideten ZZ. Sein Helfershelfer Jopling schaut aus wie ein hässliches Nilpferd und ist ein ganz ausgezeichneter Killer. M. Ivan ist, genauso wie M. Gustave, M. Martin, M. Robin und M. Georges (und sicher noch viele andere) Mitglied der Gesellschaft der gekreuzten Schlüssel – Ein Bund der Concierges der großen Nobelhotels Europas, die sich untereinander in Notlagen helfen. Natürlich immer unter Wahrung größtmöglicher Contenance. Der Jüngling mit dem Apfel ist ein Gemälde, dessen Wert nicht zu ermessen ist. Man kann es verkaufen, natürlich weit unter Ladenpreis, und sich mit dem Geld an der maltesischen Riviera zur Ruhe setzen.

Nein, ich bekomme den Film nicht zu fassen. Ich kann nicht einmal eine adäquate Inhaltsangabe schreiben. Was in GRAND BUDAPEST HOTEL alles drin steckt, da machen andere Regisseure 10 Filme draus: Wahnsinn. Ideenreichtum. Tempo. Kluge Dialoge. Gewalt. Irrwitz. Ein ganz klein wenig Sex (aber wirklich nur ein Spritzerchen). Große und gute Schauspieler in kleinen und kleinsten Rollen. Kulissen, so opulent wie eine 10-stöckige Hochzeitstorte (oder wie ein Gebäck von Mendl). Eine Kameraführung zum Hineintauchen und nie wieder in die Realität zurückkehren wollen. Farben die auch ein Timothy Leary nicht hätte erfinden können.
Nein, der Film lässt keine Inhaltsangabe zu. Der Text kann nicht mal in Andeutungen das wiedergeben, was in dem Hotel wirklich passiert. Was in dem Film wirklich passiert. Was M. Gustave tatsächlich für ein Mensch ist (“Die Welt von Gustave war schon tot, noch bevor dieser sie betrat.“), was die Handlung(?) für Pirouetten dreht. Natürlich ist das alles wohlgeordnet und stilisiert. Alles ist an seinem Platz und harrt der Entdeckung durch akribische Filmsammler. Spontaneität? Gar Anarchie? Nicht im Grand Budapest Hotel. Aber es weht so viel Menschlichkeit durch den Film, so viel Humor und (Aber)-Witz, und gleichzeitig so viel Stil, dass diese ... ich möchte es mal Sterilität nennen, gar nicht recht ins Gewicht fällt.

Mangels eigener Ideen möchte ich Oliver Nöding zitieren, der GRAND BUDAPEST HOTEL in perfekte Worte kleidet: Mit größtem Stilbewusstsein und Detailreichtum ausgestattetes Filmgemälde, gleichermaßen von milder Melancholie wie versöhnlicher Ironie geprägt, immer wieder Einflüsse aus Animations-, Puppen- oder auch Stummfilm aufgreifend[..]. Nöding schreibt dies über alle Filme von Wes Anderson, was ich, da dies mein erster Anderson war, so nicht bestätigen kann. Aber auf GRAND BUDAPEST HOTEL trifft es vollkommen zu. Eine Reise in ein (Film)-Land, wie ich es im 21. Jahrhundert zwischen Superhelden-Gedöns und Teenie-Komödien nicht mehr erwartet hätte. Traumhaft. Bei allem Realismus surreal. Menschlich und warm. Zutiefst bezaubernd …

Details
Ähnliche Filme