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Michael Caminos dreistündiges Kriegsveteranenepos setzte sich als erster großer Hollywoodfilm mit dem bis Dato zumeist tabuisierten Thema des amerikanischen „Vietnamtraumas" auseinander. Im Mittelpunkt steht die Beziehung zwischen fünf Freunden, von denen drei in den Krieg ziehen und entweder gar nicht mehr oder körperlich wie seelisch verstümmelt nach Hause zurückkehren. Wir sehen die naive Aufbruchsstimmung vor dem Einsatz, die Gräuel während des Krieges und die psychischen und gesellschaftlichen Folgen danach. Camino entwirft anhand seiner unterschiedlichen Charaktere einen Querschnitt des gemeinen (weißen) Soldaten. Ihr Antrieb ist kaum politisch, sondern der Film gibt ihnen von Beginn an eine hochemotionale Haltung vor. Will nicht intellektualisieren, sondern emotionalisieren, will berühren und an seinen tragischen Figuren Anteil nehmen lassen. Protagonisten sind die viel bemühten „einfachen" (!) Soldaten. Aus dem Arbeitermilieu, innerhalb einfacher Verhältnisse und hochgradig unpolitisch. Gesteuert zwar von naiver Vaterlandstreue, aber niemals reflektiert für (oder gegen) diese argumentierend. Das Bild des Soldaten als Opfer der Umstände wird vertreten. Als „Arbeiter" des Krieges ahnungslos in den Fleischwolf geschmissen und wenn überhaupt noch am Leben, dann verroht und von posttraumatischen Dämonen verfolgt. Caminos Denkmal an den amerikanischen Soldaten des Vietnamkrieges funktioniert nur mit einer vorabgesetzten (positiven) Entmündigung dieser, indem der Mensch hinter der Uniform zu einer nahezu politisch/ideologisch unbefleckten Tabula rasa erklärt wird. Die Gründe der drei Männer, warum sie überhaupt in den Krieg ziehen wollen, werden kaum geklärt bzw. mit vorausgesetztem Patriotismus zur laschen Pseudoerklärung des Filmes erhoben. Er zeigt Einzelschicksale in ihrer Opferhaltung und drückt sich um die Beleuchtung der näheren, d.h. durchwegs politischen, ökonomischen und ideologischen Umstände, die für einen Krieg verantwortlich sind. Diesen Umstand teilt The Deer Hunter mit vielen vermeintlich authentischen Kriegsfilmen und ist somit zwar etwas stumpf, aber auch nicht weiter ungewöhnlich.

Ärgerlich wird diese Stilisierung der good ol‘ american Boys spätestens dann, wenn die differenzierte, betont harmlose Charakterisierung, die noch für „unsere" US-Figuren galt, den nordvietnamesischen Soldaten verweigert wird. Ein sadistischer Mob, der den ganzen Tag nichts weiter veranstaltet als perfide Folterspiele mit seinen Gefangenen zu zelebrieren. Nicht durch Zufall sind es gerade die vergleichsweise wenig Laufzeit beanspruchenden Kriegsszenen, die im Gedächtnis bleiben. Wie eine Orgie an Grausamkeiten präsentiert sich dieser verbindende Mittelteil. Das historisch nicht verbürgte russische Roulette innerhalb des Gefangenenlagers, das hier eine bedeutende Rolle einnimmt, sollte metaphorisch die Willkür des zahlreichen Sterbens im Krieg veranschaulichen. Hier kommt am bittersten die Problematik des Filmes hervor. In einer geradezu gefährlich dummen Unterscheidung macht er den amerikanischen Soldaten zum Opfer des Krieges, zum naiv unbefleckten Menschen in unmenschlichen Verhältnissen und den vietnamesischen zur entmenschlichten, fratzenhaften Personifizierung des Krieges selbst. Der Status des Menschen wird ihm zuungunsten dieser trivialen Metapher abgesprochen.

Camino wollte nach eigenen Aussagen einen Film über das Amerika vor, während und nach dem Krieg drehen. Über seinen nach dem Krieg angeknacksten, aber ungebrochenen Patriotismus, über das Selbstverständnis vieler Bürger, die in diesen Krieg zogen und gebrochen wiederkamen. So legitim dieses Vorhaben ist, so schafft er dies bezeichnenderweise nur mit einer überdreht geschmacklosen Inszenierung eines Feindbildes. Und wer über die universelle Tragik des Krieges erzählen will und dann doch nur in alte nationalistisch gefärbte Polemik und schwarz/weiß-Denken zurückfällt, hat allem Anschein nach nicht genug Abstand dazu gefunden. Die Qualitäten dieses Filmes, allen voran der Schauspieler, lassen sich zwar keineswegs ignorieren, wurden und werden sie doch unermüdlich hochgehalten. Klein reden braucht man den Film gar nicht erst, aber angesichts seines zum Klassiker erhobenen Ruf, lässt doch ein kritischer Blick so manches an dieser Ehrung mindestens zweifeln.

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