"Die durch die Hölle gehen" ist kein Vietnam-Antikriegsfilm, in dem Protagonisten in erbarmungslosen Schlachten um ihr Leben kämpfen. - Nein, "Die durch die Hölle gehen" ist mehr ein dramatisches Portrait über glückliche Männer, die Soldaten wurden und nach ihrem Vietnameinsatz nie wieder glückliche Männer sein werden.
Wo der Zuschauer zunächst von einer ausführlichen Charaktervorstellung ausgeht, sieht das Drehbuch jedoch eine ausgedehnte Charakterstudie vor, die in der Heimat von Michael (Robert de Niro), Nick (Christopher Walken), Steven (John Savage) und ein paar anderen Freunden beginnt. Ausgelassen begleiten wir sie bei ihrem Alltag, wo sie gerne einmal jagen, feiern und Bier trinken und ihre zeitgenössischen Ohrwürmer nachgrölen. Für den Vietnamkrieg, den ebenfalls zeitgenössischen, werden fast alle eingezogen, doch an das, was kommen möge, will noch keiner einen Gedanken verschwenden. Und so steht kurz vor ihrem Kriegseinsatz sogar noch eine Hochzeitsfeier an.
Gestandene 70 Minuten sind bisher mindestens vergangen und wir sind nun mit den Jungs längst vertraut. Dramaturgisch passiert in dem Zeitraum bis zur Hochzeit nicht viel, weshalb man Regisseur Michael Cimino überflüssige Langatmigkeit schon vorwerfen kann, denn dieses erste Drittel ist wirklich nicht gerade das spannendste. Allerdings überrascht Cimino dann mit seinem unerwartet plötzlichem Schnitt ins Kriegsgeschehen: Die befreundeten Männer haben sich noch einmal alle in ihrer Kneipe versammelt..., einer von ihnen setzt sich ans Klavier..., er spielt..., die anderen lauschen gefesselt seinen Klängen..., dann hört die Musik auf..., es wird still und das Bild wechselt - plötzlich befinden wir uns mitten in Vietnam.
Napalmbomben explodieren; kleine Kampfhandlungen werden unverblümt und in ihrer Brutalität konsequent in Szene gesetzt. Das Ganze kommt zu überstürzt, als das wir es schon hundertprozentig realisieren könnten. Kaum ist unsere Aufnahmefähigkeit dann wieder gänzlich hergestellt, finden wir Michael, Nick und Steven bereits in Gefangenschaft wieder und diese wird für sie zur Hölle auf Erden. Denn als wenn die hygienisch katastrophalen Umstände - in gelb-jauchendem Flusswasser, in dem Ratten keine Seltenheit sind, werden sie festgehalten - nicht schon genug wären, da machen sich die Vietcongs einen Spaß daraus, die Gefangenen russisches Roulette spielen zu lassen. Vor jedem Abdrücken der Waffe baut sich gleichzeitig eine enorme Spannung auf, da klar ist, dass hier nicht jeder ohne Loch im Kopf davon kommen wird.
In diesen Szenen der Gefangenschaft macht "Die durch die Hölle gehen" seinem Titel wirklich alle Ehre und darin liegt zweifellos auch die Stärke des Films. Denn so eine ungeheuere Intensität versprühen nur sehr wenige Werke. Glücklicherweise können die drei dem Horror entkommen, aber der Psychoterror hat bei allen Spuren hinterlassen. Und das letzte Drittel dreht sich genau darum - um das zerstörte Leben danach.
Ein Robert De Niro stellt hier in noch jüngeren Jahren sein Talent einmal mehr unter Beweis. Mit seinem Michael mimt er den wohl stärksten Charakter der drei Hauptprotagonisten, auch wenn dieser die Vietnamhölle zumindest psychisch ebenfalls nicht ganz unbeschadet überstanden hat. Steven, gut verkörpert von John Savage, hat es wesentlich schlimmer erwischt; er ist nur noch ein körperliches Wrack, das seine Verbitterung möglichst hinter einer Fassade zu verstecken versucht. Und Nick? - Nick ist nach dem Erlebtem geistig überhaupt nicht mehr auf der Höhe. Christopher Walken insgesamt einmal in so einer Rolle zu sehen, ist ungewohnt, doch er meistert sie ebenfalls mit Bravour.
"Die durch die Hölle gehen" beleuchtet den Krieg einmal von einer anderen Seite und lässt ihn selbst nicht im Vordergrund stehen. Vielmehr bildet der Mensch, der im Krieg nicht nur an seine körperlichen, sondern auch an seine psychischen Grenzen stößt, hier den Mittelpunkt. Zwar ist für meinen Geschmack besonders im ersten Drittel etwas zu viel Leerlauf vorhanden, allerdings sind die Szenen, in denen russisches Roulette gespielt wird, von einzigartiger Intensität.