Wie bereitet man Schnecken zu?
Pupi Avatis „Das Haus der lachenden Fenster" aus dem Jahr 1976 ist ein übersehenes Werk aus der langsam auslaufenden Zeit gelungenen Genrekinos in Italien. Scheinbar wurde der Film erst nachträglich von `84 Entertainment eingedeutscht und hat somit nie eine Kinoauswertung in Deutschland erfahren. Mir lag die DVD von Shameless vor, die lediglich italienischen Originalton mit englischen Untertiteln bietet. Und da Italiener schnell sprechen, musste ich teils zurückspulen, um nochmals zu lesen, was denn da gerade gesagt wurde. Es ist allerdings der Qualität des Films zu verdanken, dass mich das nicht im Geringsten gestört hat.
Auf den Film wurde ich während einer mehrmonatigen Auseinandersetzung mit dem Giallo aufmerksam. Mit diesem Subgenre hat „La casa dalle finistre che ridono" für mich jedoch weniger zu tun und ich würde ihn eher als Mystery-Grusel bezeichnen, der lediglich grob den Pfaden des Giallos folgt.
Avati gelingt es von Anfang an, dem Film eine morbide und intensive Atmosphäre zu verpassen und zwar noch bevor er seinen Helden Stefano (Lino Capolicchio, mir bekannt aus „Solamente nero") auf die Spur eines durchgedrehten Verbrechens schickt. Dies liegt an einer hervorragenden Kombination aus Bild und Ton von Chef-Kameramann Pasquale Racchini und Komponist Amadeo Tommasi, die hier vielleicht keine genialen Neuerungen einbringen, jedoch wunderbare Beispiele dafür sind, wie viele gute Handwerker dem italienischen Kino in den Sechzigern und Siebzigern zur Verfügung standen.
Der Plot arbeitet sich ziemlich direkt daran ab, die dem Grusel zugrunde liegende Mytologie des kleinen Ortes zu erschaffen und ist damit erfolgreich, wie ich finde. Die Geschichte um einen verrückten Maler und seine noch verrückteren Schwestern ist mal etwas Unbekanntes und verleiht dem Film einen leicht okkulten Anstrich, der sich ausgehend von der Kirche mit dem ungewöhnlichen Fresko ausbreitet und überall zu spüren ist.
Dabei gibt es nur vier wesentliche Orte für die Handlung, was eine Orientierung für den Zuschauer stets vereinfacht und man sich in der Weitläufigkeit der Landschaft nicht verliert. Ich könnte jetzt eine Karte zum Film zeichnen, was daran liegt, dass auch auf den Wegen zwischen Orten Handlung passiert und wir ein gutes Gefühl für die Bewegungen der Figuren bekommen und in welcher Richtung was liegt.
Herausragend ist dabei das verfallene Landhaus, in dem Stefano Unterkunft findet, nachdem deutsche Touristen ihn aus seinem Hotel vertrieben haben, was von der Wirtin mit einem beißenden Kommentar versehen wird. In dem Landhaus manifestiert sich der Grusel am deutlichsten und Set Pieces wie der Dachboden werden stimmungsvoll inszeniert.
Das namensgebende Haus mit den lachenden Fenstern ist vorhanden und auch handlungsrelevant, spielt aber nur eine untergeordnete Rolle und rechtfertig eigentlich nicht, namensgebend für den Film zu werden.
Untypisch für den Giallo, wie wir ihn außerhalb Italiens verstehen, wird hier sehr wenig on screen gemordet, allerdings entfaltet der zentrale Mord für die Handlung eine ausgesprochen dramatische Wirkung. Ich fand das Opfer äußerst bedauernswert, was ein Zeichen dafür ist, dass es Avati gelingt, uns die wichtigen Figuren nahezubringen. Besonders die Beziehung zwischen Stefano und Francesca entwickelt sich stringent zu einem tragenden Pfeiler des Films, wenngleich der Austausch der beiden Lehrerinnen nicht nötig gewesen wäre. Vermutlich brauchte man nur eine Rothaarige. Und die Szene mit den Schnecken im Kühlschrank konnte ich irgendwie auch nicht richtig zuordnen. Die Anzahl der Figuren ist aber auch so recht überschaubar, wodurch es umso mehr erstaunt, dass man das Rätsel wirklich erst im letzten Akt lösen kann.
Die Lösung funktionierte bei mir trotz des fortgeschrittenen Alters noch immer und das, obwohl mir spontan mehrere Filme einfallen, die mit vergleichbaren Schlusspointen aufwarten. Die Inszenierung ist aber auch hier gelungen und schafft einen schrillen Ton, der dem Film einen alptraumhaften Anstrich verleiht.
Fazit
„La casa dalle finistre che ridono" ist ein gelungener Psycho-Grusel-Thriller, der ohne Spannungsabbrüche durchgehend unterhält, teils sogar fesselt. Die Drehorte werden hervorragend eingefangen und die so erzeugte Stimmung in der Einöde trägt den Film über weite Strecken, so dass es bei der Ergründung des Mysteriösen auch mal etwas ruhiger zugehen kann, ohne mich als Zuschauer zu verlieren. Wie es sich gehört, nimmt der Film zum Ende dann ordentlich Fahrt auf und geht in ein fulminantes Ende über, das auch heute noch seine Wirkung entfalten kann. Dies liegt an einer gelungenen Liaison aus gutem Schauspiel und gutem Handwerk hinter der Kamera.
Um auf die Anfangsfrage zurückzukommen: Am besten gar nicht.