Der beste Mystery-Giallo aus Pastaland! Na gut, eine persönliche Einschätzung und viele der gelungenen Momente kommen auch in anderen Filmen vor - Bava muß hier natürlich genannt werden, aber auch Argentos "Profondo Rosso", mit dem er Frauen mit Vorliebe für scharfe Gegenstände und noch größere Vorliebe, diese jungen Männern in den Corpus zu stoßen, gemein haben bzw. auch seltsame Häuser und merkwürdige Schatten und Geräusche. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Tatsache, daß im Vorspann der jeweiligen Filme die Handlung, und bis zu einem gewissen Grad die "Lösung", so man von einer solchen sprechen kann, gezeigt werden, nur weiß der Zuseher da noch viel zu wenig von den Ereignissen, um sie richtig einordnen zu können (weiters stellt sich natürlich die Frage, welcher der beiden Regisseure von dem jeweils anderen abgekupfert haben könnte; entstanden sind beide Filme etwa zur gleichen Zeit - vielleicht war es aber auch nur eine Koinzidenz der Ideen, was ja auch bisweilen vorkommt). Avatis Film schafft es aber am ehesten diese Dinge zu einem ruhig sich entwickelnden, immer gewissermaßen "am Boden bleibenden" (zumindest in bildsprachlicher Hinsicht und im Gegensatz zu Argento) Thriller zu entwickeln, dessen Finale trotzdem sehr bizarr ist und einer gewissen Furiosität nicht entbehrt, auch wenn die Metzeleien, ähnlich dem sieben Jahre später entstandenen "Zeder", sehr zurückhaltend, wenn auch nicht wirklich dezent inszeniert wurden. Interessant auch eine weitere Parallele zu Avatis zweitem Horrorstreifen, nämlich die Hauptperson: ein junger und naiver Restaurator namens Stefano, wobei nur der Beruf die beiden respektiven Protagonisten der Filme unterscheidet. Jedenfalls soll im gegebenen Fall unser Stefano eine Wandmalerei der Torturen des heiligen Sebastian in der Kirche eines kleinen und eher unansehnlichen Provinznestes bei Ferrara restaurieren, denn rechts und links wurden scheinbar Teile des Gemäldes übermalt. Hier ist natürlich die Typenzeichnung sehr interessant, denn diese ist wie in vielen italienischen Filmen von Bizarrerie geprägt. Bevor Stefano noch richtig zu Werke gehen kann, wird er schon in seiner Pension von einem anonymen Anrufer belästigt, der (bzw. eigentlich die) ihn nachdrücklich von der Restauration des Bildes abhalten will. Natürlich hat das den gegenteiligen Effekt und Stefano weiß bald warum. Auf dem Bild sind nämlich zwei Figuren abgebildet, die im Blutrausch S. Sebastiano mit Messern zerschnetzeln. Stefanos Freund, der ebenfalls in diesem Ort arbeitet und ihn wohl auch empfohlen haben wird, versucht ihn noch zu warnen, nicht weiter in die Geschichte dieses Bildes vorzudringen, doch bevor ihm das gelingt, stürtzt er unter mysteriösen Umständen zu Tode. Jetzt ist natürlich Stefanos Neugierde geweckt und er beginnt zu recherchieren, immer von merkwürdig huschenden Schatten und Geräuschen verfolgt. Dabei kommt natürlich die Figurenzeichnung der Dorfbewohner zu tragen, die alle an einem Geheimnis zu kauen scheinen und hin- und hergerissen sind, wieviel (oder auch was) sie dem "Zugereisten" erzählen können, sollen, dürfen. So erfährt Stefano immerhin, daß der Künstler offenbar nicht wirklich im Besitze aller Nadeln auf der sprichwörtlichen Tanne war und sich auf die Darstellung von Leid und androgynen Figuren spezialisiert hatte. Kurz nach der Fertigstellung seines Meisterwerkes an der Kirchenwand richtete er sich in einem flammenden Auto-da-fé, wobei aber seine Leiche nie gefunden wurde. Dazu alte Gerüchte von verschwundene Menschen und das ambivalente Bild des Künstlers ist fertig. Der seltsam feminine Pfarrer der Gemeinde und sein retardierter Ministrant-cum-Mädchen-für-alles jugendlicher Helfer scheinen besonders zurückhaltend. Letzterer führt Stefano zu einer alten bettlägrigen Frau, die allein in einer großen Villa am Stadtrand wohnt und die von ihm versorgt wird. Allerdings ist der Meßdiener offensichltlich seiner Macht, die er wenigstens einer alten, gelähmten Frau gegenüber hat, bewußt und so kommt es, daß sie sich freut, Stefano von nun an als Gast und Versorger beherrbergen zu können. Doch es wird immer bizarrer, die Dorfbewohner spielen ein Spiel um Stefano, er weiß nicht mehr, wem er trauen kann. Inzwischen hat er auch eine junge Frau näher kennengelernt, die mit ihm angekommen ist und als Kindergärtnerin arbeitet. Obwohl sie ein Liebespaar werden, ist auch ihre Rolle in diesem Stück alles andere als klar. Langsam beginnt sich jedoch aus den vielen verschiedenen Bruchstücken, die bisweilen auch (absichtlich?) ins Nichts führen ein erschreckendes Bild herauszukristallisieren: offenbar hatte der Maler zwei ältere Schwestern, die ihm in entsetzlicher Weise "zur Hand" gingen, was den beunruhigenden Naturalismus seiner Folterdarstellungen erklärt. Die Restauration ist nun abgeschlossen, doch der Pfarrer wirkt wenig begeistert und bittet Stefano, das Bild zu verhängen, weil er eine Feier abhalten müsse und die Motivik kaum für die Augen der Besucher bestimmt sein dürfte. Als Stefano Tags darauf der Bürgermeister trifft, weist dieser darauf hin, das mit dem Bild wohl etwas nicht stimme und tatsächlich hat irgend jemand die freigelegten Teile frisch übermalt. Auch die Drohanrufe haben wieder eingesetzt. Offenbar nähert sich Stefano sich zu sehr dem Feuer. Der Fahrer des Bürgermeisters, der scheinbar am wenigsten mit dem leben kann, was er als Kind gesehen hat, führt Stefano schließlich zum Haus des Malers, um dessen Fenster dieser lächelnde Münder gemalt hatte (siehe Titel). Dort beginnt er zu graben und holt auch prompt Teile eines Skelettes heraus. Bei seiner Rückkehr in sein Gastdomizil findet der schwer beunruhigte Stefano dann seine Geliebte entsetzlich zugerichtet auf dem Dachboden... was dann das Finale einläutet von dem ich jetzt nicht allzuviel spoilen will, aber es stellt sich heraus, daß manche Personen gar nicht so an ihr Bett gebunden sind, wie es schien und auch Geistliche nicht immer das sind als was sie erscheinen. Ein Ende das offen bleibt und sowohl als "gut" als auch "schlecht" gedeutet werden kann, rundet dieses kleine Meisterwerk ab. Warum der Film so dermaßen obskur blieb, wissen die Götter, denn es scheint, momentan zumindest, keine Englisch oder Deutsch synchronisierte Fassung auf dem Markt zu geben. Ich selbst mußte mich mit der Videoversion zufriendengeben, die zwar auch ein perfektes Bild hatte, aber eben keine Untertitel (und das bei einer doch nicht unkomplexen Story und sehr urlaubsbezogenen Italienischkenntnissen), die die DVD Variante immerhin besitzt und somit auch wärmstens empfohlen sei.
Wie auch in Zeder, läßt sich Avati nicht dazu herab, den Film zur Geisterbahn verkommen zu lassen und setzt seine unheimlichsten Szenen in gute Beleuchtung. Mein Favorit ist die in der Stefano, einem Geräusch folgend, auf den Dachboden der Villa kommt, in dem das elektrische Licht einwandfrei funktioniert und in diesem hell ausgeleuchteten Raum rechts hinten ein von der Decke hängender Sack langsam hin und her schwankt - irgendwer muß hiergewesen sein, aber es ist niemand zu sehen, und das tatsächlich, weil man ja in jede Ecke sieht. Nur eine von vielen derart geschickten Inszenierungen und eine so wohltuende Abwechslung zum geschmackslosen Horror-Einheitsbrei von den Fließbändern Hollywoods. Der Unterschied eben zwischen Big Mäc und gut abgelegenem Parmaschinken.