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"In englischen Gasthöfen werden wohl immer die Wege der Geschichte, der Erinnerung und der Romanzen zusammenlaufen. Wer hat sich in seiner Phantasie noch nicht über ihre Holzgalerien gebeugt und auf den mit Kopfsteinen gepflasterten Hof hinuntergeblickt, um zu beobachten, wie die Kutschen einfahren und er dampfende Atem der Pferde die Luft erfüllt, wenn sie an einem kalten Winterabend stampfend vor den Ställen stehen ? Und wer kennt nicht di Beschreibungen dieser langgestreckten, flachen Gebäude mit den unterteilten Fenstern, den eingesunkenen, unebenen Fußböden, den dicken Holzbalken und dem Kupfergeschirr an den Wänden, den Küchen, in denen ganze Tiere sich einst auf Spießen drehten und in denen Schinken von der Decke hingen ?..."

Erstaunlicherweise mehr als drei Jahrzehnte hat es gedauert, bis der Eröffnungsroman der amerikanischen Autorin Martha Grimes "Inspektor Jury schläft außer Haus" ("The Man With a Load of Mischief") als Verfilmung und möglicher Beginn einer Reihe um den titelgebenden Protagonisten und die über 20 Romane um dessen Leben und Beruf angedacht wurde. Bereits beizeiten mit den Werken von Agatha Christie oder Dorothy Sayers verglichen und sich einer treuen Gemeine an Lesern versichert, lässt die lange Wartezeit der filmischen Illustration ebenso verwundern wie die Tatsache, dass nun ausgerechnet das ZDF mit Zusammenarbeit des ORF im Fernsehfilm der Woche und nicht etwa ein britischer Sender oder ein amerikanischer auf die dafür eigentlich wie prädestiniert scheinenden Bücher setzt:

Als es im verschlafenen Long Piddleton zu einem seltsam und obskur ausgestellten Mord in einem Pub kommt, wird Inspector Richard Jury [ Fritz Karl ] von Scotland Yard samt Assistent  Alfred Wiggins [ Arndt Schwering-Sohnrey ] zu Hilfe gerufen. Verdächtig macht sich anfangs im Grunde das ganze kleine Dorf, dessen schillernde Gestalten wie der Pfarrer Denzil Smith [ Peter Lerchbaumer ], der Antiquitätenhändler Marshall Trueblood [ Anatole Taubman ] oder der Adelige Melrose Plant [ Götz Schubert ], der seine kriminalistische Unterstützung auch sehr eifrig am Anbieten ist und aufgrund der heimlichen Flamme in die schöne Vivian Rivington [ Julia Brendler ] auch recht schlecht auf deren Verlobten, den Wirt Simon Matchett [ Bernhard Schier ] zu sprechen ist. Und es soll auch nicht bei nur einem Toten bleiben.

Gerade angesichts ähnlichen Materials wie Midsomer Murders (ab 1997), The Inspector Lynley Mysteries (ab 2001) oder Inspector Banks (ab 2010) drängt sich die Orientierung und auch der Vergleich geradezu auf, was den vorliegenden Start zu einer möglichen Aufeinanderfolge weiterer Bearbeitungen auch eher merkwürdig korrespondierend zu den ausländischen bzw. speziell britischen Serien und so oder auch dennoch gleichzeitig als 'typisch deutsch' (mit österreichischen Akzent) und leicht theaterhaft und kostümierend und so auch als Kuriosum erscheinen lässt. Leben tut man weniger in den Innenszenen, die dies stark verdeutlichen als vor allem in den vielen Außenaufnahmen, die dem Aufwand der heimatfernen Inszenierung durch das Verwenden des pittoresken englischen Dörfchens, dem Wandern an der Küste entlang und Fahrten durch kleine Gassen, Wälder und Wiesen auch entsprechend Rechnung trägt, zum Träumen und Verweilen einlädt und anregt. Die Wahl des Schauplatzes und der Gang an die tatsächliche Lokalität im Südwesten Englands mit Corfe Castle in der Grafschaft Dorset trägt durchaus zum Ambiente der konträr zum Buch selber hier etwas dünn scheinenden Geschichte bei, die für Außenstehende vielleicht etwas holprig und bemüht und auch nicht gerade interessant per se zu verfolgen ist.

"Es hatte angefangen zu schneien – ein feiner, pulverartiger Schnee, nicht diese dicken, nassen Flocken, die in den Wimpern hängenbleiben und auf der Zunge hafteten. Jury mochte Schnee, aber nicht den Londoner Schnee, der mit seinem grauen, matschigen Schmelzwasser nur den Verkehr behindert. Es schneite immer stärker, Schnee so körnig wie Zucker, der richtig zu prickeln anfing...(...)Jury holte tief Luft und betrachtete die Spuren, die seine Stiefel auf der dünnen Kruste frisch gefallenen Schnees hinterlassen hatten; er blickte sehnsüchtig auf die glitzernde, weiße Fläche des Dorfplatzes..."

Im Grunde macht der Film sowohl als eigenständiges Erzeugnis als auch als andere Bebilderung von Wort und Satz seine Aufgabe recht anständig und versucht sich um die Wiedergabe von unterhaltsamen Understatement und Charme. Eine gewisse lockere Stimmung im Nachspielen gängiger Muster, die eben nicht die ureigenen, sondern von anderen angeschauten oder abgelesenen Kreationen sind. Denn wenden tut man sich mit der Vorstellung des Hauptakteurs und seines nahen Umfeldes innerhalb der ersten kriminalistischen Erkundung schon an die gehorsam folgende Leserschaft, in der Jeder Einzelne beim Schmökern auch seine eigene kleine Phantasie kredenzt und gleichsam pflichtbemüht wie vergebens auch von der Produktion bedient wird. Unterschiede zum Text lassen sich besonders im Grunde im Wechsel der Jahreszeit finden, spielt das Buch – wie auch die nachfolgenden "Inspektor Jury spielt Domino" ("The Old Fox Deceiv´d", 1982) und "Inspektor Jury bricht das Eis" ("Jerusalem Inn", 1984) – doch mit voller Absicht mitten im schneebedeckten Winter, und wird der Charakter und das Berufs- als auch das Privatleben des melancholischen Einzelgängers durchaus näher ausführend gerade durch die Umstände der weißen weihnachtlichen Postkartenlandschaft, und dem Bedürfnis des Detectives nach dem schnee- und eisbedeckten Unberührten gezeichnet und auch stilisiert. Hier ist dafür der typische englische Regen, eine eher durch Nebel und wenig bis kaum Sonne klamme Gegend und die Vorzeit des noch einige Wochen auf sich Warten lassende Sommers zu sehen – die Dreharbeiten begannen Mitte April 2013 – , was durchaus auch seine eigenen, nur andere, fremdelnde Akzente setzt.

Drei Morde in der ersten halben Stunde, die noch von einem weiteren erbarmungswürdigen Opfer und vielerlei Verdächtigen, fehlenden Alibis und dunklen Geheimnissen in der Vergangenheit gefolgt sind. Nicht nur die Rätsele, auch die Ursachen wirken wie aus der Konserve gelockt und im Nachhinein gestrickt; die gesamte Inszenierung und das Schriftstück entspricht als Gegensatz zu den derzeit beliebten skandinavischen Erzeugnissen einem doch betulichen, zaghaften, schon antiquiert und auch komödiantisch scheinenden Milieu. Neben dem Klima der größte Gegensatz zum Buch ist die Eröffnung und der Abschied bzw. die Ankündigung einer Fortsetzung im modernen London, die Gott sei Dank knapp gehalten wird und noch mehr gestellt als der Rest der deutschen Invasion in der urbritischen Gemeinde ist. Denn etwas angewöhnen an die Verkleidung der Szenerie muss man sich schon, sind auf den ersten und auch den zweiten Blick die Darsteller eher unpassend zum belletristischen Stück gewählt, wenn auch mit langsam gewinnender Präsenz. Die Befragungen von Zeugen aus der älteren und der jüngeren Geschichte ist mit reichlich Material, nur etwas sprunghaft und auch nicht gerade der Aufregung förderlich gefüllt, zudem wird aus eigener Idee so Manches an Skurrilität wie ein vorwitziger Pathologe, ein führerloses Auto und gar seltsame Freizeitaktiviäten integriert.

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