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Mit „American Hustle" (2013) schickt Kritikerliebling David O. Russell nach „The Fighter" (2010) und „Silver Linings" (2012) bereits den dritten Oscarfavoriten hintereinander in die Kinos. Herausgekommen ist eine vergnügliche Krimikomödie, die sich glücklicherweise nicht nur auf ihr schrilles 70ties-Ambiente verlässt, sondern vor allem mit einem glänzend aufgelegten Ensemble, interessanten Figuren und -trotz fehlender Höhepunkte und einigen Längen gegen Ende- mit einer witzigen und spannenden Geschichte punktet.


Irving Rosenfeld (Christian Bale) führt abseits seiner Ehe ein Doppelleben als Kreditbetrüger mit seiner Geliebten Sydney Prosser (Amy Adams). Sein sorgenfreies Leben gerät aus den Fugen, als beide dem ehrgeizigen FBI-Ermittler Richie DiMaso (Bradley Cooper) ins Netz gehen, der sie dazu zwingt, gemeinsam dem korrupten Lokalpolitiker Carmine Polito (Jeremy Renner) illegale Geschäfte nachzuweisen. Als Irving sich mit Polito anfreundet, seine unberechenbare Frau Rosalyn (Jennifer Lawrence) sich in die Operation drängt, DiMaso ein Auge auf Prosser wirft und die Chance wittert, an noch viel größere Fische zu kommen, gerät die Operation außer Kontrolle.


Regelmäßig im Februar, mitten in Hollywoods Awards-Season, dürfen schmal budgetierte Oscarfavoriten die deutschen Kinos belagern - im Zuge explodierenden Marketingexzesse der großen Blockbuster, nutzen die Verleihfirmen dankbar diese Möglichkeit der kostenlosen Aufmerksamkeit rund um die bevorstehende Oscarverleihung. In diesem Jahr sind das unter anderem „The Wolf Of Wall Street", „Dallas Buyers Club" und „Twelve Years A Slave". Gleichzeitig vollzieht sich unter deutschen Cineasten alljährlich das Ritual, dass man brav ins Kino pilgert, nur um nach der Vorstellung milde Enttäuschung zur Schau stellen zu können: „Und das war jetzt der große Oscarfavorit? Naja, ich weiß ja nicht." Dabei wird übersehen, dass neben der bloßen Qualität eines Films auch ganz anderen Kriterien (Oscarbuzz, Werbekampagnen, Themensetzung, Personen) für die Nominierungen zählen. Zudem können sich Oscarauszeichnung auch als Bürde erweisen, etwa dann, wenn eine übersteigerte Erwartungshaltung dazu führt, dass man fast zwangsläufig enttäuscht werden muss.


Ähnlich ergeht es auch „American Hustle" (2013), der hierzulande zwar positive, aber keinesfalls überschwängliche Kritiken einheimste. Dabei ist Regisseur David O. Russell eine gleichermaßen wuchtige wie leichtfüßige (und urkomische) Demontage des American Dreams geglückt, die nicht zu Unrecht mit 10 Oscarnominierungen (unter anderem auch in den Big-Five-Kategorien: Bester Film, beste Regie, Bestes Drehbuch, beste/r Hauptdarstellerin) bedacht wurde. Das historische Setting nicht nur der wahren Begebenheit geschuldet, es transportiert mit einem Zeitgeist eines verunsicherten Amerikas zwischen Ölkrise, Watergate-Skandal und Vietnam-Trauma grandios die Grundstimmung des Films. Eine Ära, in der der Politiker und Gangster quasi bedeutungsgleich wahrgenommen wurde und der American Dream zu einer billig schillernden Fassade verrottete. Auch deshalb verkommen die exalierten Dekors, Kostüme und Frisuren -im Gegensatz zu selbstgefälligen Ausstattungspornos wie „Mad Men", auch niemals zum Selbstzweck. Auf der Flucht vor den eigenen Ängsten und Unzulänglichkeiten schuf sich Amerika Ende der 1970er-Jahre eine Fassade aus Schlaghosen, Disco und Minipli. Nicht nur mit dem titelgebenden „Hustle", also das „geschäftlich Treiben", auch mit ihrem bloßen Erscheinungsbild halten die Figuren ihre eigenen Dämonen fern. Die glitzernden Fassaden in „American Hustle" (2013) bilden somit vor allem das Spiegelbild des Betrugs bzw. Selbstbetrugs, dem praktisch alle Figuren unterworfen sind.


Am augenfälligsten wird dies in der Figur Irvin Rosenfeld, den Christian Bale mit Verve und einer ungewohnten Leichtigkeit, aber auch mit dem obligatorischen Method-Acting-Schmerbauch, verkörpert. Irvin Rosenfeld ist ein begnadeter Gauner. Er schafft Illusionen und besitzt die Gabe, selbst Betrüger betrügen zu können. Gleichzeitig scheitert er aber bei dem Versuch, der Welt weiszumachen, dass er eine volle Haarpracht besitzt. Ein zwielichtiger und tragischer Held, dessen Dämon zu Hause in Form seiner Ehefrau Rosalyn sitzt. Ambivalent dargestellt wird sie von einer furiosen Jennifer Lawrence, die Irvins Schwächen, Verfehlungen und Unzulänglichkeiten instinktiv und gnadenlos ausnutzt, aber in erster Linie zu jung und dumm ist, um ihr wirklich böse sein zu können. Irvings sexy Geliebte Sydney, Amy Adams im Bauchnabelauschnitts-Modus, befeuert und komplettiert hingegen seine Talente. Sie ist eine US-Kleinstadt-Stripperin, die sich als britischer Landadel ausgibt, und ihre eigene Unsicherheit hinter sexy Kostümen versteckt, die reiche Klienten in Irvings chemischen Reinigung vergessen haben. Daneben agiert Bradley Cooper, als ehrgeiziger F.B.I. Agent Richie DiMaso, der weltmännisch tut, aber noch bei Mama wohnt und sich falsche Locken ins Haar dreht, um italienischer zu wirken. Jeremy Renner als Lokalpolitiker Carmine Polito betrügt in erster Linie sich selbst, indem er sich einredet, seine illegalen Machenschaften dienen lediglich dem Allgemeinwohl. Anhand dieser Figuren und ihrer Geschichte dekliniert David O. Russell nicht nur sämtliche Facetten des Betrugs bzw. Selbstbetrugs, sondern untersucht auch die Fähigkeit der Selbsteinschätzung und Bescheidenheit. So kommt der Film, trotz eines gefühlten Überangebots an dramatischen Entwicklungen und einiger Längen zum Ende zu einem stimmigen und befriedigenden Ende und liefert eine ironische Pointe: Um sich seinen persönlichen „American Dream" zu erfüllen, führt ein unerschrockenes Selbstvertrauen in seine eigenen Fähigkeiten und eine Alles-ist-Möglich-Mentalität zwangsläufig zum eigenen Untergang. Das ist zutiefst europäisch gedacht.


Trotz der extravaganten Ausstattung verkommt „American Hustle" niemals zu einer selbstzweckhaften Nummerevue der Superstars. Regisseur David O. Russell hat ein spürbares Interesse an einer bedeutungsvollen Geschichte und treibt seine spielfreudigen Superstars bis in die Nebenrollen zu ihren nächsten Oscarnominierungen. Macht das „American Hustle" aber auch zum besten Film des Jahres? Das muss jeder selbst beantworten, auf jeden Fall ist er verdammt intelligent und unterhaltsam.


Daran werde ich mich erinnern: Der Running Gag rund ums Eisfischen.

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