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Zusammen mit „Ferris macht blau“ war „Wargames“ der Film, der Matthew Broderick zumindest kurzzeitig zum angesagten Star im Brat-Pack-Umfeld werden ließ, auch wenn seine Karriere in den 1990ern einen Sturzflug hinlegte, wie bei den meisten seiner Kollegen, wenn auch nicht so harsch wie die von beispielsweise Judd Nelson.
Die Auftaktsequenz ist fast schon ein kleiner Film in sich und zwar ein hochspannender Thriller: Steve (Michael Madsen) und Jerry (John Spencer), zwei Air-Force-Angestellte, treten ihren Dienst in der Kommandozentrale eines Raketensilos an, als der Befehl zum Abschuss einer Nuklearrakete gibt. Der eine will abwarten, die Führungsebene erreichen, doch die Kommunikation ist nicht erfolgreich. Es wird heftig debattiert, gar eine Pistole gezogen, doch es kommt schlussendlich können sich nicht beide zu den erforderlichen Schritten durchringen. Dieses kleine Kammerspiel darf man als die vielleicht intensivste und schweißtreibendste Szene des Films bezeichnen, da Michael Madsen und John Spencer hier durchaus überzeugend durchspielen wie es aussehen könnte, wenn zwei Durchschnittsbürger quasi blind über das Schicksal der Welt entscheiden müssten.
Tatsächlich ist das Ganze nicht folgenlos, wenn auch in anderer Hinsicht: Der Abschussbefehl war ein Test für den Ernstfall, das Ergebnis wird kritisiert. Der menschliche Faktor ist dem Militär zu unsicher. Man baut einen Computer, der nun die Entscheidung über Abschuss und Nicht-Abschuss trifft, der Szenarien im wahrsten Sinne des Wortes durchspielt, im Sinne eines Computergames. Tatsächlich deutet „Wargames“ die Zeichen seiner Zeit, die immer noch bestehende Angst vorm nuklearen Holocaust, der – angesichts des ausgehenden Kalten Krieges – vielleicht nur durch einen brisanten Fehler ausgelöst werden könnte, und die aufkommende Heimcomputer- und Computerspielkultur.

Teil dieser Kultur ist auch der junge Hacker David (Matthew Broderick), der sich auf der Suche nach den Prototypen unveröffentlichter Spiele in einen vermeintlichen Firmencomputer hackt, um dort das Spiel „Global Thermonuclear War“. Dummerweise handelt es sich hierbei um den Regierungscomputer, der dies für eine reale Kriegssituation hält…
Dass das als Prämisse an den Haaren herbeigezogen und reichlich konstruiert ist, ist bei einem solchen High-Concept-Films, der Teeniefilm und Technikthriller in sich zu vereinen sucht, durchaus verschmerzbar, schließlich weiß man ja, worauf man sich hier einlässt. Blöd allerdings, dass David eine begrenzt sympathische Figur ist, wie der Vergleich mit „Ferris macht blau“, durchaus anschaulich zeigt: In beiden Filmen ändert das Technik-Kiddie seine Noten, doch während Ferris einem sympathisch genug ist, dass ihm das verzeiht, da wirkt diese Geste bei David vor allem anmaßend. David ist ein ziemliches Großmaul, das hier – im Gegensatz zu Ferris – nicht in einem komödiantischen Kontext agiert und noch dazu vom Film recht bekommt: Am Ende rettet er den Tag und gewinnt die Gunst seiner Klassenkameradin Jennifer (Ally Sheedy), die anfangs noch moralische Bedenken gegen das Notenändern hatte, dann aber doch das Gute darin sah.
Selbst wenn David dann von den Behörden verfolgt wird und ihm dabei erst nach und nach klar wird, was er da eigentlich angerichtet hat, kratzt „Wargames“ wenig an der Schale seines Protagonisten, der einerseits ein ganz normaler Teen sein soll, andrerseits gewitzt wie James Bond agiert, selbst im Gewahrsam des Militärs, und dessen Verfolger sich auch selten geschickt anstellen. Künstlich wird an manchen Stellen Spannung konstruiert, etwa wenn ein Hubschrauber, der David und Jennifer an Bord nehmen will, kurz als vermeintliche Bedrohung aufgebaut wird, nur weil der Pilot zu faul war seine baldigen Passagiere mal vorzuwarnen. Das sind billige Taschenspielertricks, die leider auch sofort als solche auffallen, während das Finale dann ein durchaus sinniges ist, aber nie an die Qualitäten der brillanten Eingangssequenz herankommt.

Nur stellenweise schafft Badham es in diesem Teil seiner sogenannten Techniktrilogie, zu der noch „Das fliegende Auge“ und „Nummer 5 lebt“ zählen, die wahre Brisanz seines Stoffes zu zeigen. Meist dann, wenn David nicht mit von der Partie ist, denn in diesen Passagen zeigt Badham die folgenschweren Konsequenzen des Kriegsspieles, wenn die DEFCON-Stufe verschärft werden, die Blockmächte ihre Raketen hochfahren und die Politiker verzweifeln. Es ist schade, dass dies oft in den Hintergrund gedrängt wird zugunsten des eher banalen, selten wirklich hochspannenden Flucht-Plots um David.
Diesen verkörpert Matthew Broderick dann auch nur bedingt überzeugend. Sicher, als Identifikationsfigur für Teens, die sich nicht an der vorlauten Überlegenheit Davids stören, mag er zwar durchgehen, doch den Charme, den Ferris hatte oder ein sonstiges Profil entwickelt er dabei kaum. Brat-Pack-Kollegin Ally Sheedy darf dazu auch meist nur nett lächeln, während die Erwachsenenriege um Darsteller wie Dabney Coleman, John Wood und Barry Corbin selten zum Zuge kommt.

Es ist schon zu erkennen was John Badham an diesem Stoff gereizt hat und in seinen besten Momenten, gerade der erwähnten Eingangssequenz, ist „Wargames“ eine teilweise beklemmende Abhandlung über die Welt am Abgrund. Allerdings ist dies wiederum gepaart mit einem harmlosen (und teilweise auch verharmlosenden) On-the-Run-Plot, in dem Teenprotagonist David als smartes Schlitzohr seine Späßchen treibt und selten wirklich in der Bredouille scheint – und das ist unterm Strich dann doch enttäuschend inkonsequent und nur begrenzt spannend.

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