Seit seinem „Taken“-Erfolg ist Liam Neeson der Manns für Grobe mit Schauspieltalent, der sich durch verschiedene Actionfilme und Thriller kämpft, dabei für sich seinen Rollentypus entdeckend, den des alternden Profis.
Dabei leistet sich Matt Scudder (Liam Neeson) in der Auftaktszene einen großen Fehler: Der Cop betrinkt sich im Dienst, gerät in einen Raubüberfall in seiner Stammkneipe und macht kurzen Prozess bei der Verfolgung der Täter – was jedoch einen Passanten das Leben kostet. Also geht es hier, wie so oft im harten Männerfilm, auch um Erlösung, die der gefallene Held sucht in dieser Verfilmung des zehnten Scudder-Romans von Lawrence Block. Ein erster Versuch mit „8 Millionen Wege zu sterben“ war 1986 an der Kinokasse gescheitert, nun mimt aber ein zugkräftigerer Actionthrillerstar den Privatdetektiv.
Denn acht Jahre nach dem Vorfall, wir schreiben das Jahr 1999, hat Scudder sowohl den Polizeidienst als auch den Alk drangegeben. Er arbeitet als inoffizieller Privatdetektiv, darf kein Honorar erhalten, sondern bestenfalls „Geschenke“. Von Treffen der Anonymem Alkoholiker kennt er Peter Kristo (Boyd Holbrook), der ihm einen neuen Fall vermittelt: Peters Bruder, der Drogenhändler Kenny (Dan Stevens), sucht nach Gangstern, die seine Frau entführten und trotz Lösegeldzahlung brutal ermordeten, kann aufgrund seiner Geschäfte aber nicht zur Polizei gehen. Auch Scudder ist, seiner finanziellen Lage zum Trotz, dem Deal abgeneigt. Doch die Schwere des Verbrechens überzeugt ihn schließlich, ein Schritt auf dem Weg zur Erlösung. Buße tun dadurch, dass er dem hilft, dem die Polizei nicht helfen will, selbst wenn er es eher der Toten und potentiellen weiteren Opfern zuliebe macht.
Scudder beginnt zu recherchieren, altmodisch, in Bibliotheken und bekommt von dem Straßenkind TJ (Brian ‘Astro‘ Bradley) Schützenhilfe beim Umgang mit dem Internet. Gemeinsam finden sie heraus, dass dies nicht die erste Tat der Entführer war…
Wie schon bei seinem Regiedebüt „The Lookout“ beweist Scott Frank ein Gefühl für Atmosphäre, wodurch ein schönes Feeling der alten Hard-Boiled-Schule aufkommt, auch wenn „A Walk Among the Tombstones“ für die Doofen nochmal Sam Spade und Philip Marlowe explizit erwähnen muss, falls es einer noch nicht mitbekommen hat. Es ist dieses dicke Atmosphäreplus, das zu den Stärken von „A Walk Among the Tombstones“ erzählt, ebenso wie die Figurenzeichnung: Auch Drogendealer, Junkies und Gangsterbosse werden als Menschen mit Familie und Beweggründen beschrieben, die weit über bekannte Stereotypen hinausgehen, vor allem in der Figur des Kenny Kristo schlägt sich diese Vielschichtigkeit nieder, während der Film langsam von der Annäherung Scudders an dieses Milieu erzählt. Ähnlich wie andere Hard-Boiled-Ermittler wird auch er immer mehr Helfer (und Rächer) der Unterprivilegierten, der vom Rechtsstaat Zurückgelassenen, wobei er gleichzeitig vergangenes Unrecht sühnen will – das von ihm, aber auch das von den Tätern begangene.
Bei den Fieslingen handelt es sich um herrlich zwielichtige Gestalten, Figuren, die man als Zuschauer gerne verabscheut, und deren Taten der Film ungeschönt wie hart darstellt. Leider weiß Scott Frank nach einer starken Anfangsphase nicht mehr viel mit ihnen anzufangen, gibt ihnen kaum Background und degradiert sie damit in der Schlussphase zu kaum mehr als Buhmännern, die es plattzumachen gilt.
Denn obwohl es sich bei „A Walk Among the Tombstones“ um einen Thriller handelt, so kann der Film nicht ganz ohne die aus anderen Neeson-Filmen bekannten (und liebgewonnenen) Trademarks auskommen: „Let her go or you'll to be looking behind you for the rest of your worthless life“, intoniert Scudder an einer Stelle, noch dazu am Telefon, und das hat fast die Badass-Qualitäten der berühmten Telefonansprache aus „Taken“. Neben dem Auftakt gibt es im Finale noch zwei angenehm rohe, kleiner skalierte Actionszenen, in denen im Fern- wie Nahkampf alle Mittel benutzt werden und (zum wiederholten Male in dem Film) die Location eines Friedhofs atmosphärisch eingebracht. Dabei sind weder Scudder noch seine Helfer Killer wie Byran Mills aus „Taken“, auch wenn Scudder natürlich Durchschlagkraft beweist, aber als roher Brawler, nicht als effektiver Nahkampfspezialist.
Woran es allerdings ein wenig hapert, das sind dann die leider die erzählerischen Qualitäten als Thriller: Nach einem erfreulich klassischen Beginn mit entsprechender Recherche und offenen Fragen macht das Drehbuch den Fehler quasi zur Halbzeitmarke fast alle Informationen über die Täter auf den Tisch zu legen, was den folgenden Ermittlungen dann enorm an Drive nimmt. Mit einer weiteren Entführung wird dann noch das handelsübliche Wettlauf-gegen-Zeit-Motiv etabliert, was zwar einigermaßen spannend ist, aber die Sorge um das Opfer ist klein, da man es kaum kennengelernt hat, eher seine Schutzlosigkeit als echte Sorge um die Person des Opfers den Zuschauer auf ein gutes Ende hoffen lassen. Das ist zwar auch okay, aber eben nur Genrestandard, größtenteils doch recht konventionell und bekannt, auch wenn die Fieslingsfiguren böser und sadistischer als in vergleichbaren Hard-Boiled-Krimis sind, was in der düsteren, verregneten Atmosphäre reflektiert wird.
Eine sichere Bank dagegen ist Liam Neeson als büßender Ex-Alkoholiker, hinter dessen ruhiger, introvertierter Fassade immer noch das Raubtier lauert, das Neeson in den entsprechenden Szenen eindrucksvoll von der Leine lässt. Er kann den Film fast im Alleingang tragen, auch wenn Boyd Holbrook und Dan Stevens ziemlich famosen Support liefern. Brian ‘Astro‘ Bradley in der anderen größeren Nebenrolle des Films legt auch eine ganz gute Leistung aufs Parkett, wird aber von seinen Kollegen regelmäßig an die Wand gespielt.
So muss man mit den Schwächen des von Scott Frank verfassten Drehbuchs leben, das seine Geheimnisse zu früh preisgibt und in der zweiten Hälfte recht konventionell Standards bedient. Dafür trumpft ein mal wieder famoser Liam Neeson in der Hauptrolle auf, die düstere Atmosphäre ist ein großer Pluspunkt für den Film, ebenso das Old-School-Feeling dieses raubeinigen Thrillers. 6,5 Punkte gebe ich dafür.