Review

Eine Frau, am Rande eines Nervenzusammenbruchs

Hitchcock hätte es kaum besser machen können - ein Satz, der bei guten Thrillern aus den späten 50ern und frühen 60ern inflationär oft benutzt wird. Doch auf „Mitternachtsspitzen“ passt das wie ein Dollarbündel in Marion Cranes Tasche. „Mitternachtsspitzen“ ist ein sehr feiner Psychothriller - stilvoll, klassisch, mit Doris Day als Kirsche auf einer delikaten Spannungstorte. Wir folgen einer frisch verheirateten Londonerin, die das erste Mal im dichten, typischen Nebel der englischen Hauptstadt eine seltsame Stimme hört, die droht, sie zu ermorden. Doch nicht nachdem sie die gute Frau mit perversen Anrufen und Stalkingattacken nahezu in den Wahnsinn getrieben hat... Wird die hübsche Blondine wirklich verfolgt oder stellt sich die von ihrem Mann vernachlässigte Hausfrau das Ganze nur vor? Buhlt sie verzweifelt um Aufmerksamkeit oder ist sie gar verrückt?

„Mitternachtsspitzen“ ist viel, viel mehr als ein Hitchcock-Wannabe. Doris Day spielt hervorragend, immer zwischen nervig, hilfsbedürftig, süß und hysterisch schwankend. Aus heutiger Sicht regt man sich über eine derart hilflose und leicht zu verunsichernde Frau zwar mehr denn je auf, doch das nimmt zum Glück nie Überhand. Man kauft ihr alle Facetten der Angst ab und ist gleichzeitig sehr gespannt, wohin die Wahrheit läuft. Und der finale Twist ist noch immer ein Volltreffer. Rund und fesselnd. Von der Mode über die strahlenden Technicolor-Farben bis hin zu einigen interessanten, diskutablen Einsichten in eine Ehe bzw. das allgemeine Verhältnis zwischen Mann und Frau - Thriller aus dieser Epoche sind noch immer einsame Spitze und haben nichts von ihrer Faszination und vor allem Klasse verloren. „Midnight Lace“ ist neben „Charade“ dafür ein Paradebeispiel. Und Doris Day, ich kann mich nur wiederholen, kann man nicht genug loben. Ihre zwiespältige, mutige und jammernde Performance prägt den Film. Subversive Emanzipation. Zumindest wenn „The End“ über dem Bild liegt.

Fazit: einer der frühesten und besten Thriller über Stalking und Angst, Paranoia und Vorurteile, Perversionen und Eheprobleme. Doris Day ist ein Darling und egal wie sehr sie nervt und Panik schiebt - man(n) will sie beschützen und in den Arm nehmen!

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