„Ich hab’ ’ne eigene Theorie entwickelt: Man baut Scheiße – ok, es ist geschehen – und dann stirbt man... Hast du noch’n Bier für mich?“
Das Drama „Das Messer am Ufer“ von US-Regisseur Tim Hunter zeichnet ein Bild einer emotional verkümmerten Kleinstadtjugend, die dem Mord an einer ihrer Freundinnen – begangen aus den eigenen Reihen! – mit erschreckender Gleichgültigkeit gegenübersteht, und zwar sowohl seitens des Täters als auch der gemeinsamen Freunde. Einer Gleichgültigkeit, die sich bis zu diesem Zeitpunkt durch ihr ganzes Leben zu ziehen scheint, das in angespannten familiären Verhältnissen und einem tristen, freudlosen Umfeld lediglich mit Alkohol, Drogen und Thrash Metal erträglich wird. Die Polizei zu rufen, ist lange Zeit keine Option, der von Layne vehement eingeforderte Zusammenhalt aber auch nicht so wirklich, so dass man der Situation recht ratlos gegenübersteht. Schließlich kommt man auf die Idee, den Täter „Samson“ bei einem durchgeknallten, sich ebenfalls wegen Mordes vor der Polizei versteckenden, einbeinigen Ex-Biker und Drogendealer unterzubringen… Dieser nennt sich Feck und wird von niemand Geringerem als Dennis Hopper verkörpert. Feck öffnet grundsätzlich nur mit Pistole im Anschlag die Tür und führt eine tiefgehende Beziehung zu einer Gummipuppe. Hopper mimt diesen schrägen Charakter grandios. Allein schon für diese Performance lohnt sich das Anschauen dieses Films, der für seine Entstehungszeit Mitte der 1980er recht ungewöhnlicher Natur ist. Eine Jugend, die sich mit ihrer Situation anscheinend abgefunden und irgendwie arrangiert hat, ohne die große Rebellion zu verspüren oder sich selbst zu reflektieren und in ihrem eigenen Moloch vor sich hinvegetiert. Dabei bedient sich der Film eher leiserer Töne, übertriebenes „White Trash“-Gepöbel bleibt ebenso aus wie andere Klischees, so dass man sich als Zuschauer den geistigen und moralischen Zustand der Clique erst nach und nach vergegenwärtigt. Das führt zu einem gewissen Realismus, der sich durch die Hintertür einschleicht und behutsam, aber konsequent seine unheilvolle Wirkung entfacht. Dazu bei trägt die besondere Atmosphäre des Films, die sich malerischer, jahreszeitbedingt sonniger Bilder bedient, die eine trügerische Idylle schaffen. Gleichzeitig erkennt man dadurch all die ungenutzten Möglichkeit der Jugendlichen, die Unfähigkeit, aus ihrer Situation das Beste zu machen und zu versuchen, z.B. einen netten Sommer miteinander zu verbringen. Unterbrochen und abgeschwächt wird dieser Effekt leider regelmäßig durch Crispin Glover, dessen Rolle als Layne zu meinem Unverständnis komödiantisch ausgelegt wurde und der sich daher in Overacting ergibt. Ansonsten ist aber, was die glaubwürdigen Rollen und ihre sie ausfüllenden Schauspieler mit u.a. dem junge Keanu Reeves, Ione Skye und Daniel Roebuck betrifft, alles im grünen Bereich. Besonders Roebuck als gefühlskalter Mörder gefällt mir in der Entwicklung, die er im Laufe der Handlung vom schweigsamen, bemitleidenswerten Fettklops zur wahnsinnigen Nervensäge, die man spätestens dann am liebsten verprügeln würde, offenbart. Die Dialoge zwischen ihm und Feck, am Flussufer sitzend, sind überaus gelungen; diese Momente zählen sicherlich zu den stärksten des Films. Etwas Hoffnung, den emotionalen Zustand zumindest zweier Protagonisten betreffend, flammt im Rahmen einer kleinen, eingeschobenen Romanze auf, durch die sich Matt und seine Freundin weiterzuentwickeln scheinen. Schöne Gossenromantik, die womöglich Erinnerungen an die eigene nicht ganz geradlinige Jugend aufkommen lässt. Was die Handlung betrifft, die durchaus die eine oder andere Überraschung parat hat und allein schon durch ihre Absurdität den ungläubigen Zuschauer fesselt, möchte ich nicht mehr verraten. Letztlich scheint es sich um einen Film zu handeln, der bestimmt intensiver gestaltet hätte werden können und dessen humoristische Einlagen mir etwas zuviel des Guten sind, der aber trotzdem auf relativ subtile Weise eine gewisse Nachhaltigkeit beim Zuschauer erzielt.
Ich möchte nur hoffen, dass die durch T-Shirts und Musik aus dem Autoradio (Slayer) ausgedrückten musikalischen Vorlieben der Jungs nicht als Symptom für die „Verkommenheit“ der Jugend herhalten sollten...