Regisseur Larry Fassenden sagt es auf der DVD selbst: "Nicht jeder Film muss ein Ereignis sein". Wohl wahr. Manchmal tut eine Pause von effektstarrenden High-Tech-Schockern gut, eine klein und fein erzählte Geschichte ist dann eine richtige Wohltat. Generell also schon mal Daumen hoch für Fassendens Ansatz, eine mehr psychologisch ausgerichtete Monstergeschichte ohne viel Monster zu erzählen.
WENDIGO sieht man das knappe Budget sichtlich an, wenngleich der Film sicherlich auch mit mehr Finanzpower keinen Hollywood-Look erhalten hätte, schreit doch jeder Shot förmlich: "Haha, sieh´her, ich bin Arthouse, ich bin anders, willste Effekte, guckste HOUSE OF WAX, klar?"
Im Vordergrund steht das Drama um die Familie und die Gewalt, die in die heile Welt des Sohns einbricht und ihn damit schmerzhaft in die Erwachsenenwelt schubst. Coming of age in einem Monsterfilm, warum nicht.
Doch leider ist festzuhalten, dass hier einfach nicht konsequent genug an die Sache herangegangen wurde. Ich persönlich hätte keinen Schmerz damit gehabt, wenn der Wendigo nie persönlich in Erscheinung getreten wäre. Dann wäre man als Zuschauer nur sich selbst und der eigenen Fantasie überlassen gewesen, und hätte sich sonstwas ausmalen können, wenn es mal wieder im Gebüsch raschelte. Aber nein, Fassenden lässt da etwas durchs Gehölz wuseln, das mich auf ziemlich kontraproduktive Art an die Jägermeister-Böcke erinnerte, und Sense war es mit der Spannung. Meine Güte, in einem psychologischen Horrorfilm plötzlich mit so einem ollen Gummiviech daherzukommen, das muss doch nicht sein.
Davon abgesehen hat der Film auch stellenweise einfach zuviel Leerlauf, um sein Publikum wirklich für seine Geschichte vereinnahmen zu können. Wenn man sich auf den Inhalt statt auf die Form konzentriert, sollte dieser wenigstens hochklassig sein. Ein paar geschliffene Dialoge mehr und ein wenig Starren ins Leere weniger hätten der Sache schon geholfen. So aber kann man nur erahnen, um welche Themen es sich hier dreht. Ein bisschen familiäre Entfremdung hier, ein wenig Stadt/Land-Culture-Clash dort. Das hatten wir schon einmal, auch in einem Low-Budget-Film, und besser: BLUTGERICHT IN TEXAS, und das ist schon ein Weilchen her. Hätte also ordentlicher werden können.
Na, es gibt auch positive Seiten, als da wären: Schöne Kameraarbeit, teilweise sehr gute schauspielerische Leistungen, bedrückende Atmosphäre inklusive passender Musik und mit dem Wendigo eine unverbrauchte Schauergestalt (die nur, wie erwähnt, in anderer Form daherkommen müsste). Daraus hätte man wirklich einen fiesen kleinen Schocker mit Tiefe bauen können, hätte man nur an der Spannungsschraube gezogen. Aber ich wiederhole mich. Bliebe noch zu erwähnen, dass Erik Per Sullivan vielleicht nicht die glücklichste Wahl für die Hauptrolle war, denn sein typisches In-die-Gegend-gucken, welches in lustigen Geschichten wie "Malcolm" hundertprozentig passt, macht es dem Zuschauer hier noch schwerer, Sympathien für die ganze Sache aufzubringen. Ein klein wenig mehr Emotion, nur ein klein wenig, bitte...
Aber wie gesagt, ich finde es immer wieder begrüssenswert, wenn ein Film bewusst einen etwas kleineren Rahmen wählt. Nur den Rahmen zu füllen, das muss dann natürlich auch gelingen.
Wem ist dieser Film nun also zu empfehlen? Wer atemlose Spannung erwartet oder einen zünftigen Monsterfilm sehen will, der macht lieber einen ganz dicken Bogen um WENDIGO. Wer hingegen stille Fime schätzt, die mit assoziativen Mitteln arbeiten und sich eigentlich erst im Kopf des Betrachters ausformen, der darf gerne einen Blick riskieren. Aber nicht wundern, wenn ihr Bock auf Jägermeister bekommt. Und mit diesem billigen Wortspiel verabschiede ich mich und gucke noch einmal BLAIR WITCH. Der hat zwar auch seine Schwächen, aber wenigstens ist das Böse da nicht zu sehen...