Stark angefangen, stark nachgelassen...
Bei diesem Film kann man zum Eindruck kommen, den Verantwortlichen sei entweder nach kurzer Drehzeit schon das Budget ausgegangen, weshalb man nach furiosem Beginn auf visuellen und inhaltlichen Leerlauf umstellen mußte. Oder aber, nach Fertigstellung des Films habe sich ein externer Fachmann noch mal mit dem ersten Drittel des Machwerks beschäftigt, diesem ein spannendes Gesicht gegeben, und danach das Interesse verloren. Habe selten einen Film gesehen, der derart stark auseinanderfällt: zunächst voller Tempo, beklemmender Perspektiven, origineller Bilder, rauschhafter Sounds. Und dann immer konventioneller (v.a. in der Erzählweise) und auch mißlungener: mehr und mehr voller Klischees, Ungereimtheiten in der Handlung, zum Einschlafen reizender Montage.
Wir werden mal wieder direkt in das Geschehen hineingestoßen. Ohne zu wissen, um wen und um was es eigentlich geht, sehen wir Blut, viel Blut, eine blutige Leiche, jemanden, der mit blutigen Fingern an einem PC-Keyboard sitzt und chattet.
Schnitt. Im Polizeirevier von Bologna versuchen eine Beamtin aus Rom und ihr Vorgesetzter, den lokalen Behörden ihr neues Computer-Ermittlungssystem schmackhaft zu machen. Indem sie die Daten jüngerer ungelärter Morde im Distrikt eingegeben und Parallelen entdeckt haben, die sie den unwilligen Kollegen jetzt aufzeigen: alle Opfer waren Studenten, alle wurden nackt und (vor allem im Gesichtsbereich) verstümmelt aufgefunden, alle wurden von sämtlichen Dokumenten beraubt, die etwas über ihre Person verraten hätten (Personalausweis usw.).
In der Folge begleiten wir die Ermittler bei ihren Bemühungen, aus den vielen versteckten Hinweisen, die sie finden, Aufschlüsse über die Identität und die Beweggründe des Killers zu erhalten. Und erleben, dazwischen geschnitten, die Taten des Killers, und sehen die Welt auch ein paar mal kurz aus seiner Sicht (was von der Inszenierung her das spannendste ist).
Das ganze ist, wie gesagt, anfangs sehr spannend in Szene gesetzt. Verwandelt sich aber nach kurzer Zeit in einen derart unspekatulären, unausgereiften, unbedeutenden Streifen, daß ich nicht mal mehr Lust habe, hier ausführlich zu beschreiben, was denn alles verhindert, daß dieser Film einen fesselt. Jedenfalls ist der Film vollgepackt mit schwachbrüstigen, pseudo-psychologischen Erklärungen für das Handeln des Killers, absolut unglaubwürdigen Verhaltensweisen sämtlicher Figuren, Klischees bzgl. Handeln und Persönlichkeit der Figuren sowie diversen Unklarheiten im Handlungsverlauf. Und Fehlern im Bereich "Logik".
Was den Film vor dem völligen Verriß rettet, ist der gutgemachte, experimentierfreudige und spannende Anfang, sind ein paar blutige Szenen, sind wenige gute Ideen im visuellen Bereich (fast ausnahmslos im ersten Filmdrittel angesiedelt), ist ein ganz brauchbarer Soundtrack. Insgesamt aber kann ALMOST BLUE nicht fesseln, führt mehrfach zu kräftigem an-die-Stirn-Schlagen beim Betrachter, wird mit immer längerer Laufzeit immer ärgerlicher. Gerade, weil er so gut anfing.
Gesamturteil: Chance vertan, im Unerheblichen gelandet.