Sophie Nelisse spielt die kleine Liesel, die kurz vor Beginn des zweiten Weltkriegs bei einer Pflegefamilie unterkommt, weil ihre Mutter, eine gesuchte Kommunistin, auf der Flucht ist. Während ihre Pflegemutter, gespielt von Emily Watson, sie anfangs etwas schroff behandelt, ist es vor allem der neue Vater, gespielt von Geoffrey Rush, der das Vertrauen des Kindes gewinnt. Von ihm lernt sie das Lesen und Schreiben, woraufhin sie ihre Liebe für die Literatur entdeckt. In der Zeit, die sie nicht mit dem Lesen von Büchern im Keller des Hauses verbringt, trifft sie sich mit dem Nachbarsjungen, ihrem besten Freund. Doch selbst diesem darf Liesel auf keinen Fall erzählen, dass die Familie seit Neuestem einen Juden in ihrem Keller versteckt.
Basierend auf der Vorlage des Deutsch-Australiers Markus Zusak wurde „Die Bücherdiebin“ als deutsch-amerikanische Koproduktion verfilmt. Wenngleich die Thematik des Films kaum „deutscher“ sein könnte, der Film in Deutschland spielt und in den Studios Babelsberg gedreht wurde, übernahmen aber offensichtlich im Wesentlichen die Amerikaner bei der Produktion das Ruder. So wurde der Film in englischer Sprache und überwiegend mit Hollywood-Stars gedreht, während etwa der Auftritt von Heike Makatsch auf nicht einmal zehn Minuten beschränkt ist. Authentizität büßt der Film dabei vor allem deshalb ein, weil auch die Bücher in englischer Sprache verfasst sind und darüber hinaus englisch geschrieben wird. Dieses Zugeständnis an die amerikanischen Zuschauer hätte nun wirklich nicht sein müssen. Ärgerlicher sind da nur noch die Anflüge von Hollywood-Kitsch.
„Die Bücherdiebin“ ist vor allem nett bebildert, was aber nicht unbedingt als Kompliment an Florian Ballhaus, den Sohn von Michael Ballhaus, oder Regisseur Brian Percival zu verstehen ist. Der Film sieht zwar gut aus und die warmen, schönen Bilder machen durchaus etwas her, insgesamt wirken sie aber nicht wirklich authentisch. Man sieht kaum Dreck in den Straßen der Stadt, obwohl sie regelmäßig bombardiert wird, obwohl der Krieg in vollem Gange ist, man bekommt wenig vom Elend der Menschen, von Hunger und Krankheit zu sehen und das wird der Zeit, in der „Die Bücherdiebin“ spielt, leider nicht gerecht. Auch die sehr emotionale, mitunter auch mal kitschige Musik von John Williams, die stellenweise durchaus emotional mitreißt, wird immer wieder etwas zu aufdringlich eingesetzt. Insgesamt wird das Grauen des Zweiten Weltkriegs so derart gedämpft vermittelt, dass es stellenweise sauer aufstößt. Bei einer fiktiven Geschichte, auf der „Die Bücherdiebin“ basiert, muss zwar keine vollständige historische Authentizität an den Tag gelegt werden, aber das Geschichtsbild, wie es hier vermittelt wird, ist zumindest fraglich.
„Die Bücherdiebin“ ist ansonsten ein unterhaltsames, aber auch sehr konventionelles Drama. Die Figuren gewinnen durchaus an Profil und sind vor allem sehr sympathisch gestrickt. Das gilt besonders für den von einem gewohnt starken Geoffrey Rush verkörperten Pflegevater, aber auch für die Pflegemutter, die ihren sprichwörtlichen weichen Kern lange hinter einer harten Schale versteckt. Sie wird von einer ebenso überzeugenden Emily Watson verkörpert, die vor allem im Zusammenspiel mit Rush für einige amüsante, aber durchaus auch sehr emotionale Momente sorgt. Die Hauptrolle wird von der damals dreizehnjährigen Sophie Nelisse verkörpert, die solide spielt und vor allem sehr nett aussieht. Sie passt damit gut zu ihrer sympathischen Figur, die leider überhaupt keine Ecken und Kanten aufweist, was auch für den Nachbarsjungen gilt, der ebenfalls kein Wässerchen zu trüben vermag. Auch in Bezug auf die Hauptfiguren scheint „Die Bücherdiebin“ sehr rundgeschliffen zu sein. Die wenigen überzeugten Nazis, die im Film auftauchen, nehmen nur wenig Raum ein.
Die Geschichte, die durchaus die eine oder andere unverhoffte Wendung nimmt und trotz der kleineren Anflüge von Hollywood-Kitsch durchaus mitzureißen vermag, wird zügig erzählt und handwerklich gelungen auf die Leinwand gebracht, weswegen „Die Bücherdiebin“ letztendlich als ordentliches Unterhaltungsdrama bezeichnet werden kann. Gerade die Schicksalsschläge am Ende des Films verfehlen ihre Wirkung nicht und hinterlassen einen nachhaltigen Eindruck. Sehr befremdlich ist dagegen der erzählerische Kniff, dass der Tod aus dem Off einige Anekdoten zum Geschehen äußert, die den Film letztendlich noch kitschiger erscheinen lassen.
Fazit:
„Die Bücherdiebin“ ist ein konventionelles Unterhaltungsdrama und als solches durchaus ordentlich. Besonders kritisch ist aber die verkitschte Darstellung der Nazi-Zeit anzumerken, die zwischen den schönen Bildern und den netten Gesichtern auf der Leinwand allzu stark verklärt wird. Darstellerisch und handwerklich mag es sich für die deutschen Filmemacher durchaus ausgezahlt haben, mit den amerikanischen Kollegen zusammen zu arbeiten, den Hollywood-Kitsch hätte man den Zuschauern aber ruhig ersparen können. Dann wäre mehr als Mittelmaß drin gewesen.
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