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Wie bei den bisherigen Horror-Anthologien nach Lilian Lee in Tales from the Dark 1 schon offenkundig und geübt, befindet sich auch "Pillow", die hiesige Eröffnungsepisode von Gordon Chan in einem Dazwischen Wach und Schlaf, Realität und Phantastik und so der Vorstellung und dem wahren Sein. Noch deutlicher als sonst wird hier dabei die Ausflucht und die Auslösung gesucht, und noch deutlicher als sonst, da tatsächlich in einem vermeintlichen Hier und Heute und Jetzt angesiedelt, wird der Weg aus der Normalität hinaus in den Wunsch hinein gezeichnet. Ein Paar, Chow Ching-Yi [ Fala Chen ] & Yun Ho-hong [ Gordon Lam ], Sie Anfang 30, Er Mitte 40, geht nach einem Streit aus Eifersucht ihrerseits getrennte Wege, wobei sie tagelang eine Nachricht von ihm zu erreichen versucht und doch keine bekommt, und die Umwelt relativ rat-, wenn auch nicht tatenlos daneben steht.

Letztlich geht auch diese Betrachtung ihren weitgehend absehbaren, von der reinen Narration, den Wendungen und den Sprüngen in die Zeit hin und die unterschiedlichen Ebenen hinaus ihren genreaffinen Gang, wird das Porträt einer nun allein seienden und sich damit ihre Art und weise beschäftigenden Frau in aseptisch reiner Umgebung und einer alles andere als Leben und Behaglichkeit versprühenden Wohnung gezeigt. Auch der Arbeitsplatz von Ching-yi am Schreibtisch und Empfang ihres Vorgesetzten Dr. Kwan stellt keine Gemütlichkeit, sondern getreu der Aufgabe und Erscheinung die klinische Präsenz dar, die in den eigenen vier Wänden gleich mit übernommen wird. Die Wärme im Geschehen in der ansonsten vorherrschenden Kühle bis Kälte kommt beim Vergnügen, beim kurzen und sinnlosen Abstecher in eine nächtliche Bar und den Träumen der sich nach ihrem Freund verzehrenden und verzerrenden Frau selbst. Erstaunlich offenherzig, wenn auch in der Auflösung als erstaunlich lächerlich gegeben und visuell noch auf Sittlichkeit bedacht, stellen die sich zu eigenen Handlungen verdichtenden Gedanken im Schlaf als diverse sexuelle Leidenschaften und Erlebnisse mit dem Verlassenden dar, unterschiedliche körperliche Aktivitäten, mal grob, mal sanft, immer um des Begehrens willen und voller Sucht und Lust.

Entgegengesetzt zur Peripherie, die sich eben als gänzlich steril, wie einem Ausstellungsstück aus dem Möbelhaus und so bessere Fassade erweist, wird in den Illusionen tatsächlich geatmet und verlangt und existiert; ein Fazit der Erzählung, die vom Standort her auch gar nicht richtig in die Phantastik und schon gar nicht in den Bereich des Horrors, sondern eher dem das absurden Dramas und dann auch mit einer gewissen Trivialität, Banalität, auch Frivolität des Wahren gehört. Nicht nur im direkt anschließenden Vergleich dazu stellt der Mittelteil dieser Anthologie, die schon im Titel "Hide and Seek" das entscheidende Plotelement vorgibt, geradezu den Quantensprung nach vorn, auch die ersten funktionierenden Schockelemente und die Erzeugung einer unheimlichen, teils fatalistischen Stimmung dar. Gedreht von Regisseur Lawrence Lau, der seit seinem Debüt Gangs (1988) zu den angesehenen, aber trotz einiger Publikumserfolge auch eher den unscheinbaren Filmemachern mit Drang zur Unabhängigkeit fern von Kommerz und Kasse gehört, werden gleich mehrere Einzelteile seines Schaffens in dieser Episode weiter verwertet. So wird auch hier zugunsten von Laienschauspielern auf die darstellerische Prominenz verzichtet, mit bevorzugt jungen Menschen einer Clique und fern von Glanz und Gloria in einer längst verlassenen, dem Abriss freigegeben Ruine einer ehemaligen Schule dieser Gruppe und so im Zusammenhalt aus der Vergangenheit und der Freundschaft dort begründet gedreht. Eine Geburtstagsfeier, die Anlass zur Erinnerung an frühere Zeiten und gemeinsame Erlebnisse auf dem Gelände und in der einstigen Bildungsanstalt selber bringen soll, aber etwas ganz Anderes und Finales als gedacht und verdient hervorrufen tut.

Wie alle drei Regisseure dieser Tales from the Dark 2 ist Lau auch genrefremd mit der Materie, versteht diese aber instinktiv noch mit am Besten und garniert sein Versteckspiel mit einer verloren scheinenden Kamera, anfänglich ebensolch verwirrenden Schnitt, und den Effekten und Affekten ohne großes Brimborium und trotzdem mit stetigen Erfolg. Der Zusammenhalt der Freunde und das Verlorensein in der Gesellschaft schon zu jungen Jahren drückt sich ebenso in den dreißig Minuten aus und durch, obwohl die Aufmerksamkeit scheinbar auf ganz andere Dinge gelenkt wird.

Den kurzen, effektiven Abschluss und die verspätete Ehrung des gesamten Projektes gleich mit erweist sich in der aussteigenden "Black Umbrella“ - Episode, geschrieben von Lilian Lee direkt und gedreht und gespielt in der Hauptrolle durch Urgestein Teddy Robin Kwan, der als Uncle Lau als Protagonist durch die Szenerie des abermals nächtlichen HK und dessen düstere Straßenschluchten führt. Parallel dazu wird die Geschichte um ein verhängnisvolles Aufeinandertreffen zu der Zeit des Yu Lan, des (Hungry) Ghost Festival aus der Sicht und per voice over der in der Stadt fremden, nur wegen des Geldes anwesenden und von einer Familie träumenden Prostituierten Jenny [ Aliza Mo ] erzählt, die nach schlechten Erfahrungen gerade von den Männern in ihrer Umgebung nicht sonderlich viel, und sich deswegen zum Schutz auch den Schlägertypen Keung [ Yee Tin-hung ] hält. Auf ein spätes Aufeinandertreffen der beiden Verlorenen und dem Ausbruch einer Drastik hin konzipiert, erzählt die Simplizität der Handlung in den knapp 20 Minuten durch seine Besetzung und die im Grunde lange banal scheinenden Bilder des Durchwanderns der Nacht mehr als ein Großteil der gesamten vorherigen Folgen zusammen, wird gerade durch die Doppelrolle der Inszenierung und der Anwesenheit von Teddy Robin Kwan (sowie manch Nebenakteuren wie noch Cheung Kwok-keung und Vincent Wan) ein Gefühl der unwiederbringlichen Vergänglichkeit und auch Hinfälligkeit der Gegenwart aufgezeigt. Nicht nur, dass der Führenden Uncle Lau wie auch sein Darsteller zu ehrenhaft, aber auch zu kleinwüchsig, zu alt, zu gebunden an eine bessere Vergangenheit und so wie als Fremdkörper im Diesseits (ist und) erscheint, selbst das groteske Blutbad am Ende ist keine Anbiederung an heutige Sehgewohnheiten, sondern wirkt wie ein Rückblick zum drei Jahrzehnte alten Horrorausflug von Seeding of a Ghost (1983), Devil Fetus (1983) und Co.

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