„Der Junge schießt wie der Teufel und sagt lateinische Sprüche dazu!“
Mit „Mögen sie in Frieden ruhen“ schuf Regisseur Carlo Lizzani („Der Bucklige von Rom“) 1968 in italienisch-deutscher Koproduktion einen brisanten, polit-kritischen Italo-Western, der sich mit dem Vormachtstreben US-amerikanischer Siedler im mexikanischen Grenzgebiet auseinandersetzt und sich dafür diverser Genre-Charakteristika bedient.
„Du armer Irrer!“
Ein fingierter Friedensvertrag zwischen dem weißen Mogul Ferguson (Mark Damon, „Die Verfluchten“) und den Mexikanern wiegt die Bevölkerung San Antonios kurzzeitig in Sicherheit, bis Ferguson ein wahres Massaker an den Mexikanern verübt. Einziger Überlebender: Ein kleiner Junge, Sohn des mexikanischen Anführers Roberto. Der Streifschuss, den er am Kopf abbekam, lässt ihn seine Erinnerung an die Vorfälle verlieren und orientierungslos umherirren. Ein Pfarrer und dessen Haushälterin auf der Durchreise nehmen sich seiner an und ziehen ihn nach den strengen Gesetzen der Bibel groß. Als Princy (Barbara Frey, „Was macht Papa denn in Italien?“), Tochter der Haushälterin, eines Tages durchbrennt, macht sich der mittlerweile erwachsene Zögling (Lou Castel, „Töte Amigo“) auf, nach ihr zu suchen. Durch einen Zufall gerät er nach einem Überfall an einen Colt und stellt fest, dass er anscheinend über die gottgegebene Gabe großer und zielgenauer Schießkunst verfügt. So macht er einem nach dem anderen Ganoven den Garaus, nicht ohne ihnen stets ein paar Worte aus seiner stets mit sich geführten Bibel mit auf den Weg ins Jenseits zu geben – was ihm bald den Spitznamen „Requiescant“ einbringt. Wie von einer überirdischen Macht geführt, landet er schließlich in San Antonio, wo die mexikanische Bevölkerung noch immer unter der Knute Fergusons mehr schlecht als recht lebt. Auch Princy hat es dorthin verschlagen – in ein von Fergusons Untergebenem Dean Light (Feruccio Viotti, „Der Tod ritt dienstags“) betriebenes Bordell. Ferguson und seine Männer haben natürlich etwas dagegen, dass Requiescant Princy einfach so mitnimmt. Doch als ein ehemaliger Verbündeter seines Vaters ihn an den Ort des Massakers führt, kommen schlagartig seine Erinnerungen zurück und er wird sich seiner eigentlichen Berufung bewusst…
„Halt die Schnauze, du dumme Sau!“
„Mögen sie in Frieden ruhen“ befasst sich nicht nur kritisch, sondern geradezu anklagend mit Sklaverei, Ausbeutung und Rassismus, womit sich die mexikanische Bevölkerung seitens der weißen US-Amerikaner konfrontiert sah. Seinen Helden wider Willen lässt er mit entwaffnender Naivität durch die geplagten Lande ziehen, etabliert damit eine genreuntypische Hauptrolle und arbeitet viel mit religiösen Bezügen. Nicht nur, dass der Mann beständig aus seiner Bibel zitiert, sie hält auch eine Kugel auf und rettet ihm dadurch das Leben. Lizzani stilisiert ihn zu einer Art auserwähltem Racheengel, der seinem Instinkt und reinen Geiste folgend zum Sühner Fergusons avanciert. Im Bereich der Mystik anzusiedeln ist ferner das Erscheinungsbild Fergusons, der wie ein dem Gothic-Horror entsprungener Vampir mit Leichenblässe und langem Umhang in Szene gesetzt wird. Die vampiristische Metapher dient der Veranschaulichung des über Leichen gehenden, die Menschen „aussaugenden“ Charakters Fergusons, der mit Burt (Franco Citti, „Quintero - Das As der Unterwelt“) einen noch skurrileren Gefolgsmann hinter sich hat, der stets eine Mädchenpuppe mit sich führt. All dies geht zu Ungunsten des Realismus, der dennoch vor dem Hintergrund US-amerikanischer imperialistischer Aggressionen während der Entstehungszeit des Films allgegenwärtig scheint und die Bezugnahme unschwer zu erkennen ist. Auch die tiefsitzende Frauenverachtung der weißen Oberschicht wird thematisiert, wenn Princy viel über sich ergehen lassen muss und schließlich ein desillusionierendes Ende nimmt.
„Die Rächer sind bereit!“
Rotgefärbt sind die Erinnerungen an das Massaker, die sich vor Requiescants geistigem Auge abspulen, als er das Schlachtfeld voller Skelette betrifft (in diesem Zusammenhang ein Kompliment an die Bühnenbildner für dieses schaurige Ambiente). Schließlich muss auch er Folter über sich ergehen lassen, die ihn jedoch nicht brechen kann. Einer der dramaturgischen Höhepunkte wird das in einem Saloon stattfindende Duell, bei dem sich beide Kontrahenten bereits im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Kopf in der Schlinge befinden. Timing, Spannung, Kameraarbeit und akustische Untermalung sind schlicht perfekt und stehen den großangelegten Duellen der Leone-Western in nichts nach. Mit dem von Pier Paolo Pasolini, der für gewöhnlich hinter statt vor der Kamera zu finden war, gespielten Priesters und Guerillakämpfer Don Juan wird ein weiterer interessanter und symbolträchtiger Charakter eingeführt, der nachdenkliche Worte zum Töten findet, jedoch an der Seite Requiescants steht. Das actionreiche Finale mit seinen Schießereien und Granatenexplosionen mündet in einem letzten großen Auftritt Fergusons, der seine ganze Attitüde noch einmal schön zusammenfasst. Die deutsche Kinofassung allerdings wurde um ihre US- bzw. allgemein politkritische Aussage zensiert, zahlreiche Dialoge fielen der Schere zum Opfer. Wer sich ein eigenes Bild dieses Prachtexemplar eines ungewöhnlichen, weil die bekannte Rachethematik auf eine ganz andere Ebene hebenden Italo-Westerns machen möchte, sollte unbedingt zu einer Komplettfassung greifen. Auch Western-Muffel könnten durchaus Gefallen am mit religiösen Motiven und okkulter Symbolik arbeitenden Film finden, der auch schauspielerisch aufgrund seines namhaften Darsteller-Ensembles zu überzeugen weiß. Riz Ortolanis Musik rundet den technisch wie ästhetisch aus der Masse der Genreproduktionen herausstechenden Gesamteindruck stimmig ab.