Dass der eigentlich als Freudenspender gedachte Clown zur Schreckensgestalt werden kann, erforschte das Horrorgenre schon in so unterschiedlichen Ausprägungen wie dem Home-Invasion-Thriller „Clownhouse“, der Coming-of-Age-Stephen-King-Verfilmung „Es“ und dem komödiantisch-absurden „Killer Klowns from Outer Space“.
In „Clown“ geht es allerdings um graue Normalität, in die das hier wenig bunte Clown-Grauen einbricht. Immobilienmakler und Familienvater Kent McCoy (Andy Powers) ist ein Durchschnittsbürger, ein Normalo, der zum zehnten Geburtstag seines Sohnes Jack () den standardgemäßen Partyclown ordert und tagsüber noch Häuser anbietet. Das alles wird in eher triste, gedämpfte Farben gepackt, welche die Durchschnittlichkeit des Protagonisten herausheben, der in einem seiner Verkaufsobjekte ein Clownskostüm findet und als Notlösung anzieht, als der beorderte Partyclown nicht aufkreuzt. Also etwas tut, was jeder andere in der Situation auch getan hätte, was somit jedem passieren kann.
Wie im Horrorgenre so oft ist dies ein Weg das Grauen an den Zuschauer zu bringen. Es könnte dir auch passieren. Was in diesem Fall bedeutet, dass sich das Kostüm nicht ausziehen, die Schminke nicht abwaschen, die Perücke und die Nase nicht abnehmen lassen. Das klingt anfangs noch lustig, doch schon die Szenen, in denen Kent in diesem Aufzug zur Arbeit oder zum Arzt gehen muss, rufen zwar Scherze und Spott bei anderen hervor, aber werden vom Film als unangenehm dargestellt. Ganz dem Paradigma zufolge, dass der Clown eigentlich nur im Zirkus lustig, außerhalb davon deplatziert, lächerlich oder beängstigend, auch wenn Kent als Clown vorerst das Opfer und nicht der Täter ist.
Doch schon bald entwickelt Kent – ähnlich wie die Opfer eines Zombie-, Werwolf- oder Vampirbisses – einen Heißhunger, den normales Essen nicht mehr stillen kann. Wie er bald zu seinem Entsetzen feststellen muss, ist es der Hunger auf Kinderfleisch…
Jon Watts und Christopher D. Ford hatten die Aufmerksamkeit von Eli Roth erregt, indem sie 2010 einen Faketrailer für „Clown“ bei YouTube hochluden und mit seinem Namen warben. Dieser beteiligte sich als Produzent an der Realisierung von „Clown“, bei dem dann Watts Regie führte und mit Ford das Drehbuch schrieb. Die Mär vom bösen Clown wird hier auf einen skandinavischen Dämon zurückgeführt, aus dessen Haut und Haaren das Kostüm besteht: Erst nach dem Verknurpsen von fünf Kindern, eines für jeden Monat des Winters, kann der Träger das Kostüm wieder ausziehen, das seinen Träger nach und nach in den Dämon verwandelt. In den Szenen, die diese Verwandlung darstellen, zeigt sich, dass sich „Clown“ vor allem an Body-Horror wie David Cronenbergs „Die Fliege“ orientiert: Kents Körper ist Opfer von Zerfall und Metamorphose, wobei seine Menschlichkeit nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich zu schwinden droht.
Genau an diesem Punkt setzen nämlich auch die interessanten moralischen Fragestellungen des Films an: Nimmt man für das eigene Überleben oder das eigene Familienglück das Verderben anderer in Kauf? Denn Kent ist jemand, der von dem Kostüm getrieben wird, der eigentlich nicht töten will, dem aber auch kaum andere Optionen offenstehen, da die Clownshaut gegenstandgewordener Fluch des ewigen Lebens ist. So ist „Clown“ ein überraschend tragischer Horrorfilm, der eher die Züge eines Familiendramas trägt, sich viel Zeit für seine Figuren nimmt, sie und die Situation erst hinreichend etabliert.
Dementsprechend ist „Clown“ kein Film für Gorehounds und Freunde des oberflächlichen Effekts. Viele Morde und Todesszenen finden offscreen statt, was jedoch nicht bedeutet, dass „Clown“ harmlos wäre: Hier überlebt nicht jedes Kind den Film, was sich nicht viele Horrorfilme trauen. Jedoch setzt „Clown“ seine Prämisse nie für spekulative Schocks ein, sondern zeigt Kents Verwandlung und Hunger als etwas, das Entsetzen hervorruft. Von der Konsequenz des Ganzen profitieren auch die Spannungsszenen des Films: Wenn der heftig metamorphiernde Kent in einem Abenteuerspieleland eindringt, mit verwinkelten Röhrenlabyrinthen und tiefen Ballparadisen voller tollender Kinder, dann treibt das effektiv den Puls nach.
Watts inszeniert das Ganze als spannenden, atmosphärisch dichten Genrefilm, der allerdings immer noch bekannten Mustern folgt. Gerade durch Vorbilder wie „Die Fliege“ kann man schon erahnen worauf das Ganze hinauslaufen wird, zumal Watts und Ford ihrer Prämisse nicht immer ganz zu vertrauen scheinen. Wenn etwa der Familienhund Kents abgetrennte Clownsnase futtert und danach selbst einer Verwandlung zum Opfer fällt, dann mag das für ein paar weitere Oberflächenreize sorgen, lenkt aber vom Dilemma der Hauptfigur ab, dem der Film sonst so bewundern viel Platz einräumt.
Dass Andy Powers darstellerisch kein Jeff Goldblum ist, ist Vor- und Nachteil des Films zugleich. Es unterstreicht einerseits den Jedermann-Status des absolut durchschnittlichen Kent, den Powers auch recht überzeugend darstellt, der aber manchmal doch noch etwas eindringlicher spielen könnte. Da er immerhin den Film größtenteils tragen muss, hätte ein noch einprägsamerer Hauptdarsteller vielleicht noch mehr gepunktet, aber man kann mit Powers zufrieden sein. Der Rest vom Fest, darunter auch Laura Allen als Kents Ehefrau, bleibt eher Randerscheinung des Films. Der Schwede Peter Stormare, Nebenrollenveteran ohne Berührungsangst vorm B-Film, gibt den Erklärbären, der Kent über die Herkunft und die Mythologie des skandinavischen Clown-Dämon-Kostüms aufklärt und ist der einzige bekanntere Name im Cast – sieht man mal vom Cameo-Auftritt ab, den Produzent Eli Roth absolviert.
„Clown“ mag sich nicht groß von seinen Body-Horror-Vorbildern wie „The Fly“ emanzipieren, baut auf dieser Grundlage aber ein spannendes Horrordrama auf, das sich mit dem körperlichen wie seelischen Verfall seiner Hauptfigur nachhaltig auseinandersetzt, moralische Fragestellungen behandelt und sein Thema ohne falsche Scheu, aber auch ohne flache Exploitation angeht.