Review

Bodenständige Seifenopern-Dystopie mit fragwürdigem Fundament ***


"The Hunger Games" ist zwar auch im zweiten Teil noch immer sehenswert, das liegt aber mehr denn je an den hohen Produktionswerten und der unglaublichen Ansammlung schauspielerischen Talents. Die Geschichte beginnt langsam zäh zu werden, die Revolution lässt weiter auf sich warten.
Die Frage bleibt allerdings, ob diese Filme inhaltlich wirklich würdige Nachfolger von "Harry Potter" und Co. sind - als welche ich sie in erster Linie sehe: "Twilight" mal bewusst bei Seite gelassen. Und da stellt sich schon die Frage, weshalb gerade dieser Stoff - im Unterschied zu "Twilight" - ideologisch nicht kritisiert wird.

Denn "The Hunger Games" ist und bleibt reaktionär/sozialistischer Sondermüll: gelobt wird praktisch nur "harte" körperliche Arbeit und eine all umfassende "Natürlichkeit", alles Exaltierte und Exzentrische wird in das Reich des Bösen geschoben. Und das ist ein weites Feld: reicht von Glam bis Gay, die meisten Bösen sind in der einen oder anderen Form metro oder queer, jedenfalls ganz sicher nicht "normal". Ansonsten sind sie mehr oder weniger dementsprechend verkleidete Handlanger, oder Bilderbuch-Faschisten denen sich sowieso gleich entledigt wird.
Also im Sinne von Susan Sontag und ihrer Camp-Definition goutiert wird fast alles, nur nicht Camp. Auch Pullman und Lewis haben diese Zuschreibungen zwar gekannt, im Film wurden sie jedoch eher auf eine klassische Ebene reduziert - als Kritik an einem Eskapismus à la "Sunset Boulevard".

Pullman hat auch den Vorteil, dass er sich an eine deutlich jüngere Zielgruppe gerichtet hat - ähnlich wie Rowling oder Lewis selbst: "The Hunger Games" und seine Zielgruppe sind jedoch pubertierende Jugendliche. Es soll dort Herzen (aus)bilden und es sollte mich jedenfalls nicht verwundern, wenn das konservative "Qualitäts"-Boulevard hierzulande diesen Stoff so umjubelt - das katholische Feindbild von Philip Pullman fällt hier ja weg (das im Kino 2007 zudem kein kommerzieller Erfolg vergönnt war, obwohl dort eh nur verkappt vorhanden), ebenso wie die mangelhafte Friedfertigkeit, Ökumene und Konzilsfähigkeit des vermeintlich rückwärts gewandten C. S. Lewis, es kann sich also ganz auf die - ohnehin schon angenommene - Verderblichkeit der Welt konzentriert werden.
Und das ist prinzipiell derselbe Antidekadenz-Schwachsinn wie er von Kulturpessimisten seit dem Fin de Siècle transportiert wird, von Oswald Spengler bis heutzutage "Pegida" reicht. Nur kommunitaristisch verbrämt: selbst ein kollektivistisches Element gibt es, in dem sich die "Guten" erst beweisen müssten - sogar im Rahmen des Systems und seiner ureigenen perfiden Idee von "Unterhaltung" führt Anpassung und Leistung irgendwie zum Ziel - während die Diktatur hierin mit allem beschrieben wird, das schon die altbekannten linken und rechten Dekadenz-Definitionen ausgemacht hat. Die Dekadenz ist kapitalistisch, sie ist spekulativ, verschwörerisch, vergnügungssüchtig, tendiert dazu medial zu vernebeln, den moralischen Glauben, die Werte und das Denken zu beeinflussen, zu manipulieren und formals "reine" Begriffe besetzend zu unterwandern - Weiterleitung an die "Medienkritik" und deren Vorwürfe, Beschimpfungen wie "Lügenpresse", schwimmt im ökonomisch exploitativen Luxus, aber selbst wird nicht gearbeitet - zumindest nicht im Sinne der unterdrückten Werktätigen, oder braven Steuerzahler. Alles Inszenierte wird als schlecht, auslaugend und verhindernd beschrieben - zudem ist sich dessen Sog kaum zu entziehen. "The Hunger Games" richtet sich im Grunde gegen die gesamte moderne Welt und deren Vielfalt, verkauft genau das dieser erfolgreich als "Kritik". 
Also das ganze Programm dessen, was einem am schwarzen Kanal früher über die Zustände im Westen so ausgemalt wurde, oder auf "bürgerlichen" Demonstrationen heutzutage an Identitätskauderwelsch über Bedrohungen durch Migration erzählt wird. Die schreiende Antiurbanität und latente Homophobie sind da nur noch Zusätze.
Denn erschreckend bleibt wie Mainstream-kompatibel all diese Ansätze doch sind, während à la "Die Welle" ansonsten einem doch ständig mahnend vorgemacht wird, dass man eigentlich doch "dagegen" sei und offen eingestellt wäre. Dass ich nicht lache - globale Kinoerfolge wie dieser zeigen inhaltlich das glatte Gegenteil.

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