Der erste Teil der "Hunger Games" - Trilogie von Suzanne Collins, verfilmt unter dem Titel "The Hunger Games" (Die Tribute von Panem - The Hunger Games, 2012), endete mit einem Triumpf. Die 16jährige Katniss Everdeen (Jennifer Lawrence) hatte nicht nur die 74. Auflage des mörderischen Wettkampfs der 24 ausgewählten jungen Männer und Frauen aus den 12 Distrikten des von Präsident Snow (Donald Sutherland) diktatorisch geführten Zukunftsstaats gewonnen, sondern auch ihren, wie sie aus dem 12. Distrikt stammenden, männlichen Mitstreiter Peeta Mellark (Josh Hutcherson) gerettet. Das Paar hatte damit gedroht, lieber gemeinsam in den Tod zu gehen als weiter gegeneinander zu kämpfen, weshalb die Machthaber nachgaben, um nicht die Wut der Bevölkerung herauf zu beschwören, zu deren Ablenkung die "Hunger Games" landesweit übertragen wurden.
Angesichts der pittoresk gefilmten Klischee-Diktatur des ersten Teils, die nur das Hintergrund-Szenario für ein mit leichter medialer Kritik angereichertes Spektakel abgab, dass dank seines klaren Gut-Böse-Schemas vorhersehbare Wendungen nahm, überrascht der Beginn des zweiten Teils "Die Tribute von Panem - Catching Fire" in mehrerer Hinsicht positiv. Der Überwachungsstaat, der den größten Teil der Bevölkerung für eine kleine Elite unter erbärmlichen Bedingungen arbeiten und leben lässt, wird deutlich konsequenter dargestellt. Zwar wohnen Katniss und Peeta - statt in Baracken wie die übrige Bevölkerung - jetzt Seite an Seite in zwei Häusern, aber die Atmosphäre ist kalt und farblos. Zudem hat sich ihre Liebesgeschichte keineswegs fortgesetzt. Katniss verbringt ihre Zeit lieber mit ihrem Freund Gale (Liam Hemsworth), was die Beziehung zwischen ihr und den zwei Männern zusätzlich verkompliziert.
Trotzdem verlangt Präsident Snow von ihr, dass sie ihr Liebesverhältnis zu Peeta auf der geplanten Triumpf-Tour durch die übrigen Distrikte überzeugend vorspielt, damit es nicht zu weiteren Ausschreitungen kommt - und droht offen damit, sonst ihre Liebsten zu töten. Die Szenen dieser Tour zeigen das totalitäre System als einen unbarmherzigen Machtapparat und das die Kamera dabei nicht explizit hinsieht, ist zwar der Freigabe ab 12 Jahren geschuldet, lässt aber keinen Zweifel an deren menschenverachtenden Methoden. Erstaunlicherweise funktioniert der zweite Teil auch ohne die Kenntnis des Erstlings, denn die Ausgangssituation wird in sich schlüssig aufgebaut, die Beziehungen der einzelnen Figuren untereinander - etwa zu Haymitch Abernethy (wie immer überzeugend Woody Harrelson) - in wenigen Zügen erneut nachempfunden und der Verzicht auf oberflächlich gestaltete Hintergründe wie die Entstehung der Diktatur oder das Alltags-Leben im 12. Distrikt straffen den Film deutlich.
Hinter dieser in seiner erschreckenden Dimension überzeugend aufgebauten Konstellation verbirgt sich gleichzeitig die Schwäche des Films, denn "The Hunger Games" - Trilogie will auch Unterhaltungskino sein für große Zuschauerschichten - und übernimmt sich mit der selbst gestellten Aufgabe, innerhalb von drei Fortsetzungen (auch wenn der dritte Teil in zwei Filme gesplittet wurde) eine jahrezehntelang problemlos funktionierende Diktatur zu stürzen. Gemeinsam mit seinem neuen Berater Plutarch Heavensbee (Philipp Seymour Hoffman) plant Präsident Snow, die Hoffnungsträgerin Katniss vor den Bürgern zu entzaubern, aber spätestens nach dem zweiten misslungenen Versuch hätte ihm klar sein müssen, dass die junge Frau nicht so reagiert wie er es möchte. Doch während seine Polizei-Truppen keine Probleme damit haben, Leute zu foltern und zu töten, denkt er sich für Katniss immer kompliziertere und aufwändigere Methoden aus, bis er bei den kommenden 75. "Hunger-Games" nur Sieger der bisherigen Battles gegeneinander antreten lassen will, um damit gleich mehrfach Ballast loszuwerden. Begründet wird das mit dem 25jährigen-Jubiläum - gut, dass Suzanne Collins nicht mit der 73. Veranstaltung ihre Buch-Trilogie begann.
So legitim es ist, seiner Fantasie bei den Rahmenbedingungen einer Story freien Lauf zu lassen, so notwendig ist es, sich an die einmal gesetzten inneren Regeln zu halten. Nicht nur, dass Diktator Snow bereit ist, seit 75 Jahren geltende Gesetze wegen einer jungen Frau über den Haufen zu schmeißen, er muss damit die bisherigen Sieger, die alle wie gewünscht funktioniert hatten, verärgern, denen er ein sorgloses Leben versprochen hatte. Entscheidender ist aber, dass sich der Zweck dieser Maßnahme nicht erschließt. Zwar wollen Snow und sein Berater Katniss vor den Augen der Menschen in den Distrikten entzaubern, aber diese Öffentlichkeit findet im zweiten Teil gar nicht mehr statt. Wird in der Eingangsepisode ausführlich die Übertragung der Kämpfe für alle Bewohner betont, die damit gleichzeitig unterhalten und eingeschüchtert werden sollen, existieren in "Catching Fire" keine Bilder von den Live-Übertragungen oder den Reaktionen der Öffentlichkeit - gezeigt werden die Aktionen fast ausschließlich aus der Sicht des Präsidenten.
Dem ließe sich entgegnen, dass es sich bei der Trilogie um Unterhaltungsliteratur handelt, deren Verfilmung nicht jeden Aspekt einbeziehen kann - wahrscheinlich sehen die Menschen landesweit zu, nur zeigt der Film diese Vorgänge nicht erneut. An dieser Unentschiedenheit, einerseits ein realistisches Szenario einer Diktatur entwickeln zu wollen, andererseits eine jugendliche Heldin in den Mittelpunkt zu stellen, die die Welt rettet, krankt der Film, dessen letztes Drittel die zu Beginn gezeigte Konsequenz vermissen lässt. Die Kampfhandlungen, mit denen der zweite Teil wie schon der Erste endet, brauchen keine schnell geschnittenen Szenen mehr, denn die Gefahren kommen nur noch von außen. Stattdessen werden immer mehr Kaninchen aus dem Hut gezaubert, die einen schon jahrelang organisierten Widerstandskampf voraussetzen, der im Widerspruch zu dem zuvor gezeigten rigorosen Überwachungsstaat steht - Unterhaltungsfilme sind glücklicherweise geduldig.
"Die Tribute von Panem - Catching Fire" verfügt über eine ausgezeichnete Besetzung und entwickelt überzeugend das erschreckende Szenario einer unmenschlichen Diktatur. Trotz der damit verbundenen Steigerung gegenüber dem ersten Teil, kann auch die Fortsetzung den Widerspruch zwischen ernstem Hintergrund und konventioneller Abenteuergeschichte nicht auflösen. Der totalitäre Staat wird zu einem willkürlich formbaren Abziehbild des Spannungskinos, wie auch der letzte Satz des Films erneut verrät - Katniss erfährt zwar, dass etwas ganz Furchtbares passiert ist, gleichzeitig werden die Konsequenzen daraus aber wieder relativiert. Totalitärer Überwachungsstaat, ein fieser Diktator und sadistische Polizeitruppen kommen einfach verdammt gut als cooler, spannender Hintergrund, aber gut ausgehen soll es natürlich trotzdem - fast wie im richtigen Leben (5/10).