Review

Joe Carnahans (Drehbuch und Regie) Thriller „Narc“ ist ein sehr atmosphärischer, Copthriller, der den beiden Schauspielern Ray Liotta und Jason Patric endlich mal wieder eine gute Chance gibt sich zu profilieren. Mit einem Minibudget von gerade mal 11 Millionen kann man dieses Werk getrost als Geheimtipp bezeichnen, wurde ihm bei uns doch nur eine Videopremiere gewährt.

Die Eröffnungsszene, gefilmt in wackeligen Bildern wie bei einer Handkamera, zeigt die hektische Flucht eines Drogenjunkies vor dem Undercovercop Detective Sgt. Nick Tellis (Jason Patric, mit dicker Wollmütze und Schnauzer), der ihn zwar auf der Flucht stellen kann, dabei aber eine hochschwangere Frau anschießt die darauf ihr Ungeborenes verliert und Tellis seinen Job. Erst Jahre später will man ihn rehabilitieren, da der Mord an einem anderen verdeckten Ermittler aufgeklärt werden soll. Anfangs skeptisch willigt Tellis ein, obwohl das Leben damals seine Spuren hinterließ und ihn fast zerstörte. Doch die Aussicht auf einen ruhigen Schreibtischjob bewegt ihn zur Zusage. Ihm zur Seite der beste Freund des Ermordeten: Der leicht reizbare, berüchtigte Detective Lt. Henry R. Oak (Ray Liotta).

Carnahans Look passt zum Plot, wie der Fisch ins Wasser. Das spätherbstliche Winterszenario mit seiner alles durchdringenden Nässe, Schnee und wabernden Atemwolken sorgt für eine pessimistische Grundstimmung. Die farblosen, meist durch Blaufilter farblich veränderten, Szenen fangen die Grundstimmung des Films praktisch ein: Hart, roh, düster, schonungslos. So agieren auch die beiden Cops, die sich trotz einer anfänglichen Aussprache (inklusive Schießerei auf dem Schießstand a la „Lethal Weapon“) , die ihre Charaktere belichtet, nie so recht grün werden. Der ruhige Tellis traut dem unberechenbaren Oak, nämlich nie vollends über den Weg, da dieser bei den Ermittlungen, die sie in einen Sumpf von Drogen und Gewalt führen, zu oft mit der Brechstange zu Werke geht, die möglichen Informationen (u. a. Busta Rhymes) am liebsten aus den Junkies herausprügelt und diese dann so dreht, wie es ihm passt. Stilisierte Coolness wie in „Training Day“ sucht man hier übrigens vergebens, auch wenn die Konstellation der Hauptfiguren ähnlich, die Sprache ebenfalls oft vulgäre Schimpfwörter zu Tage fördert und das Ende sehr überraschend ist.

Parallel dazu verliert Tellis immer mehr den Bezug zu seiner Frau und Tochter. Erstere hat dieses Drama schon einmal während seiner ersten Dienstzeit mitgemacht und steht seiner Rückkehr in den aktiven Dienst skeptisch gegenüber. Seine Verbissenheit in den Fall frisst all’ seine Freizeit, für eine Familie bleibt da kein Platz mehr. Leichter hat es da sein verschlossener Partner, dessen Frau an Krebs starb.

Verloren geht indes nie die Balance zwischen spannenden Hausdurchsuchungen, Verhören, kurzen Verfolgungsjagden und den beiden Hauptprotagonisten, die beide, wie sich herausstellt, mit dem Schicksal des Ermordeten Calvess verbunden sind und nebenher den einen oder anderen spannenden, wie aufklärenden Dialog führen. Manchmal bleibt dabei auch für makaberen Humor Platz, in dem sich zum Beispiel ein Junkie, der durch eine Shotgun kiffte, sich die Birne wegballerte, da sich noch eine Patrone im Lauf befand.

Neben dem einmaligen Einsatz von Splitscreen bleiben anfangs rätselhafte, später sich klärende Flashbacks beider Figuren ein angenehm, selten so effizient (zuletzt ähnlich gelungen in McTiernans „Basic“) genutztes Mittel, um den Plot voranzutreiben. Die unterschiedliche Darstellung des Verbrechens (Marke „Rashomon“) führen den Zuschauer geschickt auf falsche Fährten, um ihn dann in die Sackgasse laufen, von neuen rätseln zu lassen und ihn dann im Finale aufzuklären, dass noch einige Überraschungen zu bieten hat, auf die ich hier nicht weiter eingehen möchte, um die Spannung zu wahren.

Hervorzuheben sind die darstellerischen Leistungen dieses Films, denn Ray Liotta und Jason Patric spielen so gut wie schon lange nicht mehr. Während ein ergrauter und bulliger Liotta als undurchschaubarer, rätselhafter, aggressiver Cop eine der besten Leistungen seiner Karriere zeigt, kann Jason Patric als ruhender und zeitweise depressiver Pol, dem es bald zu viele Ungereimtheiten gibt, bestehen und sich etablieren.

Fazit:
„Narc“ ist eine Perle unter den Copfilmen und spielt qualitativ in der selben Liga wie „Training Day“. Der Spannungsbogen kann sich trotz der nicht gerade neuen, aber gut ausbalancierten Story bis zum überraschenden Ende halten, die Schauspieler sind top und der visuelle Stil atmosphärisch erstklassig. Selten so einen rohen, schmutzigen und düsteren Copfilm gesehen. Bleibt abzuwarten, was Joe Carnahan uns mit Tom Cruise (hier übrigens als ausführender Produzent tätig) drittem „Mission: Impossible“ Film präsentieren wird.

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