"Das ist ein Totenheim hier!"
Aufgrund des gesundheitlichen Zustandes und auf Drängen der gemeinsamen Tochter Birgit (Heike Makatsch) ziehen Paul (Dieter Hallervorden) und Margot Averhoff (Tatja Seibt) in ein Altersheim. Paul fühlt sich dort allerdings hoffnungslos unterfordert und hat das Gefühl nur noch auf den Tod zu warten. Somit beginnt der Gewinner der Goldmedaille im olympischen Marathon 1956 wieder zu laufen. Zunächst nur müde belächelt wirbelt er die Mitbewohner auf, die nun auch wieder mehr ins Leben zurückfinden. Allerdings gänzlich zum Unmut des Personals und der Heimleitung.
Dokumentationen und Berichte über die teils schockierenden Zustände in deutschen Alten- und Pflegeheimen gibt es zuhauf. Manche mehr, manche weniger seriös. Jede konstruktive Kritik hat dabei ebenso ihre Berechtigung wie jedes Lob. Doch statt auf die hygienische oder medizinische Situation, lenkt "Sein letztes Rennen" den Blick auf diejenigen, die jene Einrichtungen als ihr Zuhause annehmen müssen.
Gespickt mit bissigen Kommentaren zum Altwerden und dem Tod, zeigt "Sein letztes Rennen" deutlich, was mit Menschen passiert, die im Heim ihr letztes Dasein fristen. Als ausrangierte Mitglieder der Gesellschaft werden sie monoton in Bastelgruppen und Gesangskreisen unterhalten. Spaß hat hier niemand, dies wird schnell ersichtlich. Und somit erinnern sie sich nur noch an ihre goldenen Zeiten und warten auf ihr Ende.
"Sein letztes Rennen" ist weniger eine Komödie, obwohl gerade zu Beginn einige humorvolle, bissige und zynische Kommentare auftreten. Überwiegend ist der Film ein Drama um Identität, Verlust und sportlichen Kampfgeist.
An sich bietet die Tragikkomödie nicht viel Neues. Vieles erinnert an bereits existierende Sportlerdramen, wodurch die Handlung letztlich doch vorhersehbar wird. Allerdings macht diese an sich alles richtig. Überwiegend authentisch, an manchen Stellen etwas zu perfekt, aber stets nachvollziehbar, schreitet die Geschichte flott voran und langweilt, trotz seinen teils schwer verdaulichen Themen, überhaupt nicht. Im Gegenteil, denn die überwiegend liebevoll eingebetteten Figuren gehen immer wieder auf Konfrontationskurs mit ihren persönlichen Schicksalen.
Wenn man Kritik üben will, so findet man auch Gründe dazu. In sein "Sein letztes Rennen" sind dies sicher einige Klischees und ein paar konstruierte Schicksalsschläge. Die Hürden geben dem Film allerdings auch seine Spannung.
Das Finale des Films kann zur Stolperfalle werden. Viele werden den Schluss missverstehen und falsch bewerten, denn hier Bedarf es der richtigen Interpretation. Ein wenig schade, dass sich der Film im Nachhinein nicht mit ein paar Sätzen behilft und den Gedanken des Publikums die richtige Richtung weist.
Womit sicher kaum einer rechnete, ist die künstlerische Leistung von Dieter Hallervorden ("Didi"-Reihe, "Nonstop Nonsens"). Stets ist er präsent, charismatisch wie nie, lässt den anderen Schauspielern aber genügend Raum. Erstaunlich ist auch seine Wandlungsfähigkeit, die man ihm als Kabarettist und nach langjähriger Pause im größeren Filmgeschäft so niemals zugetraut hätte.
Die Harmonie zwischen Hallervorden und Tatja Seibt ("Tatort"-Reihe) funktioniert einwandfrei, was wichtig für den Film ist. Gegen dieses sehenswerte Filmduo fallen die weiteren Schauspieler etwas ab.
"Sein letztes Rennen" gehört wohl zu den besten deutschen Filmen, sofern man etwas mit den Themen anfangen kann. Ein unnachahmlicher Dieter Hallervorden veredelt ein toll gespieltes, packend inszeniertes Drama mit humorvollen Elementen, das lediglich durch ein bisweilen etwas arg konstruiertes und plakatives Drehbuch an Klasse verliert. Doch diese kleineren Schwächen werden durch die engagierte Herangehensweise, eine zielstrebige Inszenierung und die angemessene Musik ausgeglichen.
9 / 10