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Dieter Hallervorden - Sein letzter Film mit ihm in der Hauptrolle war 1992, also vor gut 14 Jahren, "Alles Lüge" - ein absoluter Flopp. Doch seine Historie liest sich interessant: 1970 überzeugte er als (nicht gewohnter) Bösewicht in dem genialen "Millionen-Spiel". Genau zehn Jahre später fing er an, die Rollen zu spielen, die wir so liebten. Diese Filme entstanden auch, weil Dieter Hallervorden 1975 mit der Slapstick-Reihe "Nonstop Nonsens" seinen Durchbruch feierte. Es folgten viele Didi-Filme, darunter solche Kracher wie "Didi und die Rache der Enterbten" oder auch "Didi auf vollen Touren", einer meiner ersten Filme, die ich im Kino erleben durfte.

Nach 1992 wurde es ruhig um Hallervorden. Mit der Sendung "Hallervordens Spott-Light" die von 1994 bis 2003 im Fernsehen lief, konnte man ihm noch zusehen. Aber ich gehörte zu der Gruppe, die das nicht tat.

Jetzt, über 20 Jahren später kann man Hallervorden zum ersten Mal wieder in einer Hauptrolle erleben. Und wer mit diesem Recken aufgewachsen ist, kann sich in "Sein letztes Rennen" noch mehr hineinversetzen. Vom Dieter Dödel zum alten Mann.


Paul Averhoff (Dieter Hallervorden) - ein Mann, eine längst vergessene Legende. 1956 holte er in Melbourne beim Marathon Der Olympischen Spiele die Goldmedaille.
Über 50 Jahre später sieht die Realität jedoch anders aus: Aufgrund des gesundheitliches Zustandes seiner geliebten Ehefrau Margot (Tatja Seibt) und auf das Drängen seiner Tochter Birgit (Heike Makatsch) lässt er sich darauf ein, im Altenheim untergebracht zu werden. Schnell wird ihm klar, dass der Alltag dort nur aus Singen und im wahrsten Sinne des Worte "Zu Tode" basteln besteht. Das sieht Paul nicht ein und schnürt sich wieder seine alten Laufschuhe, um am nächsten Berlin-Marathon teilzunehmen. Seine Frau unterstützt ihn dabei, genauso wie sie es schon 1956 getan hat. Doch Paul muss auf dem steinigen, fast unmöglichen Weg viele Widersacher und Hürden überwinden...


Wie ich oben schon erwähnt habe, denke ich, dass Leute, die mit Hallervorden aufgewachsen sind, sich besser in den Film reinversetzen können. Ich war von Anfang an richtig schockiert, Didi in solch einem Zustand zu sehen, wobei er ja noch den fitten Part des Ehepaars spielt. Dieser "Zustand" gehört eben zum Leben dazu, das Älter werden, wie auch die nächste Stufe, der Tod, der permanent um das Geschehen in diesem Film schwebt. Doch davon ist zumindest der Olympiasieger (vermutlich) noch weit entfernt, während bei seiner Frau Margot schon öfters der Notarzt da war.
Sie ist es auch, die sich mit dem Leben im Altenheim begnügt, bzw. damit abgibt, dass dies eben dazu gehört und ein netter Lebensabend darstellt.
Man fiebert mit den beiden Charakteren mit und ist aber auch gleichzeitig schockiert, was die beiden durchmachen müssen im Altenheim. Dies dürfte aber keine Kritik darstellen an Altenheimen und ihrem "Programm für die Alten", sondern Regisseur Kilian Riedhof übt eher an der richtigen Wunde Kritik: Dass es zu wenig qualifiziertes Personal gibt, die den alten Menschen den letzten Weg im Leben mit der Qualität gerecht werden, die sie verdient haben.
Meine Schwester hat Krankenschwester gelernt, und meine Mutter ist Altenpflegerin - beide haben mir schon menschenverachtende Geschichten erzählt, die mich an Nazi-Methoden erinnern. Der ~ 30jährige Pfleger, der kurz vor Schichtende den hilflosen Opi weinend in der Kacke liegen lässt und nur noch an den Feierabend denkt. Leute, bei so was könnte ich ausrasten. Und so etwas dürfte kein Einzelfall darstellen. Man muss sich mal in die Lage des hilflosen alten Mannes hineinversetzen, da wird mir schlecht.


"Sein letztes Rennen" ist ein ständiges Auf und Ab, gekonnt zwischen dem Löwenanteil des Drama und ein paar Spuren der Komödie abgefilmt, jedoch steht auch die Frage allgegenwärtig im Raum, ob Paul Averhoff es überhaupt packt, am Marathon teilzunehmen. Diese Frage bleibt geschickt offen, da es auch gewisse Abschnitte gibt, die der Handlung zum Ziel sowie dem Zuschauer mit einem direkten Punch in die Magengrube schlagen.
"Sein Letztes Rennen" ist ein ruhiger Film, der mit magischen Momenten, brillianten Dialogen und einfachen aber umwerfenden Bildern aufwarten kann und einen gleichzeitig glücklich wie auch komplett depressiv machen kann.

Leider wird der Film kein großes Publikum finden - und wenn, dann nur in Deutschland. Deswegen rufe ich euch auf, dem Film eine Chance zu geben. Er hat es verdient.

Hut ab vor Leistung der Darsteller und dem ganzen Drumherum, die einen Film erschufen, der nachdenklich, traurig und glücklich macht.


9/10

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