Review

„Lass jucken Kumpel“ ist das Ruhrpott-Äquivalent zu den diversen, in zumeist in Bayern und Österreich angesiedelten Lederhosenfilme, die einen Großteil der deutschen Sexklamotte ausmachten. Schon das erste Bild steht konträr zu den sonst so beliebten Naturaufnahmen: Qualmende Kamine verschmutzen den Himmel, von Grünflächen ist nichts zu sehen. Trostlos auch der deprimierte Off-Kommentar, der den Film einleitet. Bis zum Ende kommt es immer wieder zu teilweise ausführlichen, banalen inneren Monologen der Protagonisten. Leider kommt die Handlung ziemlich kurz und dreht sich bis zum Unfall nur im Kreis, beschreibt aber auf vereinfachte Weise den tristen Alltag und die wenigen Freuden des durchschnittlichen Pott-Arbeiters.

Basierend auf dem anstößigen, gleichnamigen Roman vom Chronisten des Themas, Hans Henning Claer, der in den Verfilmungen auch Gastrollen übernahm und vom Erfolg der Filme stark profitieren konnte. Obwohl nicht werkgetreu, umreißt die Verfilmung des ersten Romans die Grundthemen um Sex, Alkohol, Bars und Arbeit unter Tage ziemlich umfassend und entwickelt eine stimmige Atmosphäre. Die Trostlosigkeit der Umgebung findet eine symbolische Visualisierung bei einem romantischem Spaziergang bei Sonnenuntergang: Das Pärchen spaziert über eine Tierwiese, im Hintergrund sehen wir nur grauen Beton, Fabriken, und nackten Stahl. In einer solchen Umgebung fällt es schwer glücklich zu sein, so vermittelt der Film ein durchweg negatives Bild des Ruhrpotts, nicht jedoch von den Arbeitern, auf deren Seite er (genau wie die Romane) unverkennbar steht.

Der schnodderige Akzent des Potts steht dem der bayerischen Filme ebenso entgegen wie die sozialkritisch angehauchte Story, in deren Mittelpunkt eine Handvoll Arbeiter stehen, die unter Tage hart malochen, nur um sich ein mittelmäßiges Leben leisten zu können, stets geplagt von den Sorgen des Alltags. Einziger Lichtblick ist für die meisten Kumpel der abendliche Sex mit der Ehefrau, der Geliebten oder mit Prostituierten. Alle Hauptpersonen schlafen hinter dem Rücken ihrer Partner miteinander, was zu einem heillosen Chaos aus Betrug und Gegenbetrug führt – allerdings auf einer lockeren Ebene, ohne jemals in melodramatischem Ernst zu enden.

Die Storyline um den dramatischen Unfall des Arbeiters Lenz wird lapidar abgetan, von menschlichem Leid ist hier nichts zu spüren, hätte aber auch nicht zum verschmitzten Grundton des Films gepasst. Überhaupt geizt der Film nicht mit unterschiedlichen Sexszenen, die für Softcore-Verhältnisse sehr weit gehen und ihre Möglichkeiten beinahe vollends ausreizen, ohne echten Geschlechtsverkehr zu zeigen. Sogar ein erigierter Penis ist deutlich zu sehen und in einer Sequenz wird beinahe eine Fünfzehnjährige sexuell missbraucht. Mit einer billigen Slapstick-Nummer wird die betreffende Sequenz allerdings abgemildert und vollends trivialisiert. Dank dieser grenzwertigen Szenen geriet der Film schnell bei der seriösen Kritik in Verruf und entwickelte sich zum Kassenschlager.

Ebenso charakteristisch ist die Darstellung des depperten italienischen Gastarbeiters, verkörpert wie fast immer von Rinaldo Talamonti, der auch in der „Schulmädchen-Report“-Reihe auftaucht und in etlichen weiteren Genrefilmen. Seine politisch inkorrekte Art brachte die Filme zusätzlich in Misskredit, ernst nehmen sollte man diesen Aspekt allerdings auf keinen Fall. Immerhin bleibt die Charakterisierung aller Beteiligten genreüblich platt, was auch auf die typisch deutschen Figuren zutrifft, in einer Szene besäuft sich ein fetter Deutscher und lässt dabei achtlos Bier auf sich laufen.

Fazit: Viel Lokalkolorit und der Charme einer längst vergangenen Epoche zeichnen in erster Linie den Ruhrpott-Kultfilm aus, der darüber hinaus aber auch mit ungewohnter Drastik und guten Darstellern überzeugen kann. Klare Empfehlung, auch als Einstand in den deutschen Erotikfilm, auch wenn die Fortsetzungen deutlich mehr Handlung aufweisen können.

07 / 10

„Lass jucken Kumpel“ zog fünf Fortsetzungen nach sich, wobei man im vierten Teil einen Crossover riskierte mit der bayerischen Erfolgsreihe „Liebesgrüße aus der Lederhose“. Der Titel übernimmt übrigens einen angeblich gängigen Ausspruch, der im Film übrigens aufdringlich oft zu hören ist.

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