Deutsche Kriegsfilme tun sich mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus von je her schwer, so dass meist verkappte Parteifunktionäre oder verblendete Befehlshaber eine Alibifunktion übernehmen mussten. „Die Brücke“ (in der Oberpfalz gedreht) ist einer der wenigen deutschen Antikriegsfilme, die es geschafft haben, sich von dieser Problematik zu lösen und die Sinnlosigkeit des Krieges, sowie eine einzigartig verdorbene Ideologie anzuprangern, ohne sich dabei Klischees anzunehmen. Bernhard Wicki ambitioniertes Werk (Budget wie Drehzeit wurden von ihm weit überschritten), das neben einer Oscar-Nominierung, einen Golden Globe und auch den Bundesfilmpreis gewann, schlug in die deutsche Filmszene wie eine Bombe ein. War sie in den Fünfzigern doch zumeist von Heimatfilmen geprägt, die eine Idylle simulieren und gleichzeitig das Grauen des Krieges vergessen machen sollten.
Für Wicki, der selbst mehrere Monate im Konzentrationslager verbrachte, war dieser Film nicht nur der Sprung nach Hollywood (u.a. mitverantwortlich für „The longest day“, drehte mit Ingrid Bergman und Anthony Quinn "Der Besuch", eine Adaption von Friedrich Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame"), sondern auch eine Abrechnung mit einem totalitären System, dem in erster Linie eine Gruppe von Jugendlichen folgt.
"Ich möchte zeigen, wohin es führt, wenn man Kinder mit falschen Idealen erzieht, wenn man sie verkauft, verrät und schließlich verrecken läßt", erklärte er damals.
Sie sind gerade mal 16 Jahre alt – halbe Kinder wie in Dialogen oft erwähnt wird – leben in einer Kleinstadt fernab des Krieges, der schon bald zu Ende sein soll, sind dabei aber schon längst vom System soweit beeinflusst, dass sie das vermeintliche Spektakel „Krieg“ unbedingt noch miterleben möchten. Behutsam, ganz ohne Hektik führt Wicki diese unterschiedlichen Figuren ein - zeigt ihre Schwächen, Wünsche und Sehnsüchte. Die erste Liebe ist hier genau so ein Motiv, wie Mutproben, Konflikte mit den Eltern (die in ihrer politischen Einstellung in einem Fall mitschuldig sind) und der jugendlichen Tatendrang.
Die Väter sind schon dort oder als Krüppel zurückgekehrt und doch wollen auch sie an die Front. Ihre Mütter verzweifeln in ihrer Sorge, hoffen dass der Ernstfall nicht mehr eintritt. An die Vernunft ihrer Söhne können sie eh nicht mehr appellieren – ihr Denken ist in einem Stadium der Vergiftung, dass auch Jahre nach Kriegsende viele Deutsche nicht ablegen konnten.
Doch die Einberufungsbescheide kommen und damit rückt der Krieg ein ganzes Stück näher. Vernunft scheint in diesem sich in den letzten Atemzügen liegenden Zeitalter des Terrors und der Gewalt nicht mehr existent. Der Lehrer als System kritische Stimme sieht zu spät ein, was er mit seinem Unterricht in den letzten Jahren verbrochen hat und versucht seinen Fehler in einem verzweifelten Appell an den Kompaniechef wieder gut zu machen. Es scheint zunächst so, als würde es gelingen.
Schon in den ersten Bildern der Grundausbildung sind kritische Stimmen zu hören, die sich in Unteroffizier Heilmann (Günther Pfitzmann) personifizieren. Er glaubt längst nicht mehr an eine Wende, ist als Soldat aber bereit sein Leben zu geben. Die optimistische, übereifrige Haltung der Jungen ist ihm fremd. Er lacht sie nicht aus, sondern versucht sich als Vaterfigur. Als der Abmarsch zur Front beginnt soll auch das ein Ende haben. Ein Oberstleutnant (Siegfried Schürenberg, später bekannt als „Sir John“ in etlichen Edgar-Wallace-Krimis) befiehlt sie, nachdem sie für zu feucht hinter den Ohren befunden worden sind, in ihre Heimatstadt, um eine strategisch unwichtige Brücke zu halten, die gesprengt werden soll. Schon bald sind sie dort auf sich allein gestellt, da ihr väterlicher Vorgesetzter ohne Marschbefehl von der Militärpolizei angetroffen wird - die Amerikaner rücken näher und im Hinterkopf schwellt noch immer die brennende Rede des Bataillonkommandeurs .
Es ist eine Farce, dass die Konfrontation nur der überlebt, der von Anfang der Vernünftigste in der Gruppe war und die Sinnlosigkeit dieses Unternehmens durchschaut hat. Gleichzeitig zeigt Wicki hier auch wie sehr der Geist dieser Knaben vom System vereinnahmt worden ist.
Sie sterben nicht, weil irgendein arroganter Militärscherge sie verheizen, sondern im Gegenteil, sie retten will, aber nicht mit der sich in ihnen manifestierten, falschen Ideologie gerechnet hat. Erschreckend wie harmlose Schuljungen zu einem Mob übermotivierter Soldaten mutieren, die die Wahrheit nicht mehr erkennen. Einen Mann, der sie nach Hause schicken will, wollen sie töten, weil er sie, so wird interpretiert, zum Desertieren auffordert. Als sogar ein Ritterkreuzträger über „ihre“ Brücke flieht, scheinen sie nur noch in ihrem Beschluss gestärkt, sie verteidigen zu müssen. Einen Treffer werden sie mit infantilen Gebärden feiern.
Neben der Kameraarbeit, die unvergessliche Motive wie die der toten Jungen einfängt und der fehlenden musikalischen Begleitung sind vor allem die schauspielerischen Leistungen und die trostlose, pessimistische, bedrückende Bildsprache als nahezu perfekt zu bewerten. Neben bekannteren Namen wie Günther Pfitzmann und Vicco von Bülow (besser bekannt als Loriot), sind es die damaligen Jungstars wie Fritz Wepper („Derrick“), Volker Lechtenbrink (deutsche Synchronstimme von Dennis Quaid), Frank Glaubrecht (deutsche Synchronstimme von Pierce Brosnan und Kevin Costner), die bis heute dem Fernsehen erhalten blieben.
„Dies geschah am 27. April 1945. Es war so unbedeutend, dass es in keinem Heeresbericht erwähnt wurde", so tönt es am Schluss. Es ist die Darstellung eines eigentlich unwichtigen Ereignisses, das gerade deswegen so beeindruckend jenes Schicksal einer Gruppe Jungen schildert, die von einem System verkauft worden sind, das Werte und Ideale zu seinen Gunsten verdreht hat.
Fazit:
Mit „Die Brücke“ schuf Bernhard Wicki einen zeitlosen Klassiker und den vielleicht wichtigsten deutschen Beitrag zum Antikriegsfilm. Nicht die Kritik an braunen Horden steht hier im Vordergrund, sondern die Darstellung einer Gruppe Jungen, die von einer falschen Ideologie okkupiert, den vernünftigen Geist abgeschaltet haben und blind eingetrichterten Propagandabefehlen folgten. Beeindruckend!