Review

Finsternis kann keine Finsternis vertreiben.
Das gelingt nur dem Licht.

Martin Luther King jr. (1929 – 1968)

Der wohl bekannteste Vertreter der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der 50er und 60er Jahre soll uns nicht nur durch dieses eingeblendete Zitat zu Beginn von „The Butler“ begegnen, sondern einige Zeit später auch am maßgeblichen Fortgang der Handlung des neuesten Filmes von Lee Daniels („Precious“) teilhaben. Wie das in Einklang zu bringen ist mit einem grob als Biopic über einen im Weißen Haus tätigen Butler zu bezeichnenden Film? Dies ist der „Kreativität“ von Regisseur Daniels und Drehbuchautor Danny Strong zuzuschreiben.

Basierend auf dem Washington Post-Artikel A Butler Well Served by This Election aus dem Jahre 2008 wird die Geschichte des Butlers Eugene Allen erzählt, der von 1957 bis 1986 als Butler im Weißen Haus tätig war und in dieser Zeit zahlreichen Staatsmännern begegnete und die amerikanische Politik auch in den Hinterzimmern der Macht hautnah miterlebte. Da die Filmschaffenden der Geschichte des Butlers etwas mehr Dramaturgie hinzudichteten und die eigentliche, real existierende Person nur als grober Aufhänger für einen Streifzug durch die amerikanische Geschichte „missbraucht“ wurde, sahen sich Daniels und Strong dazu gezwungen, den Protagonisten umzutaufen. Wir begleiten also nicht mehr Eugene Allen, sondern Cecil Gaines (Forest Whitaker), auf einer Geschichtsstunde über die Zeiten der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.

Selbst wenn man das Ausmaß der künstlerischen Freiheit der beiden Filmemacher als verwerflich betrachten darf, ist die Grundidee, die hinter „Der Butler“ steckt, höchst interessant: Ein Mann des Volkes, überdies ein Mann des zu jenen Zeiten noch weiterhin von Repressalien gebeutelten farbigen Volkes, erhält Einblick in das Zentrum der westlichen Macht und darf so – stillschweigend – mitverfolgen, wie die politischen Entscheidungsträger zu den Umständen und Missständen in ihrem Land Stellung beziehen und entsprechend ihre Politik gestalten. Alleine mit dieser Prämisse hätte sich ein interessantes, stark dokumentarisches Drehbuch gestalten lassen. Doch um das geneigte Publikum noch stärker zu fesseln und nicht dem Verdacht, zu stark geschichtliche Aufarbeitung betreiben zu wollen, zu erliegen, wurden der Lebensgeschichte des Butlers eben jene dramatischen Wendungen hinzu gedichtet, die aus Eugene Allen letzten Endes Cecil Gaines machen mussten.

Die Eingangsepisode, in der der junge Cecil auf einer Baumwollplantage tatenlos zusehen muss, wie zunächst seine Mutter vom Sohn der Plantagenbesitzerin in einen Schuppen geschleppt und dort vergewaltigt wird und direkt im Anschluss daran seinen Vater durch die Hand ebendieses Sohnes verliert, erscheint nutzlos und dramaturgisch irgendwo aus den tiefsten Ecken der Klischee-Kiste heraus gekramt. Dass sich diese Episode nicht im Leben Eugene Allens zugetragen hat, bedarf hier eigentlich keiner Erwähnung. Doch offensichtlich benötigt das Publikum einen solchen Schocker, um von Beginn an eine gewisse Nähe und Empathie zum Hauptprotagonisten zu entwickeln. Und es wirkt. Der Zuschauer entwickelt in der Tat die erforderliche Nähe zum jungen Cecil Gaines, ist bereits jetzt gespannt auf den Werdegang des Jungen, der von der Baumwollplantage seinen Weg ins Weiße Haus findet. Eine weitere Blaupause der „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Geschichte, die im US-Kino ein Erfolgsgarant für Biopics jeglicher Art darstellt. Zugleich wird uns nochmals vor Augen geführt, dass die farbige Bevölkerung auch in der Zeit nach Abraham Lincoln noch – vorwiegend in den Südstaaten – wie Menschen zweiter Klasse behandelt wurde.

Die Folgejahre, in denen Cecil vom „Hausnigger“ zum Butler wird, werden im Schnelldurchlauf abgespult, bis wir uns schließlich im Jahre 1957 wieder finden. Cecil hat zwischenzeitlich Gloria (Oprah Winfrey) geheiratet und lebt mit ihr und ihren beiden Söhnen Louis (David Oyelowo) und Charlie (Elijah Kelley) in einer schmucken kleinen Wohnung in Washington. Aus dieser Grundkonstellation entspinnen Daniels und Strong einen weiteren dramaturgischen Bogen, der parallel zur US-amerikanischen Geschichte erzählt wird und ebenso nichts mit der real existierenden Figur des Eugene Allen zu tun hat. Gloria fühlt sich aufgrund der andauernden Überstunden ihres Mannes im Weißen Haus zusehends vernachlässigt und sucht die Flucht im Alkohol und in einer Affäre mit dem Nachbarn. Derweil entwickelt sich Louis während seines Studiums zu einem starken Verfechter der Bürgerrechtsbewegung und kämpft an der Seite von Martin Luther King und später Malcolm X für die Rechte der farbigen Bevölkerung der Vereinigten Staaten. Dies teilweise zum Missfallen seines Vaters. Überdies wählt der jüngste Sohn Charlie späterhin einen Lebensweg, der dem ohnehin schon verworrenen Storytelling noch die Chance zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Vietnam-Krieg gibt.

Wie das fast 30 Jahre andauernde Wirken eines Mannes im Dienste des mächtigsten Mannes der Welt in einen gut zweistündigen Film passen soll, ist ohnehin schon eine Frage von filmischem Geschick. Dies jedoch mit all diesen Nebenkriegsschauplätzen gemeinsam mit der Geschichte des „Civil Rights Movements“ unter einen Hut zu bekommen und daraus einen unterhaltsamen, fesselnden und zugleich sehenswerten Film zu machen, ist nahezu unmöglich. Dies muss sich auch Lee Daniels eingestehen.

Der Streifzug durch die Geschichte Amerikas von den 50er bis in die 80er Jahre ist zweifelsohne interessant ausgefallen und der Zuschauer wird mit zahlreichen historischen Fakten und Begebenheiten bedient, doch für mehr als einen ein paar Schulstunden füllenden Film über die Rechte der Farbigen in den Vereinigten Staaten reicht es bei weitem nicht.

Dabei ist es vor allen Dingen den Hauptdarstellern hoch anzurechnen, dass aus „Der Butler“ nicht ein Desaster historischen Ausmaßes wurde. Forest Whitaker agiert gewohnt souverän in seiner Rolle als loyaler Bediensteter des Weißen Hauses, Oprah Winfrey glänzt in ihrer Rolle als Gloria Gaines, stellt ihr schauspielerisches Talent in jeglicher Hinsicht unter Beweis und agiert so stark wie vermutlich seit ihrer Debütrolle in „Die Farbe Lila“ nicht mehr. Aus der Riege der Nebendarsteller sticht vor allen Dingen Cuba Gooding Jr. in seiner Rolle als Carter Wilson heraus. Nun mag sich der aufmerksame Kinogänger beim Blick auf das Plakat denken: „Und was ist mit den vielen Topstars, die mitspielen?“ Es scheint, als wollte man mit der Verpflichtung großer Namen für die Nebenrollen auch den letzten Kinogänger zu einem Besuch des „Butlers“ bewegen. Überwiegend in den Rollen der US-Präsidenten sind illustre Köpfe wie Robin Williams (als Dwight D. Eisenhower), Alan Rickman (als Ronald Reagan), John Cusack (als Richard Nixon), James Marsden (als John F. Kennedy) und Liev Schreiber (als Lyndon B. Johnson) zu sehen. Die größtenteils allenfalls als Kurzauftritte ausgelegten Rollen wurden mal recht (Williams, Rickman, Marsden), mal eher schlecht (Cusack, Schreiber) ausgefüllt und bedürfen keinerlei besonderer Erwähnung.

Lee Daniels hat mit seiner verworrenen Melange aus Familiendrama und Politdrama die große Chance verpasst, aus einer in höchstem Maße interessanten Grundidee einen packenden Film zu machen. Lediglich einige wenige gelungene Sequenzen sowie die herausragenden schauspielerischen Leistungen Whitakers und Winfreys trösten über eine über zwei Stunden andauernde pathos-geladene Tour de Force durch politischen und gesellschaftlichen Aufruhr und familiäre Probleme hinweg. Im Englisch- oder Geschichts-Unterricht sicherlich gut aufgehoben, für anspruchsvolle Unterhaltung leider nur bedingt geeignet, versinkt „Der Butler“ im gehobenen Mittelmaß.

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