Review

Im Jahr 2014 verwandelt sich die Erde aufgrund eines mißlungenen Wetterexperiments in eine Eiswüste. Ein reicher Industrieller hat einen Superzug konstruieren lassen, der seitdem auf dem Festland der Kontinente pausenlos seine Runden dreht, an Bord die in 2 Klassen eingeteilten Überlebenden: Vorne im Zug die Reichen samit bewaffneter Truppen, hinten das Lumpenproletariat. Letzteres plant unter der Führung des bärtigen Curtis (Chris Evans) einen Aufstand und kämpft sich Wagen für Wagen nach vorne. Während sie selbst jahrelang in der Dunkelheit hausend nur mit glibberigen Proteinriegeln abgespeist wurden, lernt die kleine Truppe im vorderen Zugteil saubere Unterkünfte, kultivierte Küchengenüsse, eine Schule und sogar eine Obst- und Gemüseplantage kennen. Werden sie es bis ganz nach vorne zur Lokomotive schaffen, in der dessen Konstrukteur und unumschränkte Herrscher des Zuges, Mr. Wilford (Ed Harris) logiert?

Dystopische Filmthemen sind immer von gewissem Interesse, namentlich wenn es einer kleinen Gruppe Menschen gelingen muß, in einer lebensfeindlichen Umwelt zu überleben. Die auf einem Comic basierende Idee, dies in einem sich ständig bewegenden Zug vor sich gehen zu lassen, ist grundsätzlich nicht schlecht, wären da nicht derart viele sachliche Fehler meist technischer Natur, gepaart mit einer Riege durch die Bank unsympathischer Darsteller, die dem koreanischen Regisseur Bong Joon-ho da unterlaufen wären. Zum einen fehlt leider beinahe jeglicher Background, wie und warum die Leute (und zwar alle) in den Zug kamen, auch wie das tägliche Leben an Bord abläuft wird viel zu wenig geschildert (das vorgebliche Leiden wird durch slapstickhaftes Verhalten der Protagonisten konterkariert), zum anderen sind bei der Choreographie des fahrenden Zuges insgesamt derart viele technische Unmöglichkeiten dargestellt, daß man den Plot ohnehin nicht sonderlich ernst nehmen kann. Da sich mangels geeigneter Heldenfigur auch jegliches Mitfiebern erübrigt, kommt Spannung erst gar nicht auf - denn daß es die Unterprivilegierten schon irgendwie schaffen werden, am Ende an die Spitze des Zuges zu gelangen, wird anhand der Fokussierung auf deren Anführer Curtis schon in den ersten Filmminuten klar. So schleppt sich der Film dann mühsam von einem zum anderen Wagen und drückt die Erwartungshaltung des anfänglich noch optimistischen Zuschauers immer weiter nach unten...

Zu den häufigsten Fehlern bei Filmen, die in Zügen spielen, gehören Innenaufnahmen in viel zu großen Kulissen: Hier fällt dies anfangs noch nicht allzusehr auf, aber mit jedem Wagen wird die lichte Weite dann geändert, bis man irgendwann in einem Plantagenwagen steht, der nicht nur mindestens 5 Meter breit, sondern gut 7 Meter hoch und rundum verglast ist. Damit nicht genug, gibt es auch einen Aquariumswagen, durch den man aufrecht durchspazieren kann, um über sich Rochen und andere Exoten ihre Runden drehen zu sehen. Das alles passt freilich in keinster Weise zu einigen computer-getricksten Außenaufnahmen des Zuges, in denen dieser als ratterndes, schwankendes Stahl-Ungetüm dargestellt wird, dessen Superlok zwar Eislawinen auf den Schienen durchbrechen kann, der jedoch keinesfalls ruhig dahingleitet, wie beinahe alle Innenaufnahmen suggerieren. Zu diesen physikalischen Unmöglichkeiten kommen dann noch einige sachliche Fehler wie ein in der Schulklasse durchgenommener "Aufstand der Sieben", als zu Beginn des sich 18 Jahre ununterbrochen bewegenden Zuges 7 Leute aus dem Zug sprangen, deren vereiste Silhouetten die Lehrerin beim Vorbeifahren stolz präsentiert, dabei geflissentlich übersehend, daß es nur 5 waren. Auch die häufiger eingestreuten Action-Szenen folgen offenbar keiner besonders stringenten Logik, denn nach dem Hauen und Stechen beim Wasserwagen liegen fast keine Leichen herum und das halbe Dutzend, mit dem Curtis weiter nach vorne zu dringen versucht, erleidet erstaunlicherweise auch kaum Blessuren. Dazu kommt eine sehr plakativ gehaltene Kameraführung asiatischen Actionfilm-Zuschnitts, mit der zumindest ich nichts anfangen kann, sowie ab und zu auch durch den Score eindeutig abgegrenzten melancholischen Momenten, wenn Curtis vorgeblich betroffen zu Boden blickt, weil wieder irgendwer gestorben ist (oder er sich vor Lachen über den lächerlichen Plot wegschmeißen will, genau weiß mans nicht, da Chris Evans´ Mimik so facettenreich ist wie die anfangs erwähnten Proteinriegel).

So geht es also immer weiter nach vorn im Zug, durch Friseursalon, Zahnarztpraxis, Maßschneiderei, eine Disco und dergleichen Wunderwelten mehr, am Ende versucht der Film dann gewisse moralische Fragen aufzuwerfen, wenn der Teufel (Wilford) den Menschen (Curtis) in Versuchung führen will, aber das zieht nach all den Albernheiten zuvor dann auch nicht mehr, die hier an den Haaren herbeigezogene Ethik, die am Schluß bemüht wird, ist vorhersehbar platt und überzeugt in keinster Weise. Ein bestenfalls durch seine Absurditäten mäßig unterhaltsamer Film, dessen schwachbrüstige Inszenierung sich nicht auf die Comic-Vorlage herausreden sollte. 3 Punkte.

Details
Ähnliche Filme