Hohe Mauern, noch höheres Gewaltpotenzial
Es gibt moderne Klassiker wie "Moonlight" oder "Inception", die diesen Stempel schnell und glasklar aufgedrückt bekommen und in vielerlei hinsicht die filmische Nachwelt prägen. Doch es gibt auch moderne Klassiker, die erschleichen sich diesen Ritterschlag eher hintenrum, durch Mundpropaganda und mit ein paar Jahren Warmlaufzeit. Der französische "Un prophete" von 2009 ist so ein semi-geheimes Meisterwerk, dass seiner Nachwelt und seinen filmischen Nachkommen bis heute als immense, stilprägende Blaupause dient. In seinem Fahrwasser kamen mitreißende Knastbrüder wie "R", "Dog Pound" oder eben "Starred Up", die sich allesamt an ihm als Hürde versuchten und gleichzeitig aber auch auf eigenen Beinen stehen können. Im britischen "Starred Up" von 2013 wird ein junger Serientäter und Aggressor vom Jugendknast in ein Erwachsenengefängnis verlegt. Dort erwarten den kaum zu bändigenden Problemfall noch härtere Wände, noch fiesere Gestalten, sein lebenslang einsitzender Vater und eine Therapiegruppe, die zumindest Auswege aufzeigt...
"Starred Up" bringt nicht wirklich neue Dinge in das Subgenre der Prisondramen, doch beweist er vor allem zwei Dinge: dass David Mackenzie schon vor "Hell or High Water" eines der leuchtendsten Lichter am Regiehorizont war und dass Jack O'Connell, der fiese Ganganführer aus "Eden Lake", einer der britischen Schauspieltalente der kommenden Jahre ist. Den zwei gehört ja mal sowas von die Zukunft! Beide liefern hier ein faszinierendes Zusammenspiel und einen Knastthriller, der schonungslos, direkt und vollkommen ohne Effekthascherei, die miserable Gewaltspirale der meisten Gefängnisse darstellt. Ein wenig "Bronson", nur wesentlich unartifizieller und viel dokumentarischer. Die Vater-Sohn-Beziehung ist der Kern der Sache und trotz schwer verständlichem Insel-Englisch mag man kaum eine Sekunde seinen Blick von der Leinwand nehmen. Obwohl es weh tun kann. Oder muss. Keine netten Typen, aber so eine ausweglose und unfaire Situation gönnt man niemandem. Erst recht nicht verlorenen Menschen, die positive Beispiele, Hoffnung oder Führer umso heftiger benötigten. Für solche Zustände muss man sich als Gesellschaft fast eingestehen versagt zu haben...
Fazit: gibt es wirklich hoffnungslose Fälle? Und ist vielleicht unser Gefängnissystem einer dieser? "Starred Up" ist ein steinhartes Brit-Knastdrama, dass einen tief in die Magengrube trifft und fast schon unangenehm nah dran ist.