„Camel trips, as I suspected all along, and as I was about to have confirmed, do not being or end: they mere change form...”
Das 2013er Abenteuer-Drama „Tracks“ erzählt die wahre Geschichte von Robyn Davidson – einer 1950 in Miles (Queensland) geborenen Australierin, welche Mitte der Siebziger in das „im Herzen“ ihres Heimatlandes gelegene Wüstenstädtchen Alice Springs gereist war, um im Folgenden die Verwirklichung ihres seit der Kindheit bereits gehegten Traums anzugehen, ganz allein die rund 2.700 Kilometer lange Strecke bis hin zum Indischen Ozean (an der Westküste) zu wandern. Anfang 1977 brach sie schließlich zu ihrer ebenso gefährlichen wie einzigartigen Tour auf – begleitet bloß von ihrem geliebten Hund Diggity sowie den vier Kamelen Dookie, Zeleika, Goliath und Bub, welche sie zuvor u.a. selbst gebändigt und abgerichtet hatte. Neun Monate später erreichte sie dann ihr Ziel – eine nicht nur in mentaler und körperlicher Hinsicht „epische“ Leistung. Ursprünglich hatte sie weder die Absicht, öffentliche Aufmerksamkeit auf sich und ihr Vorhaben zu lenken, noch über ihre Erlebnisse zu schreiben – allerdings benötigte sie aufgrund diverser im Vorfeld anfallender Kosten irgendwann einen Sponsor, welchen sie letztlich in Gestalt des renommierten „National Geographic“-Magazins fand. Als Bedingung für die Unterstützung verpflichtete sie sich dazu, dem Fotographen Rick Smolan an abgesprochenen Stationen ihres Trips für Aufnahmen zur Verfügung zu stehen sowie eigene Aufzeichnungen für entsprechende Artikel-Publikationen einzureichen. In den Jahren 1978 und '79 erregte die Story weltweit Interesse und Aufmerksamkeit – worauf Davidson diese höchstpersönlich zu einem Buch erweiterte, welches kurzerhand zu einem internationalen Bestseller avancierte, mit verschiedenen Preisen ausgezeichnet wurde und hierzulande den Titel „Spuren“ trägt...
Angesichts der Materie verwundert es wenig, dass sich eine Verfilmung schon relativ lange im Gespräch befand: Im Laufe der Zeit wurden gleich mehrere Versuche unternommen, den Stoff „für die große Leinwand“ zu adaptieren, und das teils inklusive der Beteiligung solch bekannter Namen á la Julia Roberts, Nicole Kidman und Sydney Pollack – allerdings vermochte erst die hier nun zur Besprechung vorliegende Variante bei Davidson einen dermaßen hohen Anklang zu finden, dass sie dem von Marion Nelson auf der sorgsam studierten Basis ihrer Vorlage verfassten sowie seitens des versierten Regisseurs John Curran („the Painted Veil“) für nur zirka zwölf Millionen Dollar in Szene gesetzten Projekts ihre Zustimmung gewährte. Das auf diesem Wege entstandene Ergebnis kann sich auf jeden Fall sehen lassen – braucht den Vergleich zu „Hollywood-typischen“ Studio-Produktionen nicht zu scheuen und liefert im Zuge dessen erneut einen anschaulichen Beweis für die beachtenswerte cineastische Qualität aus „Down Under“ stammender Veröffentlichungen. Als eine fantastische Wahl entpuppte sich dabei die Entscheidung, Mia Wasikowska mit der Hauptrolle zu betrauen – ihres Zeichens eine im Oktober 1989 in Canberra zur Welt gekommene Aktrice, welche sich in der jüngeren Vergangenheit dank exquisiter Performances in Werken wie Cary Fukunaga´s „Jane Eyre“ oder Park Chan-wook´s „Stoker“ als eine der reizvollsten Darstellerinnen ihrer Generation hervorgetan hat: Speziell in Wechselwirkung mit dem im Bereich der Adventure-, Travelogue-, Biopic- und Selbstfindungs-Anteile beseelt und ersprießlich ausbalancierten Skript ein wahrhaft „festes Fundament“ für alles darauf aufbauende...
Binnen Minuten wird dem Zuschauer (glaubwürdig wie unaufdringlich) näher gebracht, dass sich Robyn unter Menschen einfach nicht sonderlich wohl fühlt – weshalb sie am liebsten ganz für sich allein ist, von ihrem treuen Begleiter Diggity jetzt mal abgesehen. Sie sucht die Isolation und folgt synchron entschlossen dem Bestreben, ihren klar abgesteckten Plan auf durchdachte Weise zu realisieren. Genau das unterscheidet sie (z.B.) von Chris McCandless, der ja ohne der notwendigen Ausrüstung und Kenntnisse u.a. ein entlegenes Gebiet Alaskas bereiste und dort dann auch im August 1992 (höchstwahrscheinlich als Resultat körperlicher Auszehrung) ums Leben kam – siehe dazu etwa Sean Penn´s „Into the Wild“. Inspiriert von ihrem Vater, der als junger Mann zu Fuß die Kalahari-Wüste durchquert hatte, überstürzt sie nichts und investiert (in diesem Rahmen) eine stattliche Zahl an Monaten in die existenziellen Vorbereitungen auf das gefahrenvolle Unterfangen. Nach einer kurzen Phase als Kellnerin in Alice Springs gibt sie jenen Job aber erst einmal wieder auf – vorrangig da sie die Leute (samt ihres Verhaltens) um sich herum nur schwerlich erträgt – worauf sie bei einem europäischen Kamel-Besitzer (Rainer Bock) anheuert, der sie jedoch nach über einem halben Jahr harter Arbeit um ihren eigentlich vereinbarten Lohn betrügt. Wütend, enttäuscht und machtlos dagegen – nichtsdestotrotz ungebrochen willenskräftig – steckt sie diesen herben Rückschlag (notgedrungen) relativ zügig weg und kommt stattdessen bei einem afghanischen Züchter (John Flaus) unter, dessen Führung sie ihre Geschicke und Fertigkeiten im Umgang mit den Tieren fortan weiter zu vertiefen verhilft…
Rund zwei Jahre verbringt Robyn mit „Zurichtungen“ vor Ort – schläft unter freiem Himmel, erlangt eine Menge nützliches Wissen und beschafft sich schließlich ihre vier Kamele, welche sie gar eigenhändig zähmt und trainiert. In Australien gibt es nämlich tausende Geschöpfe jener Art, die frei durchs Outback streifen, seit man ihre Vorfahren ursprünglich mal als Lastenträger ins Land geholt sowie irgendwann (parallel zur zunehmenden Verbreitung von Fahrzeugen) bereitwillig frei gelassen hatte. Überaus widerstandsfähig – eingefangen jedoch (zu Beginn) nur schwer zu bändigen – markierten sie eine schlichtweg perfekte Wahl für die angedachte Aufgabe. Von vielen Personen im Vorhinein belächelt, nicht verstanden oder geradewegs „für verrückt erklärt“, hielt Robyn damals unbeirrt an ihrer Absicht fest. Mit Skepsis sah sie sich u.a. in Anbetracht ihres Geschlechts sowie der ins Auge gefassten Route und den damit verbundenen Umständen konfrontiert. Auch ihre eigene Familie sorgte sich um sie und konnte ihre Motive nicht umfassend nachvollziehen. Da sie nicht genügend Geld für Ausrüstung und Vorräte besaß, nahm sie zu guter Letzt eher widerwillig (also mit gemischten Gefühlen) die Unterstützung des „National Geographic“-Magazins an – musste der Öffentlichkeit dafür im Gegenzug jedoch bestimmte Einblicke in ihr Privatleben gewähren. In diesem Kontext stellt(e) sich Rick als ein ebenso netter wie eifriger und gesprächiger Typ heraus: Eine unweigerliche Quelle vereinzelter „Spannungen“ – und dennoch zugleich der Beginn einer durchaus charmanten, zum Teil von widersprüchlichen Anschauungen und Empfindungen (á la Einsamkeit und Anziehung) geprägten „On/Off“-Beziehung…
Allein schon die Gegenwart der meisten Menschen löst bei Robyn ein gewisses Unbehagen aus – was auf die Betreffenden wiederum dann häufig eigenwillig und unfreundlich wirkt. In Städten (mit all ihren „Fremden“) ist dies besonders der Fall – allerdings auch im Beisein von Bekannten, wie eine fein arrangierte Szene im ersten Drittel zeigt, in der sie Besuch von ihrer Schwester und einigen Freunden erhält. Als jeweils eine Gruppe Touristen und Journalisten ihren Wunsch nach „Freiraum“ nicht wirklich mit Respekt behandelt, bestätigt das ihre Eindrücke und Auffassungen nur zusätzlich aufs Neue – während sie sich etwa im Beisein der Aborigines sehr entspannt zu fühlen vermag. Entlang ihres Weges lernt sie, dass es gelegentlich sowohl erforderlich und besser als auch erleichternd und wohltuend ist, sich von anderen helfen zu lassen – sei es im Zuge ihrer Begegnungen mit Rick, als sie ein älteres, quasi „mitten im Nirgendwo“ lebendes Ehepaar gastfreundschaftlich bei sich aufnimmt oder sie spezifische Abschnitte ihrer geplanten Strecke nur in Begleitung eines australischen Ureinwohners betreten darf, da diese Etappen durch „heilige“ und/oder „für Frauen verbotene“ Gebiete führen und sie ansonsten weite Umwege in Kauf nehmen müsste. Bedachtsam und unüberhastet reichern ihre Entscheidungen, Reaktionen und Interaktionen die Charakterzeichnung ihrer Figur zunehmend weiter an: Eine nachvollziehbare Entwicklung – punktuell ergänzt durch flüchtige Flashbacks zurück in ihre Kindheit, in der u.a. ihre Mutter Selbstmord beging und ihr Dad sie daraufhin in die Obhut seiner unverheirateten Schwester Gillian gab. Jene von Trauer und Enttäuschung gezeichneten (unverarbeiteten) Erfahrungen haben bei ihr offenkundige „psychische Narben“ hinterlassen…
Einige der mannigfaltige Gedanken, Erläuterungen und Kommentare beinhaltenden inneren Monologe der Buch-Vorlage Davidsons hat Skript-Autorin Nelson in Gestalt einzelner (zurückhaltend eingebundener) Voiceover-Einspielungen in den filmischen Verlauf integriert – was ergiebig dazu beiträgt, dass dem Publikum ein mehrschichtiges wie glaubwürdiges Portrait Robyns dargeboten wird. Auf jeden Fall ist es ein wahres Vergnügen, die wunderbar charismatische und talentierte Mia Wasikowska beim Verkörpern der obendrein ja auch physisch ungemein fordernden Rolle zu erleben: Sie „trägt“ den Film mit Bravour, vermittelt genau die richtige Kombination aus Stärke und vereinzelten (unter einer nach außen hin getragenen „Fassade“ verborgenen) „Zerbrechlichkeiten“, meistert die breite Palette an ihr abverlangten Emotionen überzeugend und wächst einem (trotz ihres öfters eher „unsozialen“ Gebarens) relativ zügig ans Herz. Als Rick Smolan liefert Adam Driver (TV´s „Girls“) eine ähnlich erstklassige Performance ab: Er tritt amüsant und sympathisch in Erscheinung, die Chemie zwischen ihm und Mia stimmt und der gesamte Kontrast zwischen beiden Parts wirkt sich unverkennbar „erquickend“ auf alles Drumherum aus. Großartig ist zudem Rolley Mintuma als Aborigine-Elder Mr. Eddie, der Robyn auf einem Stück ihrer Reise begleitet und fast ausschließlich in einem geradezu unverständlichen Dialekt spricht – worüber hinaus die durchweg guten Leistungen Rainer Bocks („Inglourious Basterds“), John Flaus´ („Lilian´s Story“), Emma Booths („Blood Creek“), Jessica Toveys („Adore“), Melanie Zanettis („Battle of the Damned“) und Robert Colebys („the Marine“) die Cast-Reihen ersprießlich abrunden...
Wichtig zu erwähnen sind auch Robyn´s vier Kamele sowie ihr Hund Diggity, welchen der Film jeweils ganz „individuelle Persönlichkeiten“ zugestanden hat: In ihrer Gesellschaft fühlt sie sich am wohlsten – u.a. weil sie sich ihnen gegenüber in keinerlei Weise „verstellen“ muss. Der Zeit im Vorfeld ihres Aufbruchs widmeten Nelson und Curran eine optimal anmutende Gewichtung innerhalb des Geschehens – bevor es dann „hinaus in die Wildnis“ geht: Anfangs noch verstärkt mit Hilfe von Karten und Montagen präsentiert, werden dem Publikum spezielle Ereignisse und Situationen aufgezeigt, welche sie im Rahmen ihrer zu bewältigenden Meilen so erlebt. Gefahren – wie z.B. harsche Wetterverhältnisse, Wassermangel, Desorientierung oder drohende Angriffe aggressiver Tiere – wechseln sich dabei mit anderweitigen Anstrengungen und Komplikationen ebenso ab wie mit diversen ergreifenden und/oder wahrhaft einzigartigen Momenten. Unterlegt seitens eines klangvollen Scores Garth Stevensons („Red Knot“), ist es Cinematographer Mandy Walker („Australia“) gelungen, die Begebenheiten und Landschaften gleichermaßen kompetent wie beeindruckend ins rechte Licht zu rücken – vor allem eine Szene, in welcher der kleine Treck ein strahlend weißes „Meer aus Sand“ durchquert, verbleibt einem unweigerlich im Gedächtnis haften. Die kräftigen, meist aus röt- und bräunlichen Tönen bestehenden Farben der Natur sind einfach fantastisch anzusehen. Robyn´s Haut nimmt übrigens schon bald sehr ähnliche Schattierungen an – ein Resultat der „erbarmungslos“ vom Himmel herab brennenden Sonne sowie Davidson´s Angewohnheit, sporadisch durchaus auch mal splitternackt herumzulaufen...
Unabhängig der Tatsache, dass einem als Zuschauer im Vorhinein ja bereits bekannt ist, dass Robyn ihren Trip erfolgreich vollendet – sie dabei also nicht etwa irgendwann aufgeben muss oder gar ums Leben kommt – entfaltet sich das Werk keineswegs in Gestalt einer „romantisierten“ Abenteuer-Story, sondern lässt sich vorrangig als eine mehrschichtig-existenzielle Selbstfindungs-Geschichte charakterisieren, welcher es (nichtsdestotrotz) weder an Dramatik noch einem rundum zufrieden stellenden Abschluss mangelt. Inhaltlich erfreulich kompakt – und das inklusive der Einbindung der Beziehung zwischen ihr und Rick – ebenso wie auf „gefühlsbetonter Ebene“ absolut manierlich funktionierend, hätte man eventuell höchstens auf ein bis zwei Rückblenden sowie Erinnerungen an einzelne „mit auf den Weg gegebene“ Ratschläge verzichten können. Letztere Punkte sind jedoch nicht mehr als nebensächliche Kleinigkeiten. Zusammengefasst kann man also sagen: Handwerklich prima umgesetzt, toll bebildert und nicht allein nur (allerdings in erster Linie) von Hauptdarstellerin Wasikowska ganz hervorragend gespielt, handelt es sich bei „Tracks“ um einen unterhaltsamen, bewegenden wie auch inspirierenden Film über eine interessante Frau und ihr beherztes Meistern einer beachtlichen Herausforderung. Der Abspann wartet schließlich noch mit einer Auswahl der Originalaufnahmen Smolans auf: Ein schöner Ausklang und zugleich eine feine Veranschaulichung dafür, in welchem Umfang man sich bei der „cineastischen Umsetzung“ um Authentizität bemüht hat...
starke „7 von 10“