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Der Blick des Regisseurs Denis Villeneuve auf sein Heimatland Kanada ist trist. Toronto wird von ihm in gelblich braunes Licht getaucht, selbst der ständige Sonnenschein wirft nur schwache Schatten auf die von Asphaltadern durchzogenen Stadtviertel, gesäumt von Geschäftshäusern, Wolkenkratzern und Wohntürmen, zwischen denen das wenige Grün nicht ins Gewicht fällt. Adam (Jake Gyllenhaal) wohnt in einem dieser gesichtslosen Gebäude, was die Worte seiner Mutter (Isabella Rossellini) auf dem Anrufbeantworter verständlich werden lässt, die mit leicht vorwurfsvoller Stimme fragt, wie er das aushält?

Doch Adam, der an der örtlichen Universität Philosophie lehrt, hat sich den Gegebenheiten längst angepasst. Mit leicht schlurfendem Gang und hängenden Schultern absolviert er sein gleichförmiges Tagespensum, nur unterbrochen von gelegentlichen Besuchen seiner hübschen Freundin Mary (Mélanie Laurant), die nach dem gemeinsamen Sex wieder seine Wohnung verlässt. Als ihm ein Universitäts-Kollege einen Film empfiehlt, reagiert er zuerst uninteressiert, um ihn sich kurz darauf doch in einer Videothek auszuleihen. Statt mit Mary ins Bett zu gehen, sieht er sich den Film allein auf dem Laptop an und macht eine Entdeckung, die sein Leben aus den Fugen werfen soll - im Hintergrund einer Szene erkennt er einen ihm identisch aussehenden Mann, der eine kleine Nebenrolle spielt.

Dass diese im Grunde harmlose Entdeckung eine unvorhersehbare Dynamik entstehen lässt, erklärt sich aus der technokratischen Beschreibung einer Gegenwart, die von geregelten Abläufen bestimmt wird - Job, Beziehung, Wohnung und Freizeit. Die gelbstichige, fast farblos wirkende Bildsprache erinnert in ihrer Ästhetik an Michelangelo Antonioni, der auf diese Weise den zunehmenden Verlust an Emotionalität in der modernen Gesellschaft ausdrücken wollte. Konsequent wendet sich "Enemy" von der im Unterhaltungsfilm üblichen bunten, lebendigen Fassade ab und dokumentiert die darunter verborgene Realität - Monotonie, Sprachlosigkeit und Einsamkeit. Jake Gyllenhaal spielt beeindruckend einen Mann, der trotz seines Universitäts-Jobs und seiner sehr attraktiver Freundin zu keiner echten Emotion mehr fähig zu sein scheint. Die Entdeckung eines identischen Zwillings muss bei ihm Angst auslösen - sie wird zum "Feind" seines geregelten Lebens.

Doch der nach dem Roman von José Saramago entstandene Film belässt es nicht bei psychologischen Betrachtungen, sondern entwickelt daraus einen Thriller, der seine Spannung aus der Kontroverse von äußerer und innerer Realität gewinnt. Zuerst verläuft die Handlung geradlinig - Adam, gleichzeitig fasziniert und erschrocken, forscht nach seinem Klon und entdeckt weitere verwirrende, Parallelen zu seinem eigenen Leben aufweisende Details bis er konkret Kontakt zu Anthony aufnimmt. Gyllenhaal spielt diesen gegensätzlich zum Philosophie-Dozenten als sportlichen dynamisch wirkenden Mann, der mit dem Motorrad unterwegs ist, in einer schicken Wohnung lebt und dessen Frau Helen (Sarah Gadon) schwanger ist, die Adams Freundin vom Typus sehr ähnlich sieht.

"Enemy" beginnt mit dessen Auftauchen die erzählerische Perspektive mehrfach zu wechseln, ohne seinen monotonen, leblos wirkenden Charakter zu verändern. Alles Äußerliche bleibt in "Enemy" unbestimmt, verliert in einem Moment an Wahrheitsgehalt, um im nächsten als scheinbar real bestätigt zu werden. Sind Adam und Anthony tatsächlich zwei bis auf einzelne Narben identische Menschen oder nur der Ausdruck eines gespaltenen Bewusstseins eines Einzelnen? Und wie erklären sich die Traumsequenzen, die trotz ihrer Erotik kalt wirkenden Szenen einer Aufführung vor vielen alten Männern, die damit enden, dass eine Frau mit ihren High-Heels eine Spinne zertreten will?

Die Assoziation zu David Lynch liegt angesichts dieser Szenen nah, zumal dessen frühere Muse Isabella Rossellini hier eine kleine, aber wichtige Nebenrolle einnahm, aber Villeneuve erreicht mit seiner verfremdenden Ästhetik, den offen bleibenden Fragen und der gegen die Sehgewohnheiten gerichteten Erzählform erst eine spannungsgeladene Ebene, die den Betrachter dazu veranlassen kann, sich mit der Gegenwart auseinanderzusetzen und damit mit der Frage, ob Jeder sich selbst sein größter Feind ist? (9/10)

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