kurz angerissen*
erstmals veröffentlicht: 03.05.2014
Den Stimmen, die dem Film einen Ausnahmestatus über Jahre hinweg attestieren, möchte man sich nicht zwangsläufig anschließen; dafür gab es in gleichmäßigen Abständen immer wieder ähnlich funktionierende und ähnlich gute Dramen zu sehen. Natürlich ändert das nichts an der dennoch vorhandenen Qualität von "Prisoners" - seine Vielschichtigkeit setzt sich vor allem in der letzten halben Stunde zusammen, als endgültig feststeht, dass Denis Villeneuve eine verhältnismäßig gerade Linie allenfalls für den Erzählfluss verfolgt, nicht aber für seine Auflösung, deren Bewertung als "positives" oder "negatives" Ende ganz auf die Betrachtungsweise ankommt, nicht nur wegen der offenen letzten Szene.
Vermeintlich unsichtbare Hinweise schon in den ersten Minuten, inszeniert allerdings ohne verräterische Deutung durch die Kamera, lassen den ermittelnden Polizisten ebenso wie den Zuschauer noch zwei Stunden später aus allen Wolken fallen, weil sich aus diesen unscheinbaren Momenten plötzlich ganz neue Erkenntnisse ergeben - und das betrifft nicht nur die Hinweise im Fall, sondern auch die Hinweise auf die Charaktere und deren Eigenarten, die allesamt starken Einfluss aufeinander nehmen, selbst wenn es nicht so aussieht bzw. vom Drehbuch nicht allzu stark beleuchtet wird. Grund für diesen Effekt ist neben der ruhigen, bildstarken Inszenierung vor allem die allerfeinst gesponnene Figurenzeichnung, die ganz hervorragend gelungen ist, auch weil sie von Überdramatisierungseffekten ferngehalten wird. So scheint es ein Leichtes, die stolzen 150 Minuten mit ausschließlich bedeutungsvollen und daher spannenden Inhalten zu füllen.
Das größte Problem des Films ist es wohl, dass er nicht ganz ohne Klischees auskommt, insbesondere in Form hilflos erscheinender Momente, die den Verdacht entstehen lassen, dass eine Entwicklung der Ereignisse auf andere Art nicht herführbar ist oder dass dem Drehbuch dazu schlichtweg die Phantasie fehlt; sei es, dass der Zufall das Auge des Gesetzes im richtigen Moment auf die richtige Stelle lenkt, sei es, dass die Symbolik manches Mal zu offensichtlich über den Realismus siegt (Stichwort: Schlangen). Aber geschenkt, wo doch hier ein Drama entstanden ist, das vermeintlich so wenige Mittel bemühen muss, um so viel Intensität zu erzeugen.
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