Review

Überaus spannender Psychothriller mit grandiosen Darstellerleistungen.

Zwar ist die Kernfrage "wie weit würdest du gehen..." nicht wirklich neu, allerdings gelingt es Nachwuchs-Regiestar Villeneuve Story und Charaktere dermaßen ambivalent zu transportieren bzw. entwickeln, dass man trotz der kranken Tat nicht Gefahr läuft, in blinde Gut-Böse-Malerei zu verfallen und die fast 2 1/2 Stunden Laufzeit kaum Zeit zum Luftholen bekommt.

Villeneuve macht es dem Zuschauer alles andere als leicht, Partei zu ergreifen, sich moralisch entspannt zurück zu lehnen und sich einfach von der spannenden Story unterhalten zu lassen. Wenn man ernsthaft versucht, sich in die Lage der Eltern und hierbei vor allem in die von Keller Dover hinein zu versetzen, kann man nur zu dem Ergebnis kommen, dass seine Person dem größtmöglichen moralischen Konflikt ausgesetzt wird, den man sich vorstellen kann. Man schwankt zwischen Abscheu und Zustimmung, wird hineingerissen in die immer mehr aufkeimende Hoffnungslosigkeit, die auch durch das Fallen lassen jeglicher Menschlichkeit nicht aufgehalten werden kann, sodass die Zweifel an der Schuld den Point of no Return immer näher rücken lassen. Dover wird dabei so sehr in die völlige Ausweglosigkeit seines Handelns gedrängt, dass die Unerträglichkeit der Situation kaum noch gesteigert werden kann.

Die Inszenierung entspricht dem Können des Regisseurs (Polytechnique; Die Frau, die singt) und vermittelt eine düstere und hoffnungslose "skandinavische" Atmosphäre, die durch den unaufdringlichen Score unterstützt wird.

Jackman und Gyllenhaal liefern beide eine perfekte Leistung ab, wobei Jackman zwar das vordergründig intensivere Spiel zeigt, Gyllenhaal aber mit besonderer Mimik vielschichtiger wirkt und mir letztendlich besser gefallen hat. Ganz stark ist auch Newcomer Paul Dano, der inzwischen zu recht hoch gehandelt wird.

Vereinzelte Kritiken, die dem Film Logiklöcher und konstruierte Wendungen vorwerfen, kann ich nur bedingt verstehen. Zum einen möchte ich einen Film sehen, der - oft zugunsten der Spannung - keinerlei Logiklöcher enthält, und zum anderen würde in einem Psychothriller ohne "konstruierte" Wendungen jegliche Überraschungen fehlen und sich das Ganze auf eine Derrick-Folge reduzieren.

Gerade die falsche Fährte in Richtung des psychisch kranken, aber ungefährlichen Taylors und dessen Suizid stellt einen dermaßen intensiven Handlungsstrang dar, dass der Zuschauer hierdurch nicht nur zunächst weiter in die falsche Richtung gelockt wird, sondern ganz nebenbei auch die Tragik vermittelt wird, die die vorschnelle Schuldzuweisung in Richtung eines kranken, aber letztendlich Hilfslosen
auslösen kann.

Perfektes Kino, das man unbedingt gesehen haben sollte.

8,5/10 (Tendenz zu 9)

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