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Die Frage nach der Rechtfertigung von Selbstjustiz dürfte je nach Lebenssituation kaum bis gar nicht zu beantworten sein, auch wenn uns diverse Genreklassiker seit "Ein Mann sieht rot" etwas anderes erzählen wollten. Mit seinem Hollywood-Debüt liefert Regisseur Denis Villeneuve einen bedrückend intensiven Thriller, der in seinem konventionellen Schlussakt leider einige Sympathien verspielt.

Thanksgiving in Pennsylvania: Die Familien Dover und Birch feiern gemeinsam, bis die jeweils jüngsten Töchter spurlos verschwinden. Familienvater Keller Dover (Hugh Jackman) zweifelt an den Fähigkeiten des ermittelnden Inspektor Loki (Jake Gyllenhaal) und nimmt die Gewalt selbst in die Hand, als ein Tatverdächtiger (Paul Dano) aus Mangel an Beweisen wieder frei gelassen wird. Doch mit jedem vergangenen Tag ohne Anhaltspunkt stößt Keller stärker an seine Grenzen...

Die Geschichte packt das Publikum dort, wo es am meisten schmerzt, denn bei der Entführung eines geliebten Menschen können bei jedem Betroffenen die Sicherungen durchbrennen, womit auch unweigerlich Fragen aufkommen, die jeder Zuschauer für sich selbst zu beantworten versucht.
Dabei ist Keller zwar sehr resolut und verbissen, während seine Frau ein wenig klischeebedingt zu Psychopharmaka greift, doch auch wenn Folter lediglich angedeutet wird und ein entstelltes Gesicht Bände spricht, so stellen sich bei Keller auch moralische Zweifel ein, was die Geschehnisse nicht ganz unreflektiert erscheinen lassen.

Es tun sich menschliche Abgründe auf allen Seiten auf, denn es geht um Obsession, Schuld und Unschuld, Hilflosigkeit, Unwissenheit und Verzweiflung, jedoch auch um Eigenverantwortung, da die Erzählung die Sichtweisen der Wahrheitssuchenden in Form des Inspektors und des Familienvaters übernimmt, deren Herangehensweisen entsprechend unterschiedlich ausfallen, zumal Inspektor Loki mit einigen Geheimnissen wie Augenzucken und ominösen Tattoos selbst ein wenig verdächtig daherkommt.

Regisseur Villeneuve versteht es recht gut, eine intensive Atmosphäre zu schüren, da die tristen Umgebungen zwischen strömenden Regen und düsteren Räumlichkeiten von Kameramann Roger Deakins hervorragend eingefangen werden. Ein Blick aus dem Fenster eines Wohnmobils, eine Kamerafahrt über Wellen oder eine halbblinde Hatz auf regennasser Fahrbahn werden durch den elegischen bis fast depressiv anmutenden Score adäquat unterstützt, während die beiden Hauptdarsteller superb performen, wobei Gyllenhaal ein wenig nuancierter agiert als der ebenfalls intensiv spielende Jackman.

So hätte es fast der große Wurf werden können, doch im letzten Drittel verzettelt sich das Drehbuch merklich, es ereignen sich arg konstruierte Begebenheiten und Logiklöcher, auch wenn dem Umfang des Verbrechens eine deutlich makabere Note mitschwingt. Leider weicht die moralische Komponente einem fast schon massenkompatiblem Finale, wenn auch mit nicht ganz eindeutigem Ausgang.

Dennoch heben sich die rund 153 Minuten angenehm vom Einheitsbrei gängiger Rache-Thriller ab, es wird nicht nur Schwarzweißmalerei betrieben, sondern zumindest in Ansätzen versucht, den Zwiespalt von Selbstjustiz zu durchleuchten, während auf inszenatorischer Ebene großes Kino mit tollen darstellerischen Leistungen geboten wird.
Wer sich emotional in die Thematik hineinziehen lässt, dürfte auf jeden Fall einen Streifen erleben, der nicht kalt lässt und zum Nachdenken anregt, - ergo durchaus eine Empfehlung.
7,5 von 10

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