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Unsterbliche Liebe

Man sollte es nicht erst seit seinem allumfassenden und rückblickenden Werk Draculas Braut von 2002 wissen, dass Jean Rollin immer jener Regisseur war, der ein metaphorisches Weltbild voller umfangreicher Deutungen, aber genauso sinnentleerten, bedeutungsschwangeren Träumereien auf das Publikum losließ, dass sich in einem solchem Film fälschlicherweiße in einem klassischen Vampirfilm zu verirren glaubte. Denn Rollin, der vordergründig, den Zahn der Zeit in seinen verträumten, sinnbildlich gestrickten Surrealwelten niederließ, bediente sich zwar der Mystik des Morbiden, die Mystik um Wesen der Nacht, die so in der dekadenten Gesellschaft als schwaches Geschlecht verurteilte Frau, doch brillierte darin aber der zeitgenössische Tenor eines weltkulurellen Friedenswillens, das Zusammenleben ohne den manifestierten Tot in uns, um schweifend von Zwängen, der Verrohtheit mohnotoner Verderbnis in all der Menschheit loszulassen.

Und so ist auch sein Zweitwerk Die nackten Vampire nach Die Vergewaltigung des Vampirs (1968), dass in all seiner Lebendigkeit doppelt die Sehnsüchte, das Loslassen einer emotional niedergeschmetterten Welt in Fesseln zelebrierte, das Werk, in das man sich niederfallen muss und sollte, erarbeitet sich Rollin eine Filmintention, die gegen eine emotionslose und kalte Weltenordnung, die allumfassende und maschinelle Macht pocht.

Rollin zeichnet eine theatralisch, ruhige und kalte Scheinwelt voller absurder Gestalten, die aber, hinter ihrer Maske ein Spiegelbild unser selbst sind. Ein durchaus fantastisches Unterfangen, der vollkommene Sleaze für verirrte, verwirrte und verträumte Seelen, schickt er den Zuschauer, wie auch den Protagonisten Pierre auf eine unwirkliche Reise, denn Pierre, der den Anblick einer Seidentuchumhüllten, nackten Frau auf eine Reise schickt, die er zu folgen beliebt, mag es wohl Liebe auf den ersten Blick sein.

Auf seiner Reise gelangt er in die machtbesessenen Fänge einer  Sekte suchend nach ewigem Leben, denn sein eigener Vater George Radamante hält diese, seine hiesige auserwählte Schönheit in einem vor Schönheit und Opulenz strotzenden Schloss gefangen, in dem Glauben, in ihr ein vampiristisches Wesen zu sehen, dass mit Selbstmordopfern, die Lösung für sein Ziel, sein kompromisslosen und gewinnorientierten Plan verwirklichen lässt, ohne dabei zu merken, wie er das Leben der Lebenden unterdrückt, um dabei die wirkliche Gesinnung des ewigen Lebens aus den Augen zu verlieren.

Sinn und Unsinn, beziehungsweise eine Logik sollte der hingebungsvolle Zuschauer nicht suchen, denn Die nackten Vampire ist durch und durch ein surrealistisches, schwer erklärliches Märchen, dass den Haupttenor, wie auch im Friedhof der toten Seelen (1973) auf die Erlösung, die ewige, friedvolle Freiheit im Jenseits, dem Tode sucht, das widersprüchliche Leben im Jetzt anprangert und nur zu verwirrend, wie das Leben selbst ist.

Zwar mag Einiges an seiner Inszenierung heutzutage nur allzu unfreiwillig komisch wirken, aber das unterstreicht noch mehr dieses unwirkliche Scheinbild, was diesen Film umgibt. Diverse Längen sind dabei allerdings nicht zu verschmerzen, denn ähnlich intensiv wie es sein Vorgänger, auch obwohl des S/w Bildes, fängt der Film seine Ausrichtung nicht ein.

Die Stärken liegen aber zweifelsohne in der Kulisse des Schlosses, in dem wundersame Gestalten umhüllt von Masken und eingefurcht in schmerzend erotisierende Kutten, ihr bizarres Unterfangen zelebrieren. Die Maske, als Schleier, der Schutz vor der Grausamkeit der Realität, die uns zu selten gegenseitig in Händen hält, wären da nicht zwei Gespielinnen des machtgierigen Radamante mit Weltherrschaftszielen, verkörpert von den wunderschönen Zwillingen Catherine Castel (Lips of Blood, Draculas Braut) und Marie-Pierre Castel (Sexuall - Terror der entfesselten Vampire, Requiem for a Vampire), die uns in ihrer Verbundenheit die Treue, die Liebe der untrennbaren Freundschaft vor Augen führen.

Wirkliche Action darf man nicht erwarten, stattdessen gleitet man durch ein Schauspiel, dass man nur zu gerne als dilletantisch ausäussern würde, die Machtwechsel und Schusswechsel passieren unverkennbar mit Platzpatronen, wobei die Morde an sich auch äussert denkwürdig lachhaft präsentiert werden.

In allen Facetten ein Film, der die Masse wirklich nur zu gerne als Schund verschreien dürfte, aber ist dies auch gar nicht das Publikum, sondern vielmehr der verträumte Kenner, der sich daran wohl die Finger lecken dürfte, erlebt er den Traumritt eines verliebten Mannes, sinnend und erwartend nach ewiger und ehrlicher Liebe. Und sollten wir es nicht wissen:

- Es gibt keine Vampire, es gibt nur Menschen -,

um mal den Schlusstenor mit all seiner propagandartigen Ausrichtung zu zitieren, prangert nicht umsonst im Hause der Erlösung, der Eintritt in diese bessere Welt ohne Krieg, Macht und Geld, ein Anarchistenzeichen an der Wand.

Fazit:
Ein typischer, bizarrer, absurder und erotisch angehauchter "Vampir"film mit allerlei Deutungsmöglichkeiten, verträumten, vor Spielereien und Ideen strotzenden Kulissen, Kostümen und Charakteren und einer Ausrichtung die Zeittypischer nicht sein könnte. Für die Masse ein schundiges, verwirrendes und nichtssagendes Stück Film, für den Kenner, den Sleazefan, ein reinster Traum.

73%

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