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„In der Zeitung stand, 100 Familien gehen jährlich verloren und werden nie wieder gesehen!“

US-Regisseur Tucker Johnstons einziger Film ist der 1990 erschienene Backwood-Terror-Beitrag „Mad Jake“, bei dem es sich entweder um ein dreistes Tobe-Hooper-Rip-Off oder aber um eine Hommage an denselben handelt. Als ausführender Produzent trat kurioserweise der Box-Weltmeister Evander Holyfield in Erscheinung, der auch eine kleine Nebenrolle bekleidet.

„Abschleppen ist mein Geschäft!“

Die querschnittsgelähmte April (Lori Birdsong, „High Desert Kill“) befindet sich mit ihren Eltern (Laura Whyte, „Nacht des Terrors - Mord in New York City“ und John Saxon, „Tenebrae“) und ihrem kleinen Bruder (Andy Greenway, „Kevins Cousin allein im Supermarkt“) auf der Rückfahrt von einem Schönheitswettbewerb, als sich auf einer Landstraße ein Reifen des Wohnmobils löst. Kfz-Schrauber und Schrotthändler Jake (Danny Nelson, „Mutant II“) eilt ihnen zur Hilfe und schleppt das Gefährt auf sein Grundstück ab, wo er vorgibt, es reparieren zu wollen. Eigentlich verfolgt er jedoch ganz andere Pläne: Zusammen mit seinen Söhnen Hiram (Christian Hesler) und dem zurückgebliebenen Roy (Ralph Pruitt Vaughan, „Leader of the Band“) betreibt der fromme Jake einen Organhandel, um ähnlich frommen, jedoch vom Schicksal durch Krankheit gebeutelten Mitmenschen zu helfen. An die Körperteile gerät er dadurch, dass Hiram mit seinem mit Spikes besetzten Auto Durchreisende regelmäßig von der Straße abdrängt. Seit Jake durch die Misswahl von April erfuhr, ist er besessen von der Idee, ihre motorischen Fähigkeiten wiederherzustellen…

„So ein Irrenhaus!“

Eine verhallte Industrial-Klangkulisse und Bilder einer Maschine, die abgelöst werden von Hirams Spike-Gefährt, das ein Auto rammt, während jemand aus dem Off über Leben und Gerechtigkeit sinniert und Bibelverse zitiert, bilden den Prolog Johnstons Films, der dem Zuschauer daraufhin April und ihre Familie im Rahmen der ländlichen Misswahl in Stonewall County Peach vorstellt. Bereits dort sollte Hiram April entführen, doch ein Polizist funkte störend dazwischen. Also „vergnügt“ sich Hiram zunächst einmal beim Kirmesboxen, das er schnell gegen Evander Holyfield verliert, der damit auch seinen Auftritt hatte. Statt April gewinnt eine Tina (Suzanne Ventulett, „Alabama - Saat des Hasses“) die Wahl und mehr oder weniger enttäuscht begibt man sich auf die Heimfahrt, auf der es zur verhängnisvollen Panne kommt.

Auch fortan hangelt sich „Made Jake“ an zahlreichen Subgenre-Klischees entlang: Natürlich werden fleißig Zeitungsauschnitte gesammelt, das Abfangen Durchreisender, um sie wie Vieh (bzw. Pflanzen) respektive menschliche Ersatzteillager zu halten, kennt man beispielsweise ebenso aus „Hotel zur Hölle“ wie die Bibelfestigkeit, das Bruderpaar scheint „Muttertag“ entsprungen, der mit den Missetätern unter einer Decke steckende Polizist sowie die frauenlose degenerierte Familie gehen auf Hoopers „The Texas Chainsaw Massacre“-Konto und dass sich Jake & Co. einen lebenden Alligator halten, ist offensichtlich Hoopers „Blutrausch“ geschuldet.

So wird ein Familienmitglied Aprils nach dem anderen geschnappt, bis sich nur noch April mit einem Gewehr im Wohnmobil verschanzt, doch schließlich auch sie unterliegt. Eine der stärksten Szenen des Films ist die Präsentation der betäubten Menschen, die sich Jake als Organfarm hält. Als ginge es um alltägliche Handelswaren, unterhält er sich mit seinem Stammkunden Mr. Stone (Ray Walston, „Planet des Schreckens“), während er sich nebenbei um April kümmert und ihr ein Serum spritzt. Eine Vergewaltigung Aprils kann gerade noch abgewendet werden und [Achtung, Spoiler!] überraschenderweise kann sie am Ende tatsächlich wieder laufen, erweist sich jedoch als überaus undankbar… Der dramaturgische Weg zu diesem Quatsch ist – ob im Rollstuhl oder ohne – leider etwas arg langatmig geraten und auch in Sachen Blut und Verderben gibt sich „Mad Jake“ bis auf eine unappetitlich angedeutete OP-Szene wenig explizit. Dafür ist der langgezogene Showdown ganz in Ordnung und bietet die eine oder andere gelungene Überraschung.

Trotz seiner Kreuzung altbekannter Backwood-Terror-Motive mit klassischer Frankenstein-Thematik verkommt Johnstons Film zu einer sogar leicht unterdurchschnittlichen, leidlich schwarzhumorigen End-‘80er-Ansammlung von Genre-Klischees, die allesamt bereits wesentlich zielführender, spannender und spektakulärer verhandelt wurden. An den Schauspielern liegt es dabei gar nicht unbedingt, wenn Johnston mit einem John Saxon auch offenbar nur wenig anzufangen weiß und Lori Birdsong von einem charismatischen Final Girl weit entfernt scheint. Pointierte Orchesterklänge erinnern angenehm an die alte Schule, weitere Akzente kann aber auch die musikalische Untermalung nicht setzen. Somit bleibt ein wenig erinnerungswürdiger Subgenre-Beitrag, der vor allem mangels eigener Ideen auf der Strecke bleibt und auch seine Hommagen-Karte nur unzureichend ausspielen kann. Mehr als 4,5 von 10 „Amen“ entlockt man mir damit nicht.

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