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„Du bist wieder Single – das ist toll!“

Das Regiedebüt des Kanadiers Cody Calahan lautet „Antisocial“, ein (Science-Fiction-)Horrorfilm aus dem Jahre 2013, der Motive aus Filmen wie „Night of the Living Dead“, „Videodrome“ oder auch „Pontypool“ zu einem soziale-Netzwerke-kritischen Gebräu zusammenmischt:

Fünf Freunde (ohne Timmy, den Hund) wollen anlässlich des Jahreswechsels zusammen eine Hausparty feiern. Doch was sie noch nicht wissen: Draußen ist eine Epidemie ausgebrochen. Als diese immer näher kommt, verbarrikadieren sie sich im Haus und informieren sich per Smartphones, Laptops und TV. Mit der Zeit stellt sich heraus, dass es sich um ein Virus zu handeln scheint, das sich über das soziale Internet-Netzwerk „Redroom“ verbreitet und dessen Anwender in zombieähnliche Wesen verwandelt…

„Wie bleibst du mit den Leuten in Kontakt?“ – „Ich treff' sie persönlich.“

Auf einen Prolog in Webcam-Optik, in dem eine junge Frau ihre Freundin umbringt, folgt eine Trennung per Chat: Sams (Michelle Mylett, „The Drownsman“) Freund macht mit ihr unsensiblerweise per „Redroom“ Schluss. Damit wäre die „Generation Web“ bereits hinlänglich charakterisiert und kritisiert, die anschließenden Bilder der Party werden erst beschleunigt, dann wieder abgebremst und mit Technomusik unterlegt. Im Hintergrund thematisiert eine TV-Sendung Cyber-Mobbing-Todesfälle, während plötzlich ein Einbrecher einzudringen versucht und von Steve (Romaine Waite, „Scratch“) vom Balkon gestoßen wird. Überraschenderweise überlebt er den Sturz, doch bei der Polizei meldet sich nur der Anrufbeantworter. Von draußen dringen selbst für Silvesterabende Geräuschkulissen von Schüssen und Tumulten in besorgniserregender Frequenz zu den Jugendlichen durch und als der vermeintlich Tote erneut angreift, verbarrikadiert man sich. Noch geht man von biologischen Anschlägen in den USA aus, bis etwas aus dem Telefon mit unbekannter Nummer Steve beißt. Der schwangeren Sam gelingt es, mit Tara (Laurel Brandes), der Überlebenden aus dem Prolog-Video, per Videochat Kontakt aufzunehmen, kurz darauf erleiden ihre Freunde Halluzinationen. Steve verliert den Verstand und greift an, wird in der Konsequenz von Mark (Cody Ray Thompson, „Die Bären sind los“) totgeschlagen. Eine andere wird mit einer Lichterkette erhängt, mit der sie vorher gefesselt wurde, Mark fängt sich das Virus am Laptop-Display ein und sticht sich das Auge aus, sein Kumpel beobachtet den Selbstmord eines Freundes und tut es ihm gleich – und so weiter und so fort…

„Ich mach' keine Gehirnchirurgie mit Haushaltsgeräten!“

Dieses zunächst an den Belagerungszustand aus „Night of the Living Dead“ erinnernde klaustrophobische Kammerspiel dezimiert in Möchtegern-„Videodrome“-Manier also einen nach dem anderen, doch was unter Cronenberg die gute alte Videokassette war, ist hier das soziale Netzwerk „Redroom“, das natürlich für „Facebook“ steht. Über dieses wird das Virus übertragen, als reichlich trashige Erklärung muss ein neues „Unterbewusstseinsprogramm“ des Netzwerks herhalten. Dass man über die Geschehnisse draußen fast ausschließlich über Nachrichten informiert wird und sie selbst nicht wirklich zu sehen bekommt, erinnert ebenfalls an diverse Vorbilder, u.a. den eingangs erwähnten „Pontypool“, dessen Virus sich ebenfalls über extrem ungewöhnliche Wege verbreitete. Pompöses Weltuntergangskino ist „Antisocial“ nicht und das ist auch gut so – dumm nur, dass quasi sämtliche filmischen Inspirationsquellen wesentlich gehaltvoller sind als diese schlechte, bemüht originelle Kopie: „Antisocial“ punktet zwar mit einem schön dreckigen Erscheinungsbild und ein paar bizarren Ideen wie der Übertragung von Webvideos aus Leichen heraus, wird jedoch mit der Zeit immer absurder und nimmt sich gleichzeitig offenbar bitter selbst. So ist plötzlich von Tumoren die Rede, als ein Video einer Rettungs-OP auftaucht, auf das hin sich Mark und Sam gegenseitig operieren wollen. Mark hört Stimmen, die das zu verhindern versuchen und wird schließlich erschlagen, so dass sich Sam am Schluss doch tatsächlich selbst die Stirn aufbohrt. Ich habe selten einen solch ausgemachten Schwachsinn gesehen, von der völlig sinnlosen Schlusspointe ganz zu schweigen…

Damit ist „Antisocial“ leider nicht viel mehr als ein lächerlicher Versuch der „Facebook“-Kritik, der angesichts seiner völligen Absurdität gnadenlos verpufft. Übrig bleibt ein sich viel zu ernst nehmender, trashiger Low-Budget-Horrorstreifen, der trotz seines Hantierens mit moderner Kommunikationstechnologie nicht verhehlen kann, lediglich mehr oder weniger Bekanntes neu zusammenzusetzen, ohne jemals die Intensität seiner Vorbilder zu erreichen. Die mitunter nett und effektiv umgesetzten Spezialeffekte allein lohnen das Ansehen jedenfalls nicht, die unbekannten, unauffällig bis passabel agierenden Schauspieler ebenso wenig. Keine gute Idee war es auch, mit Jed (Adam Christie) und Chad (Ry Barrett, „The Demolisher“) zwei Rollennamen zu vergeben, die zumindest in der deutschen Synchronisation so verdammt ähnlich klingen, dass sie kaum auseinanderzuhalten sind. Fazit: Mark Zuckerberg würde sich einen Ast lachen, sollte er überhaupt jemals von diesem Filmchen Notiz nehmen. Doch genug nun, bevor ich mir durch meine Textverarbeitung noch irgendetwas einfange, und sei es nur eine Sehnenscheidenentzündung…

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