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Dan kehrt von einer Geschäftsreise zurück und findet seine Wohnung verlassen vor - seine Frau Edwige ist spurlos verschwunden. Die Polizei kann oder will nicht helfen, also begibt sich Dan selbst auf die Suche nach ihr und wird dabei immer tiefer in einen Abgrund aus Wahn und Obsession hineingezogen.
Der Zuschauer, der sich von diesem wirren Spiel aus Bildern, Farben und sehr viel Symbolik mitreißen lässt, kommt dabei vielleicht nicht der Wahrheit nach dem Verbleib Edwige's auf den Grund, doch ist diese wilde, psychedelische Hommage an den klassischen Giallo der Marke Argento zumindest eine mehr als ungewöhnliche cineastische Erfahrung.

Der Ort der Handlung, eine alte, üppig dekorierte Jugendstilvilla, die merkwürdig aus der Zeit gerissen scheint, spiegelt dabei perfekt den filmischen Verlauf wieder: so haltlos wuchernd wie die verschnörkelten Fresken und Verzierungen des Hauses wuchern auch die Bilder, bis an die Grenzen des Erträglichen und - leider - manchmal auch des guten Stils. Denn wo ein Argento mit barocken Gemäuern und Technicolor-gesättigten Bildern immer noch sehr stilsicher Momente zwischen Traum und Psychose inszenieren konnte, wirkt dieser Film bisweilen wie ein wirr zusammengemischter, überkochender Eintopf aus all den Elementen, die den Giallo seinerzeit neben Blut und nackter Haut (welche auch in ausreichendem Masse vertreten sind) ausmachten: psychedelische Effekte, surreale Architektur, experimentelle Kameraführung und sehr viel Jung & Freud. Das ermüdet auf die Dauer etwas; obwohl jede Einstellung vor Bedeutung und Symbolik geradezu zu zerspringen scheint, kommt man schnell dahinter, daß viel davon nur Fassade ist, so wie die vielen falschen Wände in dem Haus. Das nimmt dem Film stellenweise die Leichtigkeit, er wirkt unnötig überfrachtet, bemüht avantgardistisch und trotz psychedelischer Bildexzesse fast schon akademisch und steif. Das ist schade, denn die, besser gesagt: eine Grundidee des Filmes, sofern man sie denn unter den vielen Schichten von erotisch-morbiden Halluzinationen erkennen kann, ist durchaus interessant, wenn auch nicht unbedingt neu:
Der Blick des Mannes, der die Frau zum Bildnis macht, zum ewig jungen Objekt von Lust und (ödipalen) Fantasien und, was schon Magritte auf die Leinwand bannte, sie dadurch letztlich ermordet.
Szenen a la Magritte, aber auch Bunuel finden sich eine Menge, und natürlich jede Menge Anspielungen auf die "alten Meister" des Giallo. Allein der Name der verschwundenen Frau dürfte jedem Genre-Freund ein Begriff sein. Doch auch Anklänge an neuere Filme wie "Delicatessen" und "Stadt der Verlorenen Kinder" finden sich hier.

Unterm Strich sei gesagt: Langweilig fand ich den Film zu keiner Zeit und ich habe mich auf recht hohem Niveau gut unterhalten gefühlt - auch so mancher der klassischen Giallos verlangte einem einiges an Geduld und etwas guten Willen ab. Der score und das sound design sind perfekt, ebenso die Kulissen. Allerdings sollte man die richtige Stimmung, sowie ein gehöriges Maß an Geduld mitbringen - hier wird einem nichts auf dem Silbertablett serviert.
Ein ungewöhnlicher, sehr vielschichtiger, bisweilen vielleicht überladener Film, der aber neugierig macht, was Hélène Cattet und Bruno Forzani noch so aus dem Hut zaubern werden. Und ich fürchte, ich werde ihn mir ein zweites Mal anschauen.

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