Review

Die Werke von Bruno Forzani und Hélène Cattet sind schon so ein Fall für sich. AMER, der das Thema Giallo auf einer Art Metaebene reflektierte, hatte die Fangemeinde bereits tief gespalten. Mit THE STRANGE COLOUR…, dem Folgefilm der beiden Franzosen, wird man auch seine Schwierigkeiten haben, doch vielleicht nicht gar so arg. STRANGE COLOUR… verfügt nämlich im Gegensatz zu AMER über eine klar strukturierte, erkennbare Handlung (zumindest zu Beginn!): Als Geschäftsmann Dan von einer Dienstreise in seine Pariser Wohnung zurückkehrt, ist seine Frau Edwige verschwunden. Da ihm die Polizei nicht helfen kann, beginnt er zu recherchieren und lüftet verstörende Geheimnisse des Wohngebäudes und seiner Mieter…

Zu Beginn möchte ich vorweg nehmen: Mit AMER konnte ich nichts anfangen. STRANGE COLOUR hat mir sehr gut gefallen. Ich räume jedoch ein, dass man für den Film in Stimmung sein und eine gewisse Geduld mitbringen muss. Wie AMER ist auch STRANGE COLOUR visuell eine Bombe. Mehr noch: der Stil wurde in diesem zweiten Versuch quasi perfektioniert. Ultraclose-ups von Pupillen und Nippeln. Ein zerhacktes Einzelbilder-Stakkato. Die Bilder purzeln durcheinander, als würde man durch ein Kaleidoskop blicken. Dazu noch die nobel gestalteten Kulissen im Jugendstil. STRANGE COLOUR ist ein Fest für die Sinne. Ein orgiastischer, sinnlicher Rausch. Thematisierte AMER die weiblichen Obsessionen (anscheinend?), sind dieses Mal die männlichen dran. So werden Nippel mit Messern gestreichelt. Eine Platzwunde am Kopf in Form einer Vagina. Knirschendes Leder. Der Film bietet ein Potpourri an weiblicher Nacktheit und schweinischen Andeutungen. Die zu Beginn noch nachvollziehbare Story verliert sich in ihren eigenen Ausschweifungen und Nebenhandlungsschauplätzen. So driftet z.B. ein Ermittler beim Verhör ab, was dem Zuschauer eine Rückblende zu einem komplett anderen Fall beschert, der mit der eigentlichen Handlung nichts zu tun hat. In einer Nachbarwohnung bohrt ein älterer Herr angelockt von Sirenengesang und Lustgeschrei ein Loch in die Decke. Nach einem tieferen Sinn sollte man nicht unbedingt suchen, sondern sich am besten einfach der betörenden Bilderflut ergeben. Dabei haftet dem Streifen stets eine gewisse französische Hochnäsigkeit, aber auch Verruchtheit an. Allein schon wie Hauptcharakter Dan den Vornamen seiner Gattin Edwig ausspricht, nämlich „Ädwiiiiesch“, kommt schon einer sexuellen Belästigung gleich. Darüber, dass dieser Name eine klare Anspielung auf Giallo-Queen Edwige Fenech ist, muss wohl nicht weiter diskutiert werden. Des Weiteren wird wie in DEEP RED eine Wand eingeschlagen und wie in PHENOMENA krabbeln Maden. Kenner dürften noch mehrere Anspielungen auf Klassiker des italienischen Frauenmörder-Genres entdecken.

Erotik: (+)(+)(+)(-)(-)
Gewalt: (+)(+)(-)(-)(-)
Story: (+)(-)(-)(-)(-)
Optik: (+)(+)(+)(+)(+)

Fazit:
Sinnlich. Orgiastisch. Betörend. Verstörend. Und definitiv besser als AMER.

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