Nein, zufrieden konnte Hugh Jackman mit dem ersten eigenständigen Wolverine-Film sicher nicht sein. Von der vollmundig angekündigten Auslotung sämtlicher Charakter(un)tiefen des Krallenmannes war im fertigen Werk herzlich wenig zu sehen und schon rein gar nichts zu spüren. Stattdessen wurde der erwartungsfrohe Comicfan mit einem in jeder Hinsicht halbgaren Blockbuster von der Stange abgespeist, der vor allem mit heillos überdrehten Actionszenen die vergleichsweise ernsthaft angelegte „X-Men"-Reihe um die wenig passende Facette einer lärmigen Jahrmarktsattraktion „bereicherte".
Aber aus Fehlern kann man ja bekanntlich lernen. Für den zweiten Versuch („Wolverine - Weg des Kriegers") hatte man sich eine Action-Entschlackungskur, einen ruhigeren Erzählfluss und vor allem eine deutliche Konzentration auf den Titelhelden verordnet. Leider wurde die an sich adäquate Medizin nicht in den richtigen Dosen verabreicht bzw. schlampig eingenommen, denn der prominente Mutanten-Patient schwächelt nach wie vor.
Auf der Packungsbeilage liest sich das alles noch ganz vielversprechend. Nach dem Tod seiner geliebten Jean verschlägt es den in der kanadischen Einöde herum stapfenden Logan (alias Wolverine) unerwartet nach Japan. Ein alter Freund - der inzwischen zum Wirtschaftsmagnaten aufgestiegene Shingen Yashida - bietet ihm als Dank für die Lebensrettung die Aussicht auf Sterblichkeit, für den mit seinem Schicksal hadernden Logan ein durchaus verlockendes Angebot. Auch in der Liebe gibt es neue Hoffnung. Die Enkelin Yashidas (Tao Akamoto) ist nicht nur in Samurai-Techniken geschult, sondern versteht es auch das erkaltete Herz Wolverines zu erwärmen. Leider erweisen sich beide Wohltaten bald als doppelte Achillesferse, findet sich doch Logan unvermittelt im Zentrum eines unübersichtlichen und blutigen Bandenkriegs, bei dem weder eine neue Herzensdame, noch ein ungewohnt verletzbarer Körper sonderlich hilfreich sind ...
Leider werden die im Zusammenhang mit Wolverine durchaus interessanten Themen wie Unsterblichkeit, Verwundbarkeit und Emotionalität letztendlich nur angerissen. Logan bleibt im Kern der von unbändiger Wut getriebene Kraftmensch, dessen Gutherzigkeit von seinem mürrischen Auftreten weitestgehend verdeckt wird. Man kennt das bereits zur Genüge aus den vier Vorgängerfilmen sowie dem „Avengers"-Cameo. Ob Darren Aronofsky mehr aus dem inhaltlich reizvollen Ansatz herausgeholt hätte, ist reine Spekulation. Der kurzfristig eingesprungene James Mangold kratzt jedenfalls lediglich an der Oberfläche, das hat er im Polizeithriller „Copland" und der Johnny Cash-Biographie „Walk the Line" deutlich differenzierter und spannender hinbekommen.
Oberflächlich ist auch der Umgang mit Setting und Atmosphäre. Der immerhin fast die ganze Handlung bestimmende Schauplatz Japan verkommt zur bloßen exotischen Bebilderung der relativ simplen Geschichte. Schön abgefilmt zwar, aber ohne erkennbares Bemühen die Eigenarten der japanischen Kultur und Lebensweise als Handlungstopos ernst zu nehmen, oder gar gewinnbringend zu integrieren. Zu diesem Eindruck passt der Umstand, dass man lediglich einen Monat an Orginalschauplätzen drehte, der Rest entstand im relativ gesichtslosen Sidney.
Wenn nicht gesichtslos, so doch zumindest schablonenhaft sind auch sämtliche Nebenfiguren. Während Tao Okamoto (Mariko) nicht viel mehr zu tun hat, als Hugh Jackman (Logan)anzuschmachten, ist Rila Fukushima (Yukio) auf den in heutigen Actionfilmen ermüdend häufig auftauchenden Sidekick der humorlosen Kampfamazone beschränkt. Bei den Bad Guys sieht es nicht besser aus. Will Yun Lee darf als Ninja-Boss Harada nur böse dreinblicken und Logan hinterher jagen. Svetlana Khodchenkova gibt zwar überzeugend den männermordenden Vamp „Viper", wird aber vom Drehbuch völlig im Stich gelassen, das der Figur weder plausible Motive noch irgendeine relevante Daseinsberechtigung zugesteht.
Bei so viel Konfektionsware bleibt nur noch die Hoffnung auf die bei Comicverfilmungen nicht ganz unwichtige Ausrichtung und Machart der Actionsequenzen. Zumindest sind sie diesmal etwas bodenständiger, übersichtlicher und auch abwechslungsreicher inszeniert als beim direkten Vorläufer. Auch dass man auf ein sämtliche Gesetze der Physik, Logik und optischen Nachvollziehbarkeit ignorierendes Finale verzichtet hat, tut dem insgesamt erfreulich ruhiger angelegten Film ganz gut.
Zufrieden kann Hugh Jackman aber wieder nicht sein. Zu schwer wiegen die inhaltlichen und dramaturgischen Schwächen. Der ultimative Wolverine-Film, der dem zweifellos interessantesten Charakter des X-Men-Universums narrativ und vor allem psychologisch gerecht wird, steht nach wie vor aus. Allzu viele Fehler sollten sich Studio und Hauptdarsteller allerdings nicht mehr leisten, sonst will einen wirklich gelungenen Film auch keiner mehr sehen. Da helfen dann weder ausgefahrene Krallen, noch unbändige Wut.