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Am Box Office war „X-Men Origins: Wolverine“ anno 2009 gar nicht mal so unerfolgreich, aber nach erbosten Reaktionen von Fans und Kritikern setzte man beim nächsten Film um den charismatischen Einzelgänger nicht an dessen Ende an, sondern versuchte wieder andere Wege zu gehen.
Sonderlich originell ist „The Wolverine“ alias „Wolverine: Weg des Kriegers“ dann aber doch nicht geworden. James Logan alias Wolverine (Hugh Jackman) stapft quasi in den Urzustand zurückversetzt durch die Lande, gepeinigt vom Tode Jean Greys (Famke Janssen) durch seine Hand, die ihm immer wieder in Visionen erscheint. Mit Rübezahlbart und dreckigen Klamotten lebt er in der Wildnis, legt sich höchstens noch mit unsportlichen Jägern an, wo Yukio (Rila Fukushima), die Adoptivenkelin des japanischen Großindustriellen Yashida (Hal Yamanouchi), ihn aufspürt. Tatsächlich ist der Start gar nicht so schlecht, die Szene um einen sterbenden Bären und die Jäger offenbart den Kampfgeist und die gepeinigte Seele Logans, welcher der Gewalt abgeschworen hat, obwohl sie so sehr in seinem Wesen liegt.
Wie in der Eingangssequenz zu sehen war, rettete Logan Yashida dereinst beim Atombombenabwurf über Nagasaki das Leben. Der sterbende Yashida will sich angeblich nur von Logan verabschieden, rückt nach dessen Ankunft jedoch bald mit der Wahrheit heraus: Er bietet Logan an, dass er ihn sterblich machen könne und seine Heilkräfte via moderner Technik auf jemand anderen übertragen könne – nämlich sich selbst. Logan lehnt ab, Yashida stirbt noch in der Nacht, aber ein böses Erwachen in der Nacht weist den Zuschauer bereits überdeutlich darauf hin, dass man Wolverine seine Regenerationskräfte dennoch genommen hat.

Logan merkt dies freilich erst, als die Beerdigung Yashidas von Yakuzas angegriffen wird, die dessen leibliche Enkelin Mariko (Tao Okamoto) in ihre Gewalt bringen wollen. Erneut muss Wolverine in den Kampf ziehen, um seine Kräfte wieder zu erlangen, die Schuldigen zu finden und Mariko vor den Verfolgern zu bewahren…
Tatsächlich beginnt „The Wolverine“ gar nicht so schlecht, ist er doch de facto ein Film über eine interessante, verhältnismäßig ruppige Hauptfigur. Beim Angriff der Yakuza verhält sich Wolverine auch nicht wie andere zahme Superhelden, die Verbrecher K.O. schlagen und dann der Polizei überlassen, sondern er fährt die Krallen im wahrsten Sinne des Wortes aus. Diese ausladende Actionsequenz überzeugt vollends, durchwachsener gibt sich bereits die daran anschließende Kampfszene in und auf einem fahrenden Schnellzug. Später gibt es noch einen kurzen Fight Wolverines gegen einen menschlichen Gegner in Samurai-Rüstung, die dank stylischer Choreographie punktet, ehe das Finale vollends zusammenbricht: Die Kampfszene in einem eingeschneiten Dorf lässt nicht nur einen Shot aus dem Trailer missen (Motorräder auf den Dächern), sondern besteht eigentlich nur daraus, dass mit Seilen behangene Pfeile auf Wolverine abgeschossen werden. Regelrecht enttäuschend ist dann der eigentliche Showdown, in dem sich mal wieder verschiedene, oft computeranimierten Superwesen und Menschen in einem Labor kloppen, die Kontrahenten natürlich immer wieder irgendwelche Stege herunterfallen müssen, natürlich andauernd wieder aufstehen und dessen Choreographie leider auch reichlich belanglos ist, sodass dies eher ermüdet denn Laune macht.
Doch nicht nur unter Actiongesichtspunkten, sondern auch in nahezu jeder anderen Hinsicht stimmt in „The Wolverine“ nach der Exposition fast gar nichts mehr. Das Japan-Setting ist eigentlich bloß exotische Hintergrundkulisse, viel Verständnis für oder andere Interesse an der Kultur zeigt der Film von James Mangold nicht, während die Hauptfigur kaum über die Jean-Grey-Flashbacks hinaus charakterisiert wird. Warum Wolverine nun wieder zum Helden wird, das begründet der Film nur schwach, warum sich Logan und Mariko urplötzlich ineinander verlieben, das kann er gar nicht vernünftig erläutern. Alle Nebenfiguren bleiben grob gezeichnete Stereotype, vom schrillen Kampf-Sidekick Yukio über die verschiedenen Mitglieder des Yashida-Clans, deren Gesinnung man meist nach drei Sekunden Screentime errät. Vollkommen übernimmt der Film sich mit der Figur von Viper (Svetlana Khodchenkova), die als mächtige, geheimnisvolle Mutantin mit eigener Agenda eingeführt wird, ehe das Finale dann enthüllt, dass sie de facto doch nur die Handlangerin des wahren Oberschurken ist, dessen Identität eh jeder bereits nach der Exposition erraten haben dürfte.

So stolpert „The Wolverine“ ungelenk durch seinen Mainplot, dessen Logiklücken auch von der gelackten Optik und der schicken Fotographie des Films nicht überdeckt werden können: In der Schilderung der Funktionsweise der Energie-Absauger lassen sich Unstimmigkeiten erkennen, das Verhalten diverser Figuren ist nach Ausspielen aller Plottwists nur noch begrenzt nachvollziehbar und auch sonst stellt man zum Vielem hier besser keine Fragen. Nebenbei scheitert „The Wolverine“ in der zweiten Hälfte auch noch am Aufbau eines Spannungsbogens, hetzt der Film stattdessen uninspiriert von Actionszene zu achso überraschendem Plottwist, den jeder Zuschauer mit einiger Seherfahrung eh schon meilenweit im Voraus erahnt.
Hugh Jackman sieht man mal wieder in seiner Paraderolle, immer noch charismatisch und muskulös, auch mit fortschreitendem Alter, aber wie immer ziemlich überzeugend – man würde ihm einen besseren Film wünschen. Daneben fällt der Supportcast radikal ab, da die Darsteller eh meist nur Japan-Klischees in akzentbetontem Englisch runterbeten dürfen, das man teilweise authentisch, stellenweise aber auch klischeehaft und überzogen finden kann. Auch Famke Janssens Performance ist bestenfalls überdurchschnittlich und Svetlana Khodchenkova hat eine dermaßen eindimensionale Rolle, dass sie gar nichts daraus machen könnte, wenn sie wollte.

So erweist sich nach zwei Stunden hübsch aussehenden, aber auch reichlich schlecht geschriebenen Comic-Krawalls „The Wolverine“ als dem vielgehassten „X-Men Origins: Wolverine“ unterlegen. Mag die Exposition einen noch Besseres hoffen lassen, so leidet der Film bald unter holzschnittartigen Figuren, einer uninspiriert zusammengeschreibselten Handlung und zum Ende hin merklich nachlassender Action. Hugh Jackman und ein paar gelungene Kampfszenen sammeln noch ein paar Pluspunkte, aber das durch die in der Endcredit-Sequenz stattfindenden Auftritte von Professor X und Magneto angedeutete Sequel muss schon wesentlich mehr aus der Vorlage machen als James Mangolds enttäuschende Comicverfilmung.

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