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Staffel 1

Nur eine weitere Copserie? Tatorte, Spurensuche, Serienkiller? Kein Themenkomplex wurde wohl öfter Gegenstand einer Serie, der Polizistenalltag ist die Königsdisziplin des TV-Formats und somit für Innovationen kaum mehr empfänglich. Was zum Teufel veranlasste HBO also dazu, ein Projekt namens „True Detective“ in Auftrag zu geben?
Es ist wie so oft nicht das „Was“, sondern das „Wie“, das die Faszination auslöst und den Qualitätsstandard für Serien unfassbarerweise nochmals anhebt. Überhaupt ist das 8-teilige Episodenstrickwerk aufgrund seiner feingesponnenen, vollständig durchdachten Struktur eher eine bessere Art von Film geworden. Die Dramaturgie funktioniert nicht etwa episoden- sondern staffelweise – aus ebensolchen Gründen etwa wird die Handlung in den ersten sechs Folgen über Flashbacks erzählt, um in den letzten beiden Folgen in einen finalen Klimax überzugehen, der zusammengenommen einem zweistündigen Filmfinal-Spannungshighlight samt kathartischer Reflektion im Ausgang entspricht.

Der dünne Boden der Haupthandlung wird vielmehr von Dialogen bestimmt, die dank Matthew McConaugheys hochkomplexer Figur existenzialistische Diskurse erreichen, was natürlich auch dem Darsteller zugute kommt: Obwohl äußerlich eher unspektakulär in seiner Erscheinung (sieht man mal von seiner Gegenwarts-Darstellung als langhaariger, ausgemergelter Trinker ab), gelingt McConaughey eine weitere hochklassige Leistung in einer an Highlights ohnehin schon nicht armen zweiten Karrierephase. Seine Gedanken, derweil sie niemals ungefragt veräußert werden und daher auch nicht aufdringlich erscheinen, machen in ihrer Relevanz beim eigentlichen Fall nicht halt – sie sind derart universell formuliert, dass sie sich meist auch auf das Leben als solches anwenden lassen, wodurch natürlich auch die gesamte Serie bei weitem zu mehr wird als einer einfachen Ermittlerserie, oder, in Genres gesprochen, einem gewöhnlichen Thriller.

Woody Harrelson hat wohl angesichts dessen die etwas undankbarere Rolle, ist aber tatsächlich ebenso gut oder gar noch besser als McConaughey, insofern er einen Mann spielen muss, der das darstellen soll, was man gesellschaftlich als „normal“ empfindet – einen Familienvater mit „normalen“ Bedürfnissen und einem „normalen“ Leben. Dass sich aber gerade bei solchen Menschen Abgründe hinter feinen Rissen abzeichnen, nutzt Harrelson in jeder sich ihm bietenden Gelegenheit, um feinste nuancierte Schauspielkunst unter Beweis zu stellen. Der übrige Cast, jede Darsteller ausgiebig auf die von ihm verkörperte Rolle angepasst, kann in Gegenwart der Two-Man-Show kaum noch angemessen honoriert werden, dabei sind nur wenige Serien bis in die kleinsten Nebenrollen hinein so glaubwürdig besetzt.

Nicht zu unterschlagen sind auch die (alp)traumhaften Landstriche Louisianas, eimgefangen oft im verzerrten Glanz des Zwielichts, das die Grauzonen metaphorisiert, durch die sich die beiden Ermittler über einen Zeitraum von zwanzig Jahren ihren Weg bahnen.

Homogenität ist zuguterletzt dank der alleinverantwortlichen Regie Cary Fukunagas in allen Bereichen gegeben, sieht man mal von dem etwas überstilisierten Finale ab und von der auffälligen, allerdings selbst nach gängigen Kinostandards herausragenden Plansequenz in Episode 4. Staffel 2 wird es angesichts der enormen Gesamtqualität sehr schwer haben, insbesondere nach Bekanntgabe des Regisseurs und der Hauptdarsteller; allerdings hat „True Detective“ dank des Anthologieformats ja immerhin alle Freiheiten, um gar nicht erst in einen Vergleich mit der Story um die ungleichen Ermittler Cole und Hart zu geraten.
(9/10)

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