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Bevor Paul Verhoeven nach Hollywood übersiedeln durfte, drehte er noch in Europa den US-Film „Flesh + Blood“.
Im düsteren Mittelalter spielt die Geschichte, ist aber fiktiv. Hauptfigur ist der Söldner Martin (Rutger Hauer), der mit einer Horde von Gleichen angeheuert wird eine Stadt zu erobern. Als Lohn verspricht man ihnen ein Tag der Plünderung, doch der der Herrscher betrügt die Söldner: Er besticht ihren Anführer, der die Söldner in einen Hinterhalt lockt und sie zwingt Waffen wie Beute herauszugeben. „Flesh + Blood“ ist nämlich mutig genug, dem Zuschauer wirklich positive Figuren zu verweigern und präsentiert stattdessen alle Charaktere als verlotterte Halsabschneider, wobei der Prinz Steven (Tom Burlinson) noch am besten wegkommt.
Martin zieht sich mit einer paar Getreuen zurück und nun holt „Flesh + Blood“ erstmal Symbolismus der plumpen Sorte hervor: Martins Geliebte hat eine Totgeburt (vom Film hastig mit Kälte begründet), um das Elend noch mal zu versinnbildlichen. Doch beim Begraben seines Kindes findet Martin eine Heiligenstatue seines Namensvettern Sankt Martin und besinnt sich aus der misslichen Lage wie der Phoenix aus der Asche zu steigen. Simplere Metaphern sind dem Drehbuchautor wohl nicht eingefallen.

So gestärkt will Martins Horde nun mal richtig Krawall machen und entführt bei einem Raubüberfall Agnes (Jennifer Jason Leigh), die zukünftige Braut Stevens. Von da an haben sie jedoch die königlichen Schergen im Nacken...
Zumindest inszenatorisch kann man Paul Verhoeven keinen Vorwurf machen, denn „Flesh + Blood“ zeichnet das Mittelalter deutlicher realistischer als die meisten anderen Filme über diese Epoche: Schmutzig, unhygienisch, unheroisch. Während die Konkurrenz vorwiegend Edelleute in den Fokus nimmt und die Filme so rein aussehen, als ständen die Dixie-Klos hinter der Burgmauer, widmet sich Verhoeven dem ungewaschenen Fußvolk. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass „Flesh + Blood“ das Mittelalter entzaubert: Neben dem Fehlen positiver Charaktere werden auch Themen wie willkürliche Gewalt von Edelleuten dem Volk gegenüber, religiöser Fanatismus usw. gezeigt. Auf historischen Fakten basiert die Story zwar nicht, aber immerhin in der Darstellung kann man „Flesh + Blood“ den Versuch von Authentizität anerkennen.
Inhaltlich ist „Flesh + Blood“ über weite Strecken allerdings ein ziemlicher Gähner, denn der Beutezug mit Geisel sinkt bald in eine Art gewalttätige Soap Opera ab. Agnes und Martins Geliebte streiten sich um den Söldnerführer, Agnes intrigiert dabei dann noch wie eine Zicke aus dem Vorabendprogramm und bald brechen die Nebenfiguren mit in die Reibereien ein. Spannend ist das leider wenig, etwas Gepimpere bringt zwar den Hauch von Skandal, ödet aber ganz schnell nur noch an. Da die Ritter bald eine Burg besetzen, ist auch aus der Verfolgung durch die Edelleute dann die Luft raus, da man von da an weiß, wo und wie die Jagd beendet wird.

Sträflich ist auch der Actionmangel: Zu Anfang und Ende geht es etwas breiter rund, die paar Scharmützel dazwischen sind kaum der Rede wert. Hart und blutig wie in jedem Verhoevenfilm sind die Kämpfe zwar, jedoch immer recht kurz. Inszenierung und Choreographie des Hauens und Stechens ist ordentlich, wenngleich nicht herausragend, die Basteleien des erfinderischen Prinzen bringen noch moderne Elemente wie einen modifizieren Speer und rollende Fassbomben mit hinein.
Rutger Hauer passt dafür in die Rolle des markigen Söldnerführers wie die Faust aufs Auge, ebenso wie Brion James als sein Gefolgsmann. Jennifer Jason Leigh ist recht gut, Tom Burlinson als Prinz OK, der Rest vom Fest guter Durchschnitt.

Verhoevens Vision vom Mittelalter ist beeindruckend düster und dreckig, doch leider ist die Story lahm, stellenweise sogar langweilig, und die Kämpfe dünn gesät. So rettet sich „Flesh + Blood“ dann nur knapp ins Mittelmaß, was vor allem an der bemerkenswert pessimistischen Art liegt.

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