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„Die Worte Marquis de Sades gehören zu jedem modernen Menschen!“

Der umtriebige spanische Filmemacher Jess Franco war fasziniert vom Œuvre des Marquis de Sade und verfilmte mehrere seiner Werke. 1970 wagte er sich erstmals an „Die Philosophie des Boudoirs“, das er in spanisch-deutscher Koproduktion als „ Die Jungfrau und die Peitsche“ auf die Leinwand portierte.

Madame de Saint-Anges (Maria Rohm, „Justine“) und ihr Stiefbruder Mirvel (Jack Taylor, „Necronomicon - Geträumte Sünden“) sowie ihr Bekannter, der Libertin Dolmancé (Christopher Lee, „Der Hexentöter von Blackmoor“), sind besessen von den Schriften de Sades. Als die Nachbarstochter, die minderjährige Eugenie (Marie Liljedahl, „Inga - Ich habe Lust“), zu körperlicher Geschlechtsreife herangewachsen ist, beschließt das Trio, sie nach de Sade’schem Vorbild zum Teil ihrer Sex-Orgien zu machen und zum Sadismus zu erziehen. Als Madame de Saint-Ange sie zu einem Wochenende auf ihr luxuriöses Anwesen auf einer idyllischen Insel einlädt, ahnt sie noch nicht, was ihr bevorsteht…

„Die Grausamkeit der Frau übertrifft die des Mannes!“

Mit einer exaltierten, sakralen Einstiegssequenz, während der die freizügige Madame de Saint-Ange de Sade liest, eröffnet Franco einen Reigen schwelgerischer Bilder, artifizieller Ausleuchtungen in satten, erotisierenden Rottönen und langsamer, zeitlupenartig ausgewalzter Szenen. Er charakterisiert des Stiefgeschwisterpaar als dekadente Vermögende, die ihren schwarzafrikanischen Angestellten herablassend behandeln und anscheinend zu keinerlei Mitgefühl fähig oder willens sind. Menschen werden von ihnen zu Spielzeugen degradiert, so auch die blutjunge Eugenie, die von der Einführung in die Welt der Körperlichkeit und Sexualität zwar überrascht ist, aber zunächst durchaus Gefallen daran findet. Später jedoch wird sie geschlagen und ausgepeitscht, hat, da sie unter Drogen gesetzt wird, aber Schwierigkeiten, zwischen realen Ereignissen und ihrer Traumwelt zu unterscheiden. Damit spielt Franco bewusst, denn dieser Eindruck überträgt sich spätestens dann auch auf den Zuschauer, als Eugenie feststellt, von der Tortur keinerlei Striemen davongetragen zu haben.

Wie so häufig bei Franco kommt es auch in „Die Jungfrau und die Peitsche“ zum Bruch mit der literarischen Vorlage, was in eine interessante Variation mündet: Einerseits schwächt Franco seine Interpretation ab, indem er die Erziehung Eugenies zur ebenso skrupellosen Sadistin nicht wie geplant gelingen lässt. Andererseits zieht er die Rolle Dolmancés heran, um sie weiter zu radikalisieren. Spielte er zunächst nur eine scheinbar ungeordnete Rolle, entpuppt er sich als Strippenzieher im Hintergrund und macht in seinem Sadismus auch vor den Stiefgeschwistern nicht Halt und sorgt so für überraschende Wendungen im Finale.

Franco beweist auch mit diesem Werk, dass er durchaus ein Händchen für die erotische Inszenierung menschlicher Körper hatte und arbeitet u.a. mit originellen Kameraperspektiven, die sich noch nicht so voyeuristisch geben, wie es später die Regel werden sollte. Exotik und Poesie, Erotik und Niedertracht, Sex und Tod vermengen sich zu einem stilvollen Erotikthriller, handwerklich sorgfältig inszeniert, künstlerisch ambitioniert in Bezug auf Bilder, die tolle Musik, Ausstattung und Kostüme und von namhaften Schauspielern freizügig und charismatisch mit Leben gefüllt. Die junge Schwedin Marie Liljedahl konnte zuvor bereits in schwedischen Erotikfilmen Erfahrung sammeln und spielt ihre Eugenie mit Bravour. Gerade für spätere Franco-Verhältnisse wirkt „Die Jungfrau und die Peitsche“ zwar vergleichsweise harmlos und vielleicht auch ein bisschen zu glattpoliert, dürfte aber nichtsdestotrotz zu Francos herausragenden Filmen für Genießer des europäischen Erotikfilms zählen.

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