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„Warum denn immer gleich ins Bett?“

Den umtriebigen Italo-Genre- und späteren Porno-Filmemacher Joe D’Amato („Black Emanuelle – 2. Teil“) verschlug es Ende der 1970er in die Karibik, von wo er mit dem Material für gleich eine ganze Reihe neuer Filme zurückkehrte. Eine der ersten daraus resultierenden Veröffentlichungen ist „Papaya - Die Liebesgöttin der Cannibalen“ aus dem Jahre 1978, der weder etwas mit Kannibalen noch mit einer Liebesgöttin zu tun hat. Dies hatte D’Amato jedoch auch nie behauptet, der Originaltitel „Papaya dei Caraibi“ enthält keinerlei derart irreführenden Hinweise. Sein Sexploitation-Strandcocktail indes enthält durchaus Zutaten aus dem Öko-Horror-, Erotik- und Softporno-Bereich und ist – natürlich – Geschmackssache.

„Er wollte Karriere machen, war hinter den Frauen her, rauchte ganz normale Zigaretten...“

Atomkraftwerksingenieur Vincent (Maurice Poli, „Wild Dogs“) reist im Auftrag der Nuklearindustrie mit seiner Frau Sara (Sirpa Lane, „La bête“) auf eine karibische Insel, auf der ein Atomkraftwerk errichtet werden soll – sehr zum Unmut der indigenen Bevölkerung, die strikt dagegen ist, dass ihr herrliches Eiland verstrahlt und verseucht wird und sich bisher erfolgreich gegen alle derartigen Versuche zur Wehr setzen konnte. Ihr Geheimnis: Sie setzen ihren Racheengel, die attraktive Papaya (Melissa Chimenti, „Vier Fäuste schlagen wieder zu“) auf die Eindringlinge an, die ihnen den Kopf verdreht und in tödliche Fallen lockt…

„Sie ist das schönste Mädchen, das ich jemals gesehen habe!“

Der Prolog dürfte den deutschen Verleih auf die Idee gebracht haben, auf der Kannibalenfilmwelle mitzureiten zu versuchen: Papaya entmannt jemanden beim Liebesspiel mittels eines herzhaften Bisses. Daraufhin lernt man zunächst einmal Sara und Vincent kennen. Er holt sie vom Hahnenkampf ab und duscht anschließend mit ihr nackt, bevor sie eine Leiche findet und sich dabei so sehr erschreckt, dass sie glatt die Flasche J&B fallenlässt. Der Film läuft noch nicht einmal eine Viertelstunde und vereint bereits so viele Italo-Genrefilm-Charakteristika!

Vincent verhält sich der einheimischen Tradition und Kultur gegenüber chauvinistisch, wofür ihn Papaya, die sie als Anhalterin mitgenommen haben, kritisiert. Sara kann das gut nachvollziehen, sie scheint nicht derart unsensibel und abgestumpft zu sein. Gemeinsam sucht man in einer menschenleeren Siedlung das „Fest des runden Steins“, was D’Amato in eine unheimliche Stimmung kleidet. Schließlich wird man Zeugen eines Rituals inklusive der Schlachtung von Schweinen, D’Amato hält mir der Kamera voll drauf, es wird getrommelt und getanzt. Doch es kommt noch schlimmer: Ein blonder Jüngling wird als Menschenopfer dargebracht und ermordet. Seine Innereien werden ihm herausgerissen und hineingebissen. Die Eingeborenen tanzen dazu nackt. Da waren sie also wieder, die titelgebenden „Cannibalen“, die jedoch gar keine sind – zudem sollte dies die letzte Szene dieser Art sein. Saras und Vincents Mimik angesichts dieser verstörenden Bilder hält D’Amato mittels wiederholten Gesichts- und Augenzooms fest. Beide werden ausgezogen und betatscht und erwachen schließlich irgendwo anders im Bett.

Dies bedeutet: Bühne früh für den Sex! Zu dritt, also zusammen mit Papaya, nimmt man ein Bad in der Wanne, Dreiergefummel findet zu schwelgerischer Musik statt. Während Papaya Vincent oral verwöhnt, schickt sie Sara raus, die daraufhin im Schlafzimmer masturbiert und von zwei Schwarzen entführt wird. Papaya hat derweil mit jemand anderem Sex, den sie erst einmal auspeitscht, Sara schaut aus ihrem Zimmer, in das sie gesperrt wurde, beeindruckt zu. Sexszenen Papayas mit Vincent werden in der Folge eher die Regel denn die Ausnahme, bis er irgendwann offscreen dran glauben muss. Sara hingegen muss sich mit den Dorfkindern herumplagen, bevor die Saboteursgruppe um Papaya versucht, sie auf ihre Seite zu ziehen. Sara treibt es mit deren Anführer erst einmal am Strand und ist schließlich vollkommen von deren Anliegen überzeugt – wie sie einer überraschend eifersüchtigen Papaya versichert. Nach dieser Versöhnung vergnügen sich Sara und Papaya sowohl im Bett als auch am Strand miteinander, zwei unterschiedliche Szenen, die ineinander geschnitten wurden und zu den schönsten und ästhetischsten des Films zählen.

Kurz vor Schluss taucht der Kommissar wieder auf, der zuvor bereits einen Auftritt beim initialen Leichenfund hatte, nun jedoch geht es um Vincent. Im Schlepptau hat er Vincents Nachfolger, eine neue Atomtype namens Archibald. Archie will auf eigene Faust ermitteln und braust mit Sara zum „Fest des runden Steins“, wobei sie eine gewisse Papaya als Anhalterin mitnehmen… Hier schließt sich also nicht nur der Kreis, hier schließt auch der Film, der vor dem Hintergrund einer recht niedrigen Erwartungshaltung positiv überrascht. Klar, mehr Horror und Mystik wären wünschenswert gewesen, dafür vielleicht etwas weniger Softsex und Erklärbären für Doofis; natürlich, die teils wirklich heftige Wackelhandkamera nervt, und, sicher, dass der Ritualmord vom Beginn mit keiner Silbe thematisiert wird, ist bestimmt nicht das einzig Unplausible der Handlung. Aber: Ansonsten gibt es gar nicht so viel zu meckern.

Voraussetzung für den Filmgenuss jedoch ist es, dass man mit entschleunigten, „geil langweiligen“ Filmen klarkommt, dass man sich bereitwillig von ihnen in einen tranceähnlichen Zustand versetzen lässt. Dann erhält „Papaya“ die Möglichkeit, einen in einen sinnlichen Rausch aus Exotik, Erotik und Unbehagen zu versetzen, zu dem Stelvio Ciprianis omnipräsente Dschungeltrommeln den hypnotisierenden Rhythmus und malerische Strände sowie menschenleere Dörfer das Ambiente liefern. Ein Film über die Arroganz des Kapitals, vielmehr aber über die Kraft der Verführung – sei es durch nordische respektive exotische Schönheiten (die Finnin Lane und die dunkelhäutige, herbere Chimenti bilden einen reizvollen Kontrast) oder durch paradiesische Inseln mit ihren dunklen Mythen.

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